22.06.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 240 / Tagesordnungspunkt 10

Gabriele FograscherSPD - Änderung des Grundgesetzes (Parteienfinanzierung)

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Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die wehrhafte Demokratie bekämpft ihre Feinde mit rechtsstaatlichen Mitteln, und sie hat das Recht und auch die Pflicht, diese Mittel auszuschöpfen. Bei der Parteienfinanzierung ist eine mehr als groteske Situation entstanden: Wir finanzieren bis heute mit Steuermitteln eine Partei, die NPD, die vom Bundesverfassungsgericht als verfassungsfeindlich eingestuft wurde. In dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Januar dieses Jahres heißt es:

Ihre Ziele und das Verhalten ihrer Anhänger verstoßen gegen die Menschenwürde … und den Kern des Demokratieprinzips …

Das Material, das für das Verbotsverfahren zusammengestellt wurde, zeigt: Diese Partei hat menschenverach­tende und rassistische Ziele. Sie lehnt unsere Demokratie und unsere Werte ab. Sie wurde vom Bundesverfassungsgericht mit folgender Begründung nicht verboten:

Es fehlt jedoch an konkreten Anhaltspunkten von Gewicht, die es zumindest möglich erscheinen lassen, dass dieses Handeln zum Erfolg führt.

Das Bundesverfassungsgericht hat uns als verfassungsänderndem Gesetzgeber aber in der Urteilsbegründung den Hinweis gegeben, dass man verfassungsfeindliche Parteien von der staatlichen Teilfinanzierung ausschließen kann. Das werden wir heute tun. Die NPD erhält mehr als 1 Million Euro jährlich aus der staatlichen Teilfinanzierung – mehr als 1 Million –, um ihr menschenfeindliches Gedankengut und ihre antisemitische und rassistische Hetze zu verbreiten. Das ist unerträglich. Es ist auch für die Bürgerinnen und Bürger nicht nachvollziehbar, dass eine Partei, die die staatliche Ordnung bekämpft, mit Steuermitteln finanziert wird. Jede in Deutschland zugelassene Partei nimmt an der staatlichen Teilfinanzierung teil. Für eingeworbene Spenden und für erzielte Stimmen bei Wahlen ab einer bestimmten Grenze erhält jede Partei Geld vom Staat. Zusätzlich sind die Parteien von der Körperschaftsteuer befreit, und Zuwendungen können Spenderinnen und Spender steuerlich geltend machen.

Parteien haben Verfassungsstatus. Sie wirken an der politischen Willensbildung mit. Sie sind unverzichtbare Elemente in einer Demokratie. Für die vielfältigen Aktivitäten braucht eine Partei Geld. Sie erhält dieses aus Mitgliedsbeiträgen, aus Spenden, aus Einnahmen aus wirtschaftlicher Tätigkeit. Das Parteiengesetz regelt, dass sie Geld vom Staat erhält, um illegitime Einflussnahme zu verhindern und Chancengleichheit im politischen Wettbewerb zu ermöglichen. Es ist widersinnig, auf der einen Seite Parteien, die gegen diesen Staat agieren, mit Steuergeldern zu fördern und auf der anderen Seite nicht genug Mittel für den Kampf gegen Extremismus zu haben.

Wir wollen, wie ich bereits gestern an einer anderen Stelle der Debatte angekündigt habe, die Gelder, die wir durch diese Gesetzesänderung der Partei entziehen, in den Kampf gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus investieren.

(Beifall bei der SPD)

Über den Änderungsantrag hat Herr Harbarth schon gesprochen. Wir haben uns darauf geeinigt, dass das Bundesverfassungsgericht den Ausschluss einer Partei von der Finanzierung befristet für sechs Jahre feststellen soll. Dieser Ausschluss kann auf Antrag der ursprünglichen Antragsteller, also Bundestag, Bundesrat oder Bundesregierung, verlängert werden. Über den Verlängerungsantrag kann auch ohne mündliche Verhandlung entschieden werden. Ein unbefristeter Ausschluss, so wie er zunächst vorgesehen war, hätte so auf Antrag der betroffenen Partei alle vier Jahre überprüft werden können. Durch die jetzt vorgenommene Änderung behalten aber die Antragsberechtigten das Heft des Handelns in der Hand. Die Feststellung des Ausschlusses von der staatlichen Finanzierung ist auf Ersatzparteien zu erstrecken. Zur Begründung dieser Änderung erklärte der Sachverständige Herr Volkmann in der Anhörung:

Man muss eine Regelung für Ersatz- und Nachfolgeorganisationen treffen. Sonst hat man das Problem, dass sich die NPD auflöst, in PDN umbenennt – so einen ähnlichen Fall hat es auch schon einmal gegeben –, und die kann dann staatliche Finanzierung beanspruchen. Beim Parteiverbot erstreckt sich der Rechtsfolgenausschluss zwingend auch auf etwaige Ersatz- und Nachfolgeorganisationen. Das ist meines Erachtens etwas, was man für den Ausschluss von der Finanzierung unbedingt aufnehmen müsste.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dies haben wir aufgenommen und entsprechend geregelt. Das Bundesverfassungsgericht stellt fest, dass eine Partei die Bestrebungen einer von der Finanzierung ausgeschlossenen Partei weiter verfolgt oder fortführt. Somit ist sie als Ersatzpartei ebenfalls von der Finanzierung auszuschließen.

Für uns ist klar: Die heutigen Änderungen sind keine Lex NPD. Die Änderungen werden für alle Parteien gelten, die sich gegen unsere Verfassung und unsere Werte stellen. Dieser Ausschluss ist für uns nur ein Baustein im Kampf gegen Extremismus. Wir lassen nicht nach im Kampf gegen Extremismus, wir dürfen auch nicht nachlassen. Für uns ist durch diese Gesetzesänderungen das Problem des Extremismus ganz und gar nicht erledigt. Im Gegenteil: Diese Koalition hat auf Initiative unserer Familienministerin hin die Gelder für Prävention auf über 100 Millionen Euro verdreifacht.

(Beifall bei der SPD)

Wir werden die Forderungen des Unabhängigen Expertenkreises Antisemitismus zügig umsetzen. Prävention, politische Bildung, Unterstützung von Projekten der Zivilgesellschaft, Extremismusforschung sind und bleiben dauerhafte Aufgaben für die Politik und für die Gesellschaft.

Ich bitte Sie um Zustimmung zu diesen Änderungen, damit die Unterstützung von Verfassungsfeinden mit Steuermitteln endlich ein Ende hat.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dies ist meine letzte Rede in diesem Haus. Ich danke allen aus allen Fraktionen, mit denen ich in den letzten Jahren zusammenarbeiten durfte, und allen, die mich in den letzten Jahren unterstützt haben. Ich wünsche Ihnen allen für die Zukunft alles Gute.

Herzlichen Dank.

(Beifall im ganzen Hause)

Wir wünschen natürlich auch Ihnen, Frau Kollegin Fograscher, für die Zukunft alles Gute bei der Umsetzung Ihrer Pläne.

Wir fahren in der Debatte fort. Das Wort hat die Kollegin Renate Künast für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7122265
Wahlperiode 18
Sitzung 240
Tagesordnungspunkt Änderung des Grundgesetzes (Parteienfinanzierung)
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