22.06.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 240 / Zusatzpunkt 8

Johannes KahrsSPD - Strafrechtliche Rehabilitierung - Homosexualität

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 86 Prozent der Deutschen befürworten die Rehabilitierung der 175er. Zwischen 1949 und 1994 wurden etwa 64 000 homosexuelle Männer verurteilt. Das hat also 64 000 Männer und deren Partner und Freunde getroffen.

Es hat die getroffen – das ist schon gesagt worden –, die verfolgt worden sind. Aber es hat auch diejenigen getroffen, die sich nicht getraut haben und die sich versteckt haben. Homosexuelle Handlungen, um die es hier geht, waren ein Kuss und Umarmungen; das war das berühmte Kuscheln und die Nacht zusammen zu verbringen. Das alles stand unter Strafe.

Wenn man schwul ist, gehört das aber zum Leben. Das gehört zu einem selber; das macht einen Menschen aus. Wenn man das nicht darf und wenn man dafür verurteilt wird, dann ist das schändlich.

Aber viele haben es gar nicht erst so weit kommen lassen: Das waren dann die ewigen Junggesellen; das waren diejenigen, die sich nicht getraut haben und deren Leben damit auch von Anfang bis Ende – lassen Sie es mich unparlamentarisch sagen – versaut worden ist. Ich kenne viele von ihnen – ich habe mit vielen von ihnen gesprochen –, und es ist für jeden von ihnen eine Tragödie. Jeder hat sich irgendwie arrangiert; aber sie konnten nicht heiraten, sie konnten nicht zusammen sein, sie konnten nicht händchenhaltend über die Straße gehen, sie konnten sich nicht einmal küssen. Das war alles rechtswidrig, und das ging bis 1994. Das ist gar nicht so lange her.

Auch an diese Menschen wollen wir heute denken. Wir werden diejenigen, die betroffen waren, entschädigen, aber nur diejenigen, die verurteilt worden sind. All den Menschen mit diesen Biografien, die ihr Leben nicht so leben konnten, wie sie es eigentlich gewollt hätten, bieten wir nichts. Ich glaube aber, dass wir als Parlament sagen müssen, dass es uns leidtut; denn wir gehören alle zu Parteien, die auch in jener Zeit in den Parlamenten vertreten waren. Aber auch in einer Demokratie kann Unrecht geschehen.

Ich persönlich bin wirklich froh und stolz darauf, dass es uns gelungen ist, diesen Gesetzentwurf in den Deutschen Bundestag einzubringen. Ich möchte mich zuallererst bei Heiko Maas bedanken, dass er dieses Gesetzesvorhaben immer wieder angeschoben hat. Es hat häufig genug gestockt, es war häufig genug in schweren Fahrwassern, und die Kollegen im Rechtsausschuss haben sich dafür eingesetzt und gekämpft. Das war nicht ganz einfach.

Die Kollegin Sütterlin-Waack hat die Probleme geschildert. Ich habe mich vor kurzem mit ihr darüber unterhalten, warum es denn schon wieder verdammt noch mal nicht weitergeht. Sie sagte mir, woran es lag. Dann sind wir Sozialdemokraten über ein Stöckchen gesprungen, was uns nicht leichtgefallen ist.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir haben noch einen Änderungsantrag gemacht. Das war sehr schwierig. Dafür haben wir auch Dresche bezogen. Aber die Alternative wäre gewesen, dass die CDU/CSU dieses Gesetz heute nicht hier hätte beschließen lassen. Dann hätten wir es nicht gehabt, und das wäre nicht akzeptabel gewesen.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Stefan Kaufmann [CDU/CSU])

Deswegen, liebe Frau Sütterlin-Waack, noch einmal vielen Dank für den Einfluss, den Sie und viele der Kollegen in Ihrer eigenen Fraktion ausgeübt haben. Es ist immer so: Wenn man redet, dann erwischt man immer die Falschen, denn diejenigen, die heute hier sitzen, waren meistens Teil der Lösung; diejenigen, die heute hier nicht sitzen, waren das Problem.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen muss man sagen: Es war gut, dass wir es noch geschafft haben.

Ich möchte mich ganz besonders bei dem Kollegen Brunner bedanken, den ich immer wieder losgehetzt habe, der immer wieder ranmusste, damit es vielleicht doch noch klappt.

Ich persönlich bin stolz darauf. Im Koalitionsvertrag steht: Rechtliche Regelungen, die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften schlechterstellen, werden wir beseitigen. In diesem Punkt haben wir das – bis auf diesen einen Änderungsantrag – geschafft.

Es gibt aber noch andere Punkte, die offen sind, und auch wenn es nicht jeder hören möchte, muss ich es noch einmal sagen: Die Öffnung der Ehe für alle wird kommen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union; zur Not auch ohne Sie, aber sie wird kommen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nächste Woche!)

– Volker, bevor du dich aufregst: Wir alle kennen die parlamentarischen Spielregeln. Ihr habt in Baden-Württemberg gegen die Öffnung der Ehe gestimmt.

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!)

Wir als Sozialdemokraten können hier nicht für die Öffnung der Ehe stimmen, weil es einen Koalitionsvertrag gibt, an den wir uns alle zu halten haben. Wir alle kennen diese Zwänge. Trotzdem wird die Öffnung der Ehe kommen, ob mit oder ohne die Union; das ist mir langsam auch egal. Dann wird das der Bundeskanzler Martin Schulz eben regeln müssen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Als letzte Rednerin in dieser Aussprache hat Gudrun Zollner für die CDU/CSU-Fraktion das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7122717
Wahlperiode 18
Sitzung 240
Tagesordnungspunkt Strafrechtliche Rehabilitierung - Homosexualität
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