Gudrun ZollnerCDU/CSU - Strafrechtliche Rehabilitierung - Homosexualität
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Als ich im September 2013 den Einzug in den Deutschen Bundestag geschafft hatte und dem Familienausschuss zugeteilt wurde, habe ich mich für die Themen Alleinerziehende und LGBTI als Berichterstatterin der Unionsfraktion beworben – aus Überzeugung und weil ich etwas bewegen wollte.
Zwei Vorhaben lagen mir besonders am Herzen: das Unterhaltsvorschussgesetz und der § 175. Beides sind Themen, die schon jahrelang in diesem Hohen Hause debattiert wurden und bei denen sich bei manchen die Euphorie in Grenzen hielt, was eine Reformierung bzw. die Rehabilitierung anbelangt.
Ich wollte meine Zeit hier im Deutschen Bundestag dafür nutzen, um mich für Alleinerziehende und die LGBTI-Themen einzusetzen. Das hieß teilweise, dicke Bretter zu bohren, auch mit einem gewissen Quäntchen an Hartnäckigkeit; vor allem aber hieß es, miteinander zu reden, aufzuklären und zu überzeugen. Und Aufklärung tat wirklich not.
(Johannes Kahrs [SPD]: Das stimmt!)
Den § 175 oder zumindest die Bedeutung kannten viele,
(Johannes Kahrs [SPD]: In der Union nicht!)
aber die tragischen Schicksale, die dieser Paragraf für die betroffenen Männer mit sich brachte, kannten die wenigsten. Es war dieser Paragraf, der homosexuelle Männer zu Verbrechern machte, durch den viele ihre Arbeit und ihr Ansehen verloren, an dem Familien zerbrachen, der sie in den sozialen Tod trieb.
Überzeugung brachten das Gutachten der Antidiskriminierungsstelle des Bundes sowie unionsinterne Expertengespräche. Sie zeigten Möglichkeiten zur verfassungsgemäßen Umsetzung. Trotzdem war es für unsere Juristen eine Herausforderung; wir betraten schließlich verfassungsrechtliches Neuland. Aber wir haben es geschafft. Wir beschließen heute die Rehabilitierung der nach § 175 verurteilten Männer. Wer hätte das am Anfang dieser Legislaturperiode gedacht?
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE])
Hier möchte ich Friedrich Hebbel zitieren: „Es gehört oft mehr Mut dazu, seine Meinung zu ändern, als ihr treu zu bleiben.“
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Ich freue mich besonders für die betroffenen Männer, die endlich ein Stück ihres Lebens zurückbekommen. Wir können mit der heutigen Rehabilitierung das Leid durch die fortgesetzte Kriminalisierung und Stigmatisierung der Betroffenen nicht mindern, aber wir können ihnen ihre Ehre zurückgeben – endlich.
(Beifall im ganzen Hause)
Wir setzen aber auch ein Zeichen für unsere Gesellschaft. Deutschland bezieht Position – gegen Diskriminierung und gegen Ausgrenzung. Auch über unsere nationalen Grenzen hinaus wollen wir ein positives Signal an Länder senden, in denen Homosexualität immer noch stark geächtet wird. Neben der Individualentschädigung kommen wir auch der Forderung nach einer Kollektiventschädigung nach, und zwar in Form einer institutionellen Förderung der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld bereits in diesem Haushaltsjahr.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, dass ich an diesem einmaligen Vorgang mitwirken durfte, erfüllt mich mit Stolz. Schade finde ich nur, dass ich bei der ersten Lesung von einigen Medien als einzige der acht Rednerinnen und Redner nicht einmal namentlich erwähnt wurde. Vielleicht passt es einigen ideologisch nicht, dass sich eine CSU-Politikerin für LGBTI-Themen einsetzt.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Viele meiner Unionskolleginnen und -kollegen treten für die Rechte Homosexueller ein, und zwar aus Überzeugung, auch wenn uns leider oft etwas anderes unterstellt wird.
(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Sehr richtig!)
Wir alle wissen aber auch: Politik besteht aus Kompromissen. Das erleben wir tagtäglich bei unserer Arbeit. Kein Gesetz verlässt das Plenum ohne Kompromiss. So auch dieses. Ich würde mir aber auch wünschen, dass wir oft respektvoller miteinander umgehen. Ich möchte Brücken bauen. Lassen Sie uns aufeinander zugehen, so wie wir es interfraktionell bei der Rehabilitierung nach § 175 verurteilter Männer geschafft haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte mich daher heute bei den Kollegen der interfraktionellen Gruppe, bei Harald Petzold und bei Karl-Heinz Brunner, auch wenn er über uns heute ein bisschen geschimpft hat, für die gute Zusammenarbeit bedanken, ganz besonders aber bei meiner Kollegin Dr. Sabine Sütterlin-Waack. Ihr möchte ich gleichzeitig ganz herzlich zu ihrer bevorstehenden Berufung als Justizministerin des Landes Schleswig-Holstein gratulieren.
(Beifall im ganzen Hause)
Liebe Sabine, alles Gute und danke für das vertrauensvolle und freundschaftliche Miteinander.
Vielleicht war es auch für mich als Listenkandidatin heute die letzte Rede zu diesem Thema hier im Hohen Haus. Danke auch an den Vorstand der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld, Jörg Litwinschuh, für seine Arbeit am Archiv der Erinnerungen, und danke an alle Männer, deren Strafmakel wir heute beseitigen konnten, für ihre Geduld im Glauben an unseren Rechtsstaat. Ab heute sind sie moralisch, politisch, gesellschaftlich und nun endlich auch rechtlich rehabilitiert.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7122720 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 240 |
Tagesordnungspunkt | Strafrechtliche Rehabilitierung - Homosexualität |