23.06.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 241 / Tagesordnungspunkt 30

Gabriele Hiller-OhmSPD - Abschaffung der sachgrundlosen Befristung

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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren hier im Saal und auf den Tribünen! Liebe Kolleginnen und Kollegen der Linken, herzlichen Dank, dass Sie uns Gelegenheit geben, hier nun zum siebten Mal die Position der SPD zur sachgrundlosen Befristung kundzutun.

(Beifall bei der SPD)

Ja, auch die SPD will Arbeitsverträge verbieten, die ohne jede Begründung nur auf Zeit abgeschlossen werden. Solche Arbeitsverträge brauchen wir nicht.

(Beifall bei der SPD)

Sie schwächen die Position von Beschäftigten und versperren gerade jungen Menschen die Möglichkeit, sich eine gute Lebensperspektive aufzubauen und die eigene Zukunft zu planen.

(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Was folgt daraus politisch?)

Ich verstehe an dieser Stelle die hartnäckige Verweigerung unseres Koalitionspartners CDU/CSU, hier endlich etwas zu ändern, nicht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und CSU, wollen doch unbedingt, dass sich junge Menschen in Deutschland für Kinder und Familie entscheiden. Hier haben Sie eine wunderbare Möglichkeit. Schaffen Sie endlich die sachgrundlosen Befristungen ab, und Sie haben auf der Stelle eine wirksame Maßnahme zur Geburtensteigerung. Denn Untersuchungen belegen klar, dass unbefristet Angestellte mehr Kinder haben als Beschäftigte in einem befristeten Arbeitsverhältnis.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Das würde den Staat überhaupt nichts kosten. Eine sehr gute Maßnahme wäre das. Ich frage Sie: Warum schlagen Sie sich in einer so wichtigen Frage auf die Seite der Unternehmen und Personalabteilungen?

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Weiß sie eigentlich, dass wir zusammen regieren?)

Schon klar: Personalchefs und -chefinnen haben weniger Arbeit und größere Rechtssicherheit mit dieser Art von Verträgen. Aber denken Sie doch bitte auch an die jungen Menschen. Haben sie kein Recht auf einen guten Start ins Berufsleben? Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und CSU, Sie könnten gleichzeitig auch die Lebenssituation vieler Frauen deutlich verbessern. Die aktuelle Ausgabe von arbeitsmarkt aktuell des DGB aus diesem Monat fasst die Sachlage sehr gut zusammen – ich zitiere –:

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Haben wir alle nicht abonniert!)

Befristete Beschäftigungen nehmen immer mehr zu. Inzwischen haben 3,2 Mio. Menschen nur ein befristetes Arbeitsverhältnis. Bei Männern sind 38 Prozent aller neu abgeschlossenen Arbeitsverträge befristet, bei Frauen sind es sogar 47 Prozent. Vor allem junge Menschen sind betroffen. Befristungen schaffen nicht nur berufliche Unsicherheiten, sondern sind oft auch mit deutlichen Lohneinbußen verbunden.

Schlimm ist, dass etwa die Hälfte aller Befristungen ohne sachlichen Grund ist.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: In welchem Ministerium sind eigentlich die meisten unbefristeten Arbeitsverträge?)

Also, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU/CSU: Geben Sie sich einen Ruck, und machen Sie dem Spuk endlich ein Ende! Unsere Unterstützung haben Sie.

(Beifall bei der SPD – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Kümmern Sie sich um unbefristete Arbeitsverhältnisse in Ihren Ministerien! Da gibt es die meisten!)

Sie, meine Kolleginnen und Kollegen der Linken und Grünen, werden uns gleich dazu auffordern, für den Gesetzentwurf zu stimmen, um damit die sachgrundlosen Befristungen abzuschaffen.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Nach dieser Rede würde ich das auch tun!)

Das werden wir nicht ohne die CDU/CSU tun; denn wir haben gemeinsam einen Koalitionsvertrag geschlossen. Darin steht, dass CDU, CSU und SPD nur gemeinsam stimmen werden. Daran halten wir uns auch. Das würden Sie genauso erwarten, wenn wir eine Koalition hätten.

(Beifall bei der SPD – Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Nein! Ich würde so was erst gar nicht unterschreiben!)

Nun ein Wort an die Kolleginnen und Kollegen der Linken. Natürlich können Sie hier im Bundestag immer wieder dieselben Anträge und sogar wortgleiche Gesetzesinitiativen einbringen.

(Zurufe von der LINKEN: Ja!)

Das ist in einer Demokratie Ihr gutes Recht. Wenn wir aber heute auf Ihre Initiative hin zum siebten Mal dasselbe Thema diskutieren und dieselben Argumente zum siebten Mal austauschen, so frage ich mich: Fällt Ihnen nichts Weiteres ein?

(Beifall bei der SPD)

Ist Ihnen zum Ende der Legislaturperiode die Puste ausgegangen?

Ich hätte mich gefreut, heute mit Ihnen zum Beispiel über Arbeit auf Abruf zu sprechen. Bei dieser unwürdigen Beschäftigungsmöglichkeit erfahren die Beschäftigten immer erst kurz vorher, wann und wie lange sie zur Arbeit kommen sollen. Theoretisch müssen sie mindestens vier Tage im Voraus informiert werden. Praktisch sind die Beschäftigten aber meist auf die Arbeitseinsätze und auf das damit verbundene Geld angewiesen und beschweren sich nicht, wenn ganz kurzfristig ein Anruf vom Arbeitgeber kommt. Diese Art der Arbeit macht Planbarkeit und eine weitere Arbeit für die Betroffenen gänzlich unmöglich. Auch solchen Entwicklungen müssen wir einen Riegel vorschieben. Wo, so frage ich, bleibt da die Linke?

(Lachen bei der LINKEN – Katja Kipping [DIE LINKE]: Das ist doch peinlich, Frau Hiller-Ohm! Sie haben jeden Antrag von uns abgelehnt!)

Ich kann mich an keinen sonst so gerne hier im Plenum von Ihnen losgelassenen Empörungsschrei erinnern. Nur Zwischenrufe haben Sie an dieser Stelle.

(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Das ist dreist!)

Wir werden mit unserem derzeitigen Koalitionspartner, CDU/CSU, an dieser Stelle leider auch nicht mehr weiterkommen.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Ich dachte, Sie wollten sich einmal bedanken für die gute Zusammenarbeit! Das wäre langsam Zeit! Wir tragen Sie hier durch! Wir haben einen Erfolg nach dem anderen bei den Umfragen, und Sie beschweren sich! Das finde ich nicht richtig!)

Aber wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten werden uns in unserem Regierungsprogramm, das wir am Wochenende in Dortmund beschließen, gegen diese ausbeuterischen Arbeits- und Beschäftigungsmöglichkeiten aussprechen.

(Beifall bei der SPD)

Frau Kollegin, lassen Sie kurz vor Schluss noch eine Zwischenfrage zu?

Wir wollen gute Arbeit und faire Löhne, damit Altenpfleger, Erzieher, Krankenschwestern, Busfahrer, Kassiererinnen und alle hart arbeitenden Menschen in unserem Land für ihre verantwortungsvollen Tätigkeiten endlich gerecht entlohnt werden und ihre Arbeit so wertgeschätzt wird, wie sie es verdienen.

Wir haben auch gute Konzepte für Steuer und Rente vorgelegt, die zeigen, wie soziale Gerechtigkeit in Deutschland funktionieren kann.

(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Sie können auch weiterhin den Kopf in den Sand stecken!)

Ich komme zum Schluss.

(Heiterkeit bei der SPD)

Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Linken und auch der Grünen, sollten sich genau überlegen, in welchem Land Sie leben wollen

(Volker Kauder [CDU/CSU]: In einem CDU/CSU-Land!)

und ob es der richtige politische Weg ist, den konservativen Kräften direkt oder indirekt den Weg zu ebnen. Gute Arbeit und Verbesserungen für die Menschen, die für sich und ihre Familien hart schuften müssen,

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das mit dem Schluss hat aber nicht geklappt! – Manfred Grund [CDU/CSU]: Können Sie noch einmal nach Martin rufen?)

um über die Runden zu kommen, gibt es nur mit einer starken Sozialdemokratie und mit starken Gewerkschaften.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben in den letzten Jahren schon vieles erreicht und das Leben der Menschen verbessert.

Frau Kollegin.

Wir werden weiter kämpfen.

(Beifall bei der SPD – Manfred Grund [CDU/CSU]: Jetzt noch nach Martin rufen!)

Ich gebe der Kollegin Kipping für die Fraktion Die Linke Zeit für eine Kurzintervention.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7123045
Wahlperiode 18
Sitzung 241
Tagesordnungspunkt Abschaffung der sachgrundlosen Befristung
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