Gerhard SchickDIE GRÜNEN - Bericht des 4. Untersuchungsausschusses (cum-ex)
Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich auf die Debatte eingehe, möchte ich als Allererstes all denjenigen Beamtinnen und Beamten in den Steuerverwaltungen und in den Staatsanwaltschaften danken, die teilweise mit enormem Engagement versucht haben, Schaden abzuwenden, Schaden zu verringern und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Ich wünsche dabei allen in den nächsten Monaten und Jahren, in denen diese Strafverfolgungs- und Ermittlungsarbeit weitergeht, Erfolg, damit möglichst viel Geld zurückkommt und es wirklich gelingt, diese Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.
(Beifall im ganzen Hause)
Aber jetzt zu dem, was den Bundestag angeht: zur politischen Verantwortung und der Debatte hier. Die Ausführungen von Herrn Hirte, dem CDU-Obmann, haben sehr deutlich gezeigt, was der Schwerpunkt der Arbeit der Koalition in diesem Untersuchungsausschuss war. Schwerpunkt Ihrer Arbeit war, dass möglichst wenig von diesem Ausschuss bekannt wird. Ihr einziges Interesse war, dass der Ausschuss möglichst schnell beendet ist, damit man über diesen großen Finanzskandal nicht mehr reden muss;
(Zuruf von der CDU/CSU)
das war Ihr Begehr. Sie haben von Anfang an gesagt, der Untersuchungsausschuss sei nicht erforderlich.
Schließlich kommen Sie zu dem absurden Ergebnis, alle Behörden hätten alles sachgerecht und pflichtgemäß gemacht.
(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Erstaunlich!)
Ja ist es denn sachgerecht, wenn ich den Hinweis eines Whistleblowers an die Finanzaufsicht, der sagt: „Da läuft was schief“, liegen lasse, nicht die Staatsanwaltschaft einschalte, ihn nicht ans Bundesfinanzministerium weiterleite? Das können Sie doch niemandem erklären.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Ist es sachgerecht, dass trotz Einsetzung der Kommission im Jahr 2009 – sobald man Bescheid wusste – und trotz des nächsten Whistleblower-Hinweises – als klar war, was für ein dramatischer Griff in die Kasse des Steuerzahlers da erfolgt – bis 2011 immer noch Auszahlungen an diese Fonds erfolgten? Nein, es war ein Fehler, der zu Milliardenverlusten für Steuerzahlerinnen und Steuerzahler führt.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Sie wollten das alles, all diese Fehler, unter einen Teppich kehren. Aber Sie haben keinen Teppich gefunden, der groß genug wäre, um diesen größten Finanzskandal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland darunter zu kehren. Trotzdem ist es gelungen, das aufzuklären; darauf sind wir als grüne Fraktion gemeinsam mit den Linken stolz.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Sie haben einen Nichtangriffspakt geschlossen: Ihr sorgt dafür, dass nichts Unangenehmes für Wolfgang Schäuble rauskommt, und wir sorgen dafür, dass nichts Unangenehmes für Peer Steinbrück rauskommt. – Das kann nicht die Aufgabe des Bundestages sein, sondern ein solcher Skandal muss aufgeklärt werden. Diese Aufklärung muss auch weitergehen; denn es gibt noch einige offene Punkte.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Ich finde es zum Beispiel absolut inakzeptabel, dass sich von den betroffenen öffentlichen Banken – Landesbanken, die DekaBank, bei den Cum/Cum-Geschäften teilweise auch die Sparkassen – bisher niemand getraut hat, vor die Öffentlichkeit, die beklaut worden ist, zu treten und Rechenschaft darüber abzulegen, wie es sein kann, dass öffentliche Banken den Griff in die Tasche des Steuerzahlers mitorganisiert haben. Warum stellt sich von den öffentlichen Finanzinstitutionen, vom Deutschen Sparkassen- und Giroverband, vom Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands und den einzelnen Instituten niemand hin und erklärt es einmal der Gesellschaft? Das wäre doch einmal nötig.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Ich hoffe, dass unsere Kolleginnen und Kollegen auf Landesebene – ich richte den Appell an sie – die Aufklärungsarbeit weiterführen. Es ist doch nicht erklärbar – so viel zu dem Thema „Da ist nichts schiefgelaufen“ –, dass die Steuerabteilungen der Landesfinanzministerien in Schleswig-Holstein, in Nordrhein-Westfalen und in Baden-Württemberg – übrigens alle unter schwarz-gelber Regierung; damit Sie das auch einmal wissen –
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha!)
an einer Gesetzgebung gegen Cum/Ex in den Jahren 2005 und 2006 sowie 2009 und 2010 mitgewirkt haben und dieselben Landesministerien, zuständig für die Landesbanken, gleichzeitig nichts unternommen haben, damit die Landesbanken aufhören, diese Geschäfte zu betreiben. Darüber muss es doch Aufklärung geben, und dafür müssen Leute politisch Verantwortung übernehmen – namentlich die Landesminister Stratthaus, Wiegard und Linssen, die dazu bisher nichts gesagt haben; das geht so nicht.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Dasselbe Sichwegducken sehen wir auch auf Bundesebene. Zu dem größten Finanzskandal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, der in ihrer Amtszeit stattgefunden hat, hat die Bundeskanzlerin bisher keine Silbe gesagt. Genauso Peer Steinbrück, der in Vorträgen landauf, landab die ganze Welt erklären kann – außer im Untersuchungsausschuss. Dort, wo er nicht gesetzlich dazu verpflichtet war, hat er bisher kein Wort dazu gesagt, was in seinem Geschäftsbereich unter seiner Verantwortung schiefgelaufen ist.
Genauso ist es bei Wolfgang Schäuble. Es ist signifikant, dass er auch in dieser Debatte nicht anwesend ist.
(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Er soll herkommen!)
Nur im Untersuchungsausschuss, wo wir ihn zwingen konnten, Stellung zu nehmen, hat er etwas zu diesem Thema gesagt. Sonst hat er, der über die Flüchtlingskrise, über Donald Trump und Opern ganz groß Auskunft gibt, dazu noch kein einziges Wort gesagt. – Das heißt: Es wird keine Verantwortung übernommen, es wird sich weggeduckt. Deshalb ist meine Aufforderung ganz klar: Der Bundesfinanzminister muss aufhören, sich wegzuducken. Er muss endlich die politische Verantwortung übernehmen. Er muss den Menschen erklären, was schiefgelaufen ist, und er muss den Weg freimachen, damit die Fehler korrigiert und endlich Konsequenzen gezogen werden. So darf das nicht weitergehen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Das ist doch der Skandal im Skandal: Sie waren nicht bereit, im Untersuchungsausschuss auch nur fünf Minuten über nötige Konsequenzen zu reden. Das ist doch das Mindeste, nachdem so ein Schaden entstanden ist, dass wir versuchen, Konsequenzen für die Zukunft zu ziehen.
Die Abgeordneten der Großen Koalition haben geschrieben:
Der Ausschuss hat die Überzeugung gewonnen, dass die Verantwortlichen in Bund und Ländern bei den Themen seines Untersuchungsauftrags keiner Empfehlung bedürfen.
Damit müssen wir befürchten, dass ein solcher Skandal noch einmal passiert; denn Sie sind nicht bereit, aus den Fehlern zu lernen. Ich finde, das ist eine üble Arbeitsverweigerung. Ich bin als Parlamentarier wirklich empört, dass Sie sich der gemeinsamen Arbeit an den Konsequenzen nicht gestellt haben. Wie viel Steuergeld muss eigentlich verlorengehen, dass Konsequenzen gezogen werden?
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Ich will ganz bewusst die Konsequenzen für den Deutschen Bundestag benennen. Sowohl bei der Gesetzgebung zum Jahressteuergesetz 2007 als auch nachher beim Gesetz, mit dem die Geschäfte geschlossen wurden, wussten wir im Finanzausschuss alle miteinander – Kollege Krüger hat das gerade zugegeben, dass er das Thema nicht auf dem Schirm hatte – nicht, um was es ging, sondern wir haben die Vorlagen aus dem Finanzministerium im Wesentlichen durchgewunken. Aber der Finanzausschuss darf kein Wurmfortsatz des Finanzministeriums sein. Wir haben die Verantwortung, und deswegen müssen wir die Voraussetzungen schaffen, dass in Zukunft Vorschläge aus Lobbyverbänden nicht mehr eins zu eins in ein Gesetz übernommen werden. Cum/Ex ist auch ein Lobbyismus-Skandal. Wir müssen auch hier die entsprechenden Konsequenzen ziehen. Wir brauchen schärfere Regeln gegen Lobbyismus, und wir brauchen eine stärkere Aufstellung des Parlamentes, damit uns solche Fehler nicht noch einmal passieren.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Wir müssen dafür sorgen, dass die Finanzaufsicht neu aufgestellt wird. Wir brauchen ein Whistleblower-Gesetz. Alle wichtigen Hinweise kamen von Whistleblowern. Wann schützen wir endlich diese Menschen, die uns so wertvolle Hinweise geben?
Eines ist mir besonders wichtig. Im Moment laufen die Verhandlungen zwischen Bund und Ländern, um zu klären, wie man mit den Fällen von Cum/Cum umgeht. Es stellt sich die Frage: Gehen die Betriebsprüfer los, decken das auf und holen die Milliarden zurück, oder tun sie es nicht? Das Finanzministerium ist bereit, einen Deal mit den Banken zu machen und somit nicht allem auf den Grund zu gehen. Das darf nicht sein. Wir haben den Anspruch, dass alles Geld, was zurückgeholt werden kann, auch zurückgeholt wird. Es darf nicht erneut Geschenke für Banken geben, die mit Steuertricks versucht haben, uns das Geld aus der Tasche zu ziehen. So geht das nicht!
Danke schön.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Als nächster Redner hat Andreas Schwarz für die SPD-Fraktion das Wort.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
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Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 241 |
Tagesordnungspunkt | Bericht des 4. Untersuchungsausschusses (cum-ex) |