Marco WanderwitzCDU/CSU - Schutz von Journalisten, Planung Deutsche Welle
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich beginne meine heutige Rede mit einem Zitat aus der Zeit aus dem letzten Monat:
Im Februar 2013 skizzierte der Generalstabschef der russischen Streitkräfte ... seine Vision einer modernen Armee. Politische Ziele ... seien im vernetzten Zeitalter nicht mehr nur mit konventioneller militärischer Macht zu erreichen, sondern durch den „breit gestreuten Einsatz von Desinformation“, die das Protestpotenzial der Bevölkerung verstärken solle – zum Beispiel durch geleakte Dokumente.
Natürlich nicht in Russland, sondern in den anderen Ländern, in denen Russland tätig ist.
In eine medienpolitische Rede mit der russischen Armee einzusteigen, mag auf den ersten Blick überraschen, auf den zweiten Blick zeigt sich hier aber, glaube ich, in aller Deutlichkeit die weltpolitische Realität im Jahr 2017: Eine Vielzahl von Autokraten und Diktatoren unterdrückt zunehmend weltweit die Pressefreiheit. Journalistinnen und Journalisten werden in vielen Ländern immer härter verfolgt und drangsaliert. Wir sehen einen weltweit massiv verstärkten Kampf um die öffentliche Meinung, frei nach Clausewitz: Kommunikation ist eine Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. – Folglich wächst die Bedeutung derjenigen, die für diese Kommunikation verantwortlich sind, sie tragen: die Medienberichterstatterinnen und Medienberichterstatter sowie die Anstalten des internationalen Auslandsrundfunks. Politik muss, wir müssen, meine ich, ein größeres Augenmerk als bisher auf ihre Ausstattung und ihre Arbeitsbedingungen, ihren Schutz und ihre Sicherheit legen.
Die Koalitionsfraktionen geben auf diese Aufgabenstellung heute zwei Antworten:
Erstens. Wir bringen eine Entschließung zur Fortschreibung der Aufgabenplanung der Deutschen Welle ein. Damit beteiligen wir uns an der öffentlichen Debatte über den künftigen Kurs des deutschen Auslandsrundfunks.
Zweitens. Wir fordern mit unserem Antrag die Bundesregierung auf, sich bei den Vereinten Nationen für die Schaffung des Amtes eines Sonderbeauftragten zum Schutz von Journalistinnen und Journalisten einzusetzen.
Beides, der verstärkte Schutz der Presse- und Meinungsfreiheit und die weitere Ertüchtigung der Deutschen Welle als in der internationalen Medienöffentlichkeit deutlich vernehmbare Stimme aus Deutschland, gehört zusammen.
Sonntagsreden über die Bedeutung und den Schutz der Presse- und Medienfreiheit sind schon viele gehalten worden. Wie aber kann im Falle von Medien und Journalismus das Montagshandeln aussehen angesichts der in unserem Grundgesetz verankerten Staatsferne der Medien, angesichts der Tatsache, dass die Verfolgung von Medienberichterstattern nicht in unserem Land Thema ist, sondern anderswo: in Staaten, mit denen wir nicht befreundet sind, die sich entsprechende Mahnungen als unzulässige Einmischungen von außen verbitten, aber teilweise leider zunehmend auch in Mitgliedsländern der Europäischen Union? Stellvertretend für alle verfolgten und inhaftierten Journalistinnen und Journalisten hat heute Reporter ohne Grenzen vor dem Reichstagsgebäude an viele Betroffene erinnert. Einige Kolleginnen und Kollegen haben sich beteiligt, beispielsweise Martin Dörmann.
Es ist wichtig und richtig, dass unsere Frau Bundeskanzlerin und der Bundesaußenminister Einschränkungen der Pressefreiheit bei ihren Staatsbesuchen immer wieder klar ansprechen. Wir brauchen aber auch einen supranationalen Handlungsansatz. Daher bin ich Reporter ohne Grenzen sehr dankbar für ihren Vorstoß, einen UN-Sonderbeauftragten zum Schutz von Journalisten zu installieren. Reporter ohne Grenzen setzt sich seit längerem sehr verdienstvoll weltweit für die Rechte und das Wohl von Journalistinnen und Journalisten ein. Ihre Mahnungen und Hinweise sowie die Rangliste der Pressefreiheit sind für uns eine wichtige Orientierungshilfe und Richtschnur unseres politischen Handelns. Vielen Dank dafür stellvertretend, wie ich glaube, für das ganze Haus.
(Beifall im ganzen Hause)
Der Vorschlag von Reporter ohne Grenzen setzt an der richtigen Stelle an. Der Beauftragte soll direkt beim UN-Generalsekretär angesiedelt sein. Das Mandat ist mit dem Schutz von Journalistinnen und Journalisten präzise definiert und eng umrissen. Es gibt zwar bereits einen Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für Meinungsfreiheit; ich habe aber gelernt: Der Sonderbeauftragte ist höherwertig. Er oder sie könnte sich zudem allein auf die Sicherheit und Unversehrtheit von Journalistinnen und Journalisten konzentrieren.
Derzeit stehen fast 30 Länder, darunter Frankreich und Japan, hinter dem Vorschlag von Reporter ohne Grenzen. Wir wollen, dass sich Deutschland schnellstmöglich unter den Unterstützerstaaten einreiht. Es reicht nicht länger aus, auf informeller und diplomatischer Ebene Wohlwollen zu signalisieren. Es geht um den Schutz von Demokratie und Menschenrechten in der Welt. Da muss Deutschland vorn ran.
Meine Fraktion hat sich bereits vor einem Jahr öffentlich für den Vorschlag von Reporter ohne Grenzen ausgesprochen. Unsere Außenpolitiker haben dankenswerterweise uns Medienpolitikern die Federführung überlassen; dafür ein herzlicher Dank an die Außenpolitiker.
Ich sehe es als wichtige Aufgabe für die nächste Wahlperiode des Deutschen Bundestages – das ist eine Art Hausaufgabe an das dann neue Hohe Haus –, dass wir analog zur Auswärtigen Kulturpolitik so etwas wie eine auswärtige Medienpolitik entwerfen. Sie wird mehr umfassen müssen als die Unterstützung der Deutschen Welle. Eine angemessene Ausstattung des Auslandsrundfunks aber gehört in jedem Fall dazu.
Die Deutsche Welle ist der Beitrag des Bundes zu medialer Vielfalt und Meinungsfreiheit in der Welt. Ja, sie sendet im Auftrag der Bundesregierung, und ja, BKM hat die Rechtsaufsicht über den Sender, aber sie entscheidet stets allein über ihre Programme und sie transportiert stets unterschiedliche Meinungen und Standpunkte.
Wir haben in dieser Legislaturperiode mehrfach in Debatten über die Deutsche Welle gesprochen. In den vergangenen vier Jahren hat sich der Sender mit tiefgreifenden Reformen fit gemacht für den rasanten digitalen Medienwandel. Dafür sind zuallererst der Intendant und sein Team verantwortlich. Ich möchte deshalb zum Ende der Legislaturperiode Peter Limbourg und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern herzlich für die geleistete Arbeit danken.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Der Ausbau des englischen TV-Programms zum Breaking-News-fähigen Kanal war aus unserer Sicht richtig, um die internationalen Entscheider und Multiplikatoren zu erreichen und die deutsche Sicht auf die Welt verständlich zu transportieren. Englisch ist derzeit die Lingua franca unserer Zeit.
Mit der Reform des deutschsprachigen Fernsehkanals, die uns vor nicht langer Zeit hier im Bundestag präsentiert wurde, hin zu einem Kulturkanal transportiert die Deutsche Welle ein facettenreiches Bild unseres Landes als Kulturnation. Sie kommt damit ihrem gesetzlichen Auftrag und nicht zuletzt dem Wunsch des Deutschen Bundestages nach, die deutsche Sprache zu pflegen und ihre Programme prominent auf Deutsch anzubieten, so wie es im Deutsche-Welle-Gesetz vorgesehen ist.
Neben dem linearen Fernsehen wird das Internet mehr und mehr zum führenden Informationsmedium. Deshalb muss die Welle auf den wichtigen digital verbreiteten Plattformen und Social-Media-Diensten mit ihren Angeboten präsent sein. Das tut sie verstärkt. Es gelingt auch auf diese Weise, direkte Verbindungen zu den Nutzern herzustellen – Stichwort „User-generated Content“.
Zudem gilt es, auf die veränderte Weltlage – ich verweise auf das Zitat zu Beginn meiner Rede – und neue Krisenherde zu reagieren. Die Deutsche Welle hat ihre russisch- und ukrainischsprachigen Programme ausgebaut und ist damit zu einem der wichtigsten Anbieter unabhängiger, seriöser Informationen in der Region geworden. Sowohl in der arabischen Welt als auch in der Türkei wird die Presse- und Meinungsfreiheit leider mehr und mehr verletzt, sind autokratische Tendenzen auf dem Vormarsch. Für 2017 hat der Deutsche Bundestag daher zusätzliche Mittel für die Ausweitung der türkisch- und arabischsprachigen Programme bereitgestellt.
Die Deutsche Welle sendet mit DW (Arabia 2) vorübergehend im Inland, um den Flüchtlingen aus dem arabischen Raum ein wertiges Informationsangebot zu unterbreiten und Orientierung über Deutschland zu geben. Das ist eine Ausnahme, die die Situation erforderte, und eine gute Lösung aus meiner Sicht.
Die Deutsche Welle hat sich in den letzten Jahren neu und sehr gut aufgestellt. Damit einher ging ein deutlicher Bedeutungszuwachs in der Politik und hier im Parlament. Diesen gestiegenen Stellenwert haben sich der Sender und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit wirklich guter Arbeit verdient. Besonders freut mich – das geht dir, lieber Martin, sicherlich ähnlich, weil wir das in den Gremien miterleben –, dass, nachdem am Anfang die Stimmung unter einem Teil der Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehr skeptisch war, mittlerweile, da der Reformprozess läuft, die Signale komplett auf positiv stehen.
Der Deutsche Bundestag und die Bundesregierung wissen, was sie an ihrem Auslandsrundfunk haben. Beide haben in den letzten Jahren den Etat der Deutschen Welle erheblich gesteigert. Mit dem Bundeszuschuss aus dem BKM-Haushalt von nun rund 325 Millionen Euro sind wir wieder da, wo wir in den 90er-Jahren waren, bevor es in der rot-grünen Regierungszeit Kürzungen gegeben hat. Dafür, dass wir das geschafft haben, möchte ich einerseits dem Bundesfinanzminister danken, andererseits unserer Staatsministerin,
(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wo ist die eigentlich?)
unseren Haushaltspolitikern Rüdiger Kruse und Johannes Kahrs und nicht zuletzt noch einmal dir, lieber Martin Dörmann. Wir haben, glaube ich, gerade an dieser Stelle in der letzten Legislaturperiode sehr eng und vertrauensvoll zusammengearbeitet.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Martin Dörmann [SPD]: So ist es! Vielen Dank!)
Der Eckwertebeschluss der Bundesregierung sieht für 2018 eine nochmalige Erhöhung des Bundeszuschusses um 25,7 Millionen Euro vor. Dazu sage ich von parlamentarischer Seite: Gut so.
Mit der heute zur Abstimmung stehenden Entschließung geben wir uns die Hausaufgabe für die kommende Legislaturperiode, die Deutsche Welle weiter fit zu machen. Wir haben unter anderem gesagt: Der Betrag, den unser Nachbar Frankreich für seinen Auslandsrundfunk ausgibt – das ist noch ein bisschen mehr –, sollte so die Benchmark sein, an der wir uns orientieren – im Interesse unseres Landes, im Interesse von Demokratie und im Interesse der Menschenrechte weltweit.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7123073 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 241 |
Tagesordnungspunkt | Schutz von Journalisten, Planung Deutsche Welle |