22.06.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 240 / Tagesordnungspunkt 16

Florian Pronold - Wohnungswirtschaft, Kündigungsschutz

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! „ Sprache“ ist ein gutes Stichwort, finde ich. Wenn wir lesen „Wohnungswirtschaft“ und „Kündigungsschutz“, dann verdeckt das ein bisschen, worum es geht. Es geht um viele Menschen, die große Sorge haben, dass sie sich das Leben in ihrer angestammten Wohnung in Zukunft nicht mehr leisten können, wenn eine Modernisierungsankündigung kommt; es geht um Rentnerinnen und Rentner, die in einer Wohnung leben, die eigentlich zu groß ist, die gern wechseln würden, die aber in ihrem Kiez keine bezahlbare neue Wohnung finden; es geht um explodierende Mieten in vielen Regionen Deutschlands, die vielen, vielen Menschen einen ganz großen Teil dessen, was sie hart erarbeiten, aus dem Geldbeutel nehmen. Darum geht es heute: Wie können wir das verändern?

Diese Große Koalition und vor allem die SPD-geführten Ministerien haben in dieser Legislaturperiode unheimlich viel nicht nur auf den Weg gebracht, sondern auch umgesetzt. Wir haben die soziale Wohnraumförderung verdreifacht, wir haben die Städtebauförderung verdoppelt, wir haben die Regelungen zu den Maklergebühren durchgesetzt, wir haben die Mietpreisbremse eingeführt, wir haben das Wohngeld erhöht. In den letzten 20 Jahren ist auf Bundesebene nie so viel gemacht worden für die soziale Wohnungspolitik wie in dieser Legislaturperiode. Darauf können wir stolz sein.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Trotzdem lohnt es, in dieser Debatte nicht nur nach vorn zu blicken und zu schauen, was noch zu tun ist, sondern auch eine kritische Reflexion zur Wohnungspolitik in den letzten Jahrzehnten vorzunehmen. Bevor die Große Koalition an die Regierung kam, erfolgten die Abschaffung der Wohnungsgemeinnützigkeit durch Schwarz-Gelb, die Föderalismusreform, die die Zuständigkeit der Länder für den sozialen Wohnungsbau begründet hat, der De-facto-Ausstieg vieler Länder aus dem sozialen Wohnungsbau, der Rückgang bezahlbaren Wohnraums und von Sozialwohnungen in ganz Deutschland und der Verkauf öffentlicher Wohnungsunternehmen auf allen Ebenen und übrigens unter Beteiligung aller hier vertretenen Fraktionen, je nachdem, in welcher Verantwortung sie vor Ort waren.

Das alles geschah wohl unter der Annahme, dass es irgendwann in Deutschland kein Wohnungsproblem mehr gibt, weil ja die Bevölkerungszahlen sinken. Aber wie wir alle sehen, ist diese Prognose nicht eingetreten, sondern wir haben einen enormen Handlungsbedarf, mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.

Ich bin der festen Überzeugung: Wohnen ist ein wichtiges soziales Gut, und vor allem Boden darf kein Spekulationsobjekt sein. Deswegen begrüße ich die Initiative der Länder zur Besteuerung von Share Deals. Es kann nicht sein, dass Grundstücksgeschäfte grunderwerbsteuerbefreit bleiben, wenn sie von großen Gesellschaften gemacht werden, und die Familie, die Eigentum erwerben will, darauf bis zu 6,5 Prozent Grunderwerbsteuer zahlen muss. Das ist ungerecht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Wer macht die denn so hoch? Rot-Rot-Grün!)

Und ich freue mich auf die Diskussion über die Gemeinnützigkeit.

(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Wer verteuert denn den Wohnungsbau?)

– Wenn Sie eine Zwischenfrage haben, melden Sie sich.

(Beifall des Abg. Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE])

Wie immer gern. Wir haben ja schon in finanzpolitischen Zeiten viel gemacht, und wir können gern auch über diese Frage reden; dann gebe ich Ihnen auch die entsprechenden Antworten.

Aber mir geht es jetzt darum: Ist gemeinnützige Wohnungswirtschaft eine Lösung für die Zukunft? Ich persönlich bin der Auffassung – auch mein Ministerium; wir haben jetzt einige Veranstaltungen dazu gemacht –, dass wir alles tun müssen, damit nicht profitorientierte Wohnungsgesellschaften auf dem Wohnungsmarkt wieder stärker werden. Wenn man sich zum Beispiel die Mieten in München und Wien anschaut, sieht man, dass diese höchst unterschiedlich sind. Pro Quadratmeter wird in Wien nur ungefähr die Hälfte von dem bezahlt, was man in München zahlt. Und warum? Der Unterschied ist, dass in Wien 70 Prozent des Wohnungsbestands in genossenschaftlicher Hand oder in der Hand kommunaler Wohnungsbaugesellschaften ist. In München sind es – je nachdem, wie man rechnet – 10 bis 15 Prozent. Deswegen müssen wir alles tun, damit gemeinwohlorientierte Unternehmen oder diejenigen Unternehmen, die nicht so stark am Profit orientiert sind, wieder stärker werden und einen größeren Anteil auf den Wohnungsmärkten bekommen.

(Beifall bei der SPD)

Unser Ziel ist es, dass alle diejenigen gestärkt werden, die sich als Wohnungsunternehmen besonders engagieren – für Schuldnerberatung, für Begegnungen zwischen Nachbarn, für Integration, für Gemeinschaftsräume, für Grünflächen, auch für die Integration von Menschen mit Handicap –, die eine Sozialrendite erwirtschaften; das sind insbesondere die Genossenschaften und die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften. Das Wichtigste wäre, dass sie von allen politischen Ebenen die Grundstücke, die sie für den Neubau dringend brauchen, endlich preisgünstiger bekommen

(Beifall bei der SPD)

und dass alle dazu beitragen, dass es eine an sozialen Gesichtspunkten orientierte Wohnungspolitik gibt.

(Ulli Nissen [SPD]: Wichtige Forderung!)

Diejenigen, die meinen, Wohnungsgemeinnützigkeit löse alle Probleme auf dem Wohnungsmarkt, gehen allerdings fehl in ihrer Annahme. Es wird sehr lange dauern, bis sich der Anteil erhöht. Wer die Gutachten, die dazu gemacht werden, genau liest, sieht auch, dass es da auf alle Fälle noch einige ungelöste Fragen gibt. Außerdem fehlt es vor allem an Partnern aus der Wohnungswirtschaft, die die neue Gemeinnützigkeit wollen, wenn diese ähnlich ist wie die, die wir in den 90er-Jahren hatten. Deswegen, glaube ich, kommt es darauf an, dass wir überlegen, wie wir diejenigen stärken, die nicht den Tanz ums goldene Kalb vollführen und nicht den Profiten nachjagen, wie wir die Gemeinnützigkeit wieder in ein neues Licht bringen und auf dem Wohnungsmarkt zu neuem Leben verhelfen. Das ist unser Anspruch.

Ich glaube, das ist aber nur ein Teil der Lösung. Wir haben auch andere Themen in den Beratungen. Ich finde, dass es genauso wichtig ist, über die anderen Instrumente zu reden. Dazu gehört, dass wir die Mieterinnen und Mieter endlich wirksam schützen, auch durch rechtliche Gegebenheiten. Dazu gehört die Nachbesserung bei der Mietpreisbremse. Einer meiner Nachredner lässt sich auf der einen Seite hier im Deutschen Bundestag dafür loben, dass er für die Mietpreisbremse kämpft

(Ulli Nissen [SPD]: War das der Luczak?)

– Herr Luczak –, und auf der anderen Seite vor Ort dafür loben, dass er hier alles dafür getan hat, dass sie nicht zur Wirkung kommt.

(Ulli Nissen [SPD]: Ja! Ich erinnere mich daran, Herr Luczak! – Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Nein!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, ich finde es auch schade, dass Worte und Taten dann nicht zusammenpassen, wenn es ums Regieren geht. Wenn ich mir den Koalitionsvertrag in Schleswig-Holstein anschaue, dann lese ich dort:

Die Erfahrungen mit ... der ... Mietpreisbremse und der Kappungsgrenzenverordnung zeigen ..., dass der angestrebte Effekt ... nicht eingetreten ist. Deswegen werden wir die entsprechenden Verordnungen ... ersetzen.

Hier den Robin Hood für die Mieterinnen und Mieter zu spielen und dort, wo man in Verantwortung geht, den Sheriff von Nottingham zu geben, das hilft den Menschen nicht, die Angst davor haben, ihre vier Wände zu verlieren.

(Beifall bei der SPD)

Als nächste Rednerin hat Heidrun Bluhm für die Fraktion Die Linke das Wort.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7122727
Wahlperiode 18
Sitzung 240
Tagesordnungspunkt Wohnungswirtschaft, Kündigungsschutz
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