Siegmund EhrmannSPD - Schutz von Journalisten, Planung Deutsche Welle
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Liebe Damen und Herren! Man kann es nicht oft genug wiederholen, und ich will das ausdrücklich in meiner letzten Rede, die ich von diesem Pult aus im Bundestag halten werde, unterstreichen: Unabhängiger kritischer Journalismus ist ein Grundpfeiler demokratischer Gesellschaften. Deshalb muss es erst recht einen Ausschuss für Kultur und Medien interessieren, was sich in diesem Sektor tut.
Das haben wir in dieser Legislaturperiode in zwei Fachgesprächen getan. Wir haben uns mit der Lage der Meinungs- und Medienfreiheit weltweit, aber auch in unserem Land auseinandergesetzt; denn auch in unserem Land gab es infolge der populistischen „Lügenpresse“-Kampagne Grund genug, genauer hinzuschauen auf Übergriffe auf Journalisten und auch auf die Frage, ob unsere Sicherheitsorgane, Polizei, Staatsanwaltschaften alles tun, um dem Herr zu werden. Diese Attacken sind und waren zu verurteilen, und das mit allem Nachdruck.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich habe keine Zweifel, und es ist unstreitig: In unserem Rechtsstaat sichern eine kritische Öffentlichkeit, aber auch – im rechtsstaatlich enger gefassten Sinne – die Polizei, die Staatsanwaltschaften sowie die Gerichte die Presse-, Meinungs- und Informationsfreiheit. Das ist in vielen Ländern der Welt nicht der Fall.
Es sind erschütternde Zahlen, mit denen uns die weltweit vernetzte NGO, also Nichtregierungsorganisation, Reporter ohne Grenzen konfrontiert. Der sehr anschaulich gestaltete Jahresbericht 2016 macht das deutlich. Ich kann jedem nur empfehlen, dort hineinzuschauen. Seit 2007 sind mindestens 696, also rund 700 Journalistinnen und Journalisten wegen ihrer Tätigkeit getötet worden. Die Brennpunkte wurden von Kollegin Freudenstein genannt. Darüber hinaus nenne ich Syrien, Afghanistan, den Irak und Jemen. Mexiko wurde schon erwähnt.
Dazu drei konkrete Beispiele: Salad Osman Sagal – das ist eine junge Frau, 24 Jahre alt – arbeitete als Moderatorin für Radio Mogadischu in Somalia. Sie wurde Anfang Juni 2016 in der somalischen Hauptstadt erschossen. Die Täter entkamen; allerdings deuten Indizien auf eine Aktion der Terrorgruppe al-Schabab hin, die schon viele Journalistinnen und Journalisten in Somalia ermordet hat.
Ein zweites Beispiel: Anabel Flores Salazar, 32 Jahre alt, berichtete für ihre Zeitung aus einer Ostprovinz in Mexiko, Veracruz, über das organisierte Verbrechen. Im Februar 2016 wurde sie entführt. Ihre Leiche wurde am nächsten Tag, entsetzlich zugerichtet, in einem Nachbarstaat aufgefunden. Allein in Mexiko sind in diesem Jahr schon vier Journalistinnen und Journalisten ermordet worden.
Ein drittes Beispiel: Ich erinnere an María Esther Aguilar Cansimbe, verschwunden im November 2009. Sie recherchierte für lokale und regionale Zeitungen über organisierte Kriminalität und Machtmissbrauch und wurde schon lange vor ihrem Verschwinden drangsaliert. Schutz fand sie nicht. Sie ist verschwunden. Alles deutet darauf hin, dass sie nicht mehr lebt. Eingeleitete Ermittlungsverfahren liefen ins Leere.
Reporter ohne Grenzen wandte sich Mitte 2015 an eine spezielle UN-Arbeitsgruppe für Fälle von erzwungenem Verschwindenlassen. All das sind bisher stumpfe Waffen. Deshalb ist die Frage, wie das Völkerrecht wirksamer durchgesetzt werden kann, um Journalistinnen und Journalisten nicht schutzlos zu lassen, eine zentrale Frage. Allein die guten UN-Resolutionen reichen nicht aus. Sie haben das Thema zwar auf die internationale Agenda gehoben, aber sie bilden aus sich heraus kein ausreichendes Instrumentarium, um wirksam eingreifen zu können.
Deshalb stellen wir diesen Antrag und fordern die Bundesregierung auf, die sehr breit getragene Initiative der Vereinten Nationen zu unterstützen, einen Sonderbeauftragten des Generalsekretärs zum Schutz der Journalisten einzusetzen. Dieser hätte nämlich Sonderermittlungsfunktionen. Direkt dem Generalsekretär zugeordnet, könnte er wirksam handeln; er könnte Verfahren einleiten und in Verbindung mit anderen menschenrechtlichen Instrumenten nachhaltig Wirkung erzielen.
Ich gehe auf Tabea Rößner ein und bedanke mich zunächst einmal für die freundlichen Worte zu meinem Ausscheiden. Ich will aber auch auf den Antrag, den ihr gestellt habt, inhaltlich eingehen. Die erste Forderung deckt sich weitestgehend mit dem Inhalt des Antrags, den die Regierungskoalition vorgelegt hat. Allerdings funktioniert der einseitige Beitritt Deutschlands zu dieser Unterstützergruppe so nicht. Das würde die Proportionalität gefährden. Man kann dieser nur beitreten, wenn zeitgleich organisiert wird, dass aus anderen Regionen ebenfalls Mitglieder in dieser Initiative mitwirken.
(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Können wir ja machen!)
Die Akteure im Auswärtigen Amt arbeiten daran. Das ist auf dem Weg. Insofern bitte ich Sie alle, dem Koalitionsantrag zuzustimmen.
Martin Dörmann hat vorhin schon deutlich gemacht: Wenn die lange Dauer kritisiert wird, ist doch darauf hinzuweisen, dass wir die Ersten weltweit sind, die in einem Parlament darüber diskutieren. Ich finde, es ist ein gutes Ergebnis der Koalition, dass wir das im Finale noch eingebracht haben.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will es mit meinen Abschiedsworten nicht übertreiben, aber ein paar Worte seien mir gestattet. Seit 2002 vertrete ich als direkt gewählter Abgeordneter die Menschen in der Region Moers, Krefeld und Neukirchen-Vluyn. Sie haben mir das Vertrauen übertragen. Ich hoffe, dass ich das auch in dieser Wahlperiode gerechtfertigt habe. Ich danke allen aus meiner Region, insbesondere aus meiner Partei, die mir diese Kandidatur überhaupt erst ermöglicht und mir das Vertrauen für dieses Mandat geschenkt haben.
Ich danke im Speziellen natürlich insbesondere den Kolleginnen und Kollegen, mit denen ich in der Kulturpolitik zusammengearbeitet habe. Das gilt für die kleine, aber feine Arbeitsgruppe, die hier heute zugegen ist, aber auch fraktionsübergreifend. Ich habe im Parlament wunderbare Menschen kennengelernt.
Meine Damen und Herren, was ich als sehr persönliche Anmerkung ganz zum Schluss ansprechen möchte: Als einer, der 1952 tief im Westen der Republik geboren wurde, hätte ich mir zwei Dinge in meinem Leben nicht vorstellen können: zunächst einmal, dass ich in meinem – in Anführungszeichen – „früheren“ Leben als leitender Mitarbeiter einer Kommunalverwaltung 1990 als Berater in die Heimatstadt meiner Jugendfreunde, nach Seelow, eingeladen werde, um beim Aufbau von Kommunalverwaltung zu beraten. Das hätte ich nicht für möglich gehalten.
Ich hätte es auch nicht für möglich gehalten, dass ich hier gemeinsam mit altersgleichen Kolleginnen und Kollegen aus Ostdeutschland, den stillen Helden meiner Jugend, die eine friedliche Revolution auf den Weg gebracht haben, für Freiheit und Demokratie eintreten kann. Das ist für mich nach wie vor rein emotional das Größte, was es gibt.
Ich hoffe, dass dieses Parlament dem Frieden unseres Landes, dem Wohl der Menschen mitten in Europa, aber auch weltweit in Verantwortung treu bleibt. Insofern alles Gute für die Zukunft – denen, die bleiben, und denen, die kommen!
Herzlichen Dank.
(Beifall im ganzen Hause – Die Abgeordneten der SPD erheben sich)
Ich möchte Ihnen, Herr Ehrmann, auch im Namen der Kolleginnen und Kollegen noch einmal ganz herzlichen Dank sagen. Ich glaube, dass Sie für viele wie auch für mich immer das Gesicht der Kulturpolitik in diesem Parlament waren. Sie haben mit großer Beharrlichkeit, aber auch sehr erfolgreich immer wieder deutlich gemacht, dass Kulturpolitik auch im Deutschen Bundestag eine große Bedeutung hat. Auch dafür möchte ich Ihnen ganz herzlich danken, und ich möchte Ihnen einfach alles Gute für die Zukunft wünschen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7123085 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 241 |
Tagesordnungspunkt | Schutz von Journalisten, Planung Deutsche Welle |