22.06.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 240 / Tagesordnungspunkt 23

Steffi LemkeDIE GRÜNEN - Gesamtkonzept Elbe

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte als Erstes feststellen, dass diese Debatte vor dem Hintergrund stattfindet, dass die Elbepolitik der letzten Jahrzehnte gescheitert ist. Es ist ein Scherbenhaufen, was an der Elbe gegenwärtig stattfindet und was man dort sieht. Wir haben einen Fluss, der sich eingetieft hat: 2 Zentimeter pro Jahr seit circa 100 Jahren. In einzelnen Flussgebietsabschnitten in der Region bei Dessau, in der ich lebe, genauer bei Barby, sind es fast 2 Meter in den letzten Jahrzehnten. Können Sie sich vorstellen, wie ein Fluss aussieht, der sich 2 Meter eingetieft hat?

Die Elbe hat ein Sandbett. Das ist in den letzten Jahren der Flusspolitik in keiner Weise berücksichtigt worden. Man hat gebaut und gebaut mit der Folge, dass sich der Fluss immer weiter eingetieft hat und dort noch weniger Schiffe fahren können als früher. Im Moment haben wir einen Pegelstand von 70 Zentimetern. Ich weiß nicht, welche Schiffe Sie noch fahren lassen wollen. Seit dem Jahr 2015 hatten wir mehrere Monate, in denen gar keine Schiffe fahren konnten. Der Fluss hat das Wasser für die Ausbaupläne, die die Regierungen der letzten Jahrzehnte verfolgt haben, einfach nicht. Das ist das Problem, das wir an der Elbe haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb haben wir Grüne den Prozess um das Gesamtkonzept Elbe begrüßt, weil er versucht hat – Herr Ferlemann hat es dargestellt –, diese Konflikte aufzulösen. Deshalb habe ich geklatscht, als Sie sagten: Wir wollen Ökologie und Ökonomie in Übereinstimmung bringen. Denn die Tonnagen, die auf der Elbe transportiert werden, rechtfertigen überhaupt gar keinen Ausbau. Die Tonnagen, die dort transportiert werden, gehen gegen null. Wir reden prioritär über Kreuzfahrtschiffe, die für den Tourismus eine wichtige Quelle darstellen, und die wir durchaus unterstützen wollen. Aber bei 70 Zentimetern ist für manche von ihnen bereits Schluss. Ich habe geklatscht, Herr Ferlemann, bei der Passage „Ökologie und Ökonomie in Übereinstimmung bringen“. Sie stehen jetzt vor der Aufgabe, Ihre Worte und Taten in Übereinstimmung zu bringen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Matthias Lietz [CDU/CSU]: Aber Sie auch!)

– Ja, natürlich. Ich habe damit aber kein Problem, weil ich in den letzten Jahrzehnten nicht gefordert habe, einen solchen Fluss auszubauen, obwohl es dort überhaupt keinen Gütertransport gab.

(Gustav Herzog [SPD]: Kollegin Lemke, niemand will die Elbe ausbauen! – Kirsten Lühmann [SPD]: Vielleicht sollte man das Konzept lesen!)

– Sie reden doch auch gleich, Herr Herzog. Dann schauen Sie doch einmal in Ihren Antrag.

Das ist das Problem an der Diskussion, die wir gegenwärtig führen. Das Gesamtkonzept Elbe ist eine gute Grundlage, um jetzt voranzukommen. Aber in dem Gesamtkonzept Elbe wird nicht die entscheidende Frage beantwortet, wie die Sohlerosion zu stoppen ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das positive Ergebnis dieses Prozesses ist, dass endlich nach Jahrzehnten anerkannt wird, dass die Sohlerosion für die Ökologie und für die Schifffahrt ein Riesenpro­blem darstellt und das Ökosystem Fluss zum Kippen bringen könnte, wenn wir nichts dagegen unternehmen.

Es ist positiv, dass sich diese Erkenntnis jetzt endlich durchsetzt. Aber es gibt im Gesamtkonzept Elbe keine Antwort darauf, wie das erreicht werden soll. Es findet sich keine Ziel-Jahresgröße. Was Sie aber andererseits als Zielgröße hineingeschrieben haben, ist das Ausbauziel einer Mindestfahrrinnentiefe von 1,40 Meter für die Schifffahrt. Daran halten Sie fest. Sie geben dankenswerterweise zu, dass dies fast der alten Forderung nach einer Tiefe von 1,60 Meter entspricht, weil nun die Parameter ein wenig verändert wurden. Das ist das Problem, und deshalb stellt sich nun sehr wohl die Frage: Ist das mit dem Gesamtkonzept ernst gemeint? Geht es jetzt wirklich darum, die Ökologie an diesem Fluss stärker zu berücksichtigen?

Jetzt haben die Koalitionsfraktionen einen Antrag vorgelegt, in dem sie – erstens – den Ausbau der Reststrecke Dömitz fordern, und zwar prioritär. Deshalb stimmt es nicht, was Sie eben dazwischengerufen haben, nämlich, dass Sie keinen Ausbau wollen. Sie wollen die Reststrecke Dömitz ausbauen. Sie brauchen dafür ein Planfeststellungsverfahren – das ist Ausbau.

(Dagmar Ziegler [SPD]: Für die Sohlesanierung auch!)

Dies jetzt prioritär zu fordern, wiederspricht der Idee des Gesamtkonzeptes Elbe, weil Sie gar nicht beantworten können, wie dort Ökologie und Ökonomie in Übereinstimmung zu bringen sind.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Rosemarie Hein [DIE LINKE])

Darauf kann Ihnen bisher keiner eine Antwort geben.

(Kirsten Lühmann [SPD]: Doch! Es gibt gleich eine Antwort! Ich rede noch um Mitternacht!)

Sie haben Ihre Redezeit schon überschritten, Frau Lemke, und deswegen gibt es keine Zwischenfrage mehr. Ich würde Sie bitten, zum Schluss zu kommen.

Schade. Da Sie keine Zwischenfrage mehr zulassen, will ich mit einigen Sätzen abschließen.

Der zweite sehr kritische Punkt, den Sie in Ihren Antrag eingebaut haben, ist der geforderte Staatsvertrag mit Tschechien. Man muss dazu wissen, dass Tschechien Staustufen bauen will. In einer solchen Situation einen Staatsvertrag schließen zu wollen, ohne inhaltliche Parameter anzugeben, widerspricht dem Gedanken des Gesamtkonzeptes ebenso. Deshalb möchte ich an Sie appellieren: Reißen Sie mit diesem Antrag nicht ein,

(Dagmar Ziegler [SPD]: Dito!)

was besonders die Mitarbeiter Ihres Hauses, Herr Ferlemann – auch von dieser Stelle herzlichen Dank an Herrn Klingen –, in jahrelanger mühevoller Arbeit aufgebaut haben. Halten Sie daran fest. Bleiben Sie im Geiste der Forderungen des Gesamtkonzeptes. Der Antrag der Koalitionsfraktionen tut das nicht.

Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dagmar Ziegler [SPD]: Aber Ihrer!)

Das war jetzt ein langer Schluss. – Noch einmal zur Information: Zwischenfragen oder -bemerkungen sind nur innerhalb der Redezeit möglich. Nach Ablauf der Redezeit gibt es keine Zwischenfragen mehr.

(Gustav Herzog [SPD]: Frau Präsidentin, untertänigst, sie hat noch 30 Sekunden länger geredet!)

– Sie hat die Redezeit überschritten; aber ich wusste ja, dass sie zu Ende war, Herr Herzog. Außerdem haben Sie nachher das Wort.

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Opposition hat immer zu wenig Redezeit! – Gegenruf des Abg. Sebastian Hartmann [SPD]: Wir haben euch Redezeit abgegeben!)

Dann hat jetzt der Kollege Jürgen Klimke für die CDU/CSU-Fraktion das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7122979
Wahlperiode 18
Sitzung 240
Tagesordnungspunkt Gesamtkonzept Elbe
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta