23.06.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 241 / Tagesordnungspunkt 32

Fritz GüntzlerCDU/CSU - Bericht des 4. Untersuchungsausschusses (cum-ex)

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Anderthalb Jahre Arbeit im Untersuchungsausschuss liegen hinter uns. Es war sehr zeitintensiv. Anders als Sie es dargestellt haben, Herr Schick, finde ich, wir haben uns die notwendige Zeit genommen. Wenn Sie noch Fragen hatten, haben wir die Sitzungen immer verlängert. Wir haben Ihnen eigentlich alle Möglichkeiten gegeben, Ihre Fragen zu stellen.

(Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt leider nicht!)

Wir haben teilweise sogar zusätzliche Termine anberaumt.

(Anja Karliczek [CDU/CSU]: Das kann ich bestätigen! Ich war dabei!)

Von daher glaube ich, wir haben im Untersuchungsausschuss sehr gut und solide zusammengearbeitet, auch wenn wir zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen.

Ich gebe zu: Als seit über 20 Jahren praktizierender Steuerberater war ich von manchem überrascht, was uns im Untersuchungsausschuss geboten wurde. Das Ganze mündet jetzt in fast 1 000 Seiten. Wer Lust hat, kann das alles nachlesen, auch die Sondervoten und das Votum der Mehrheitsfraktionen. Wir bleiben der Nachwelt also erhalten.

Als erstmaliges Mitglied eines Untersuchungsausschusses habe ich mich am Anfang gefragt: Ist das überhaupt sinnvoll? Ich habe gedacht, es sei sinnvoll. Aber ich musste feststellen, dass die Opposition doch immer wieder geneigt war, diesen Untersuchungsausschuss als Instrument der Skandalisierung zu nutzen. Das war der Sache nicht immer zuträglich, sondern – im Gegenteil – sehr abträglich. Herr Schick, ich hätte mir gewünscht, dass Sie nicht nur eine Seite wahrgenommen hätten, also nicht unter selektiver Wahrnehmung gelitten hätten, sondern sich einmal das Ganze angesehen hätten, um dann zu einem objektiven Urteil zu kommen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Hans-Ulrich Krüger [SPD])

Meine Damen und Herren, Cum/Ex-Geschäfte – das haben meine Vorredner schon gesagt – waren und sind rechtswidrig. Das ist die Auffassung, zu der wir gelangt sind. Die höchstrichterliche Rechtsprechung steht noch aus. Aber wir haben Rechtsprechungen, insbesondere vom Finanzgericht Hessen. Es hat ausgeführt, die doppelte Anrechnung von Kapitalertragsteuer sei „abwegig“ – so das wörtliche Zitat –, wenn sie nur einmal abgeführt worden ist. Das widerspricht völlig dem Grundverständnis der Kapitalertragsteuer als Abzugssteuer.

Die Einbehaltung einer Steuer ist Voraussetzung für die Anrechnung der Steuer. Von daher kann es nicht anders sein. Insofern ist für mich klar, dass sich diejenigen, die diese Cum/Ex-Geschäfte initiiert haben, auch der Steuerhinterziehung nach § 370 Abgabenordnung schuldig gemacht haben. Ich hoffe, die Strafverfolgungsbehörden werden dem nachgehen. Wir haben Hinweise, dass es so ist.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir haben lange über das Thema Eigentum gesprochen und uns gefragt: Kann es zweimal Eigentum geben? Dazu sage ich nach dem Motto des Highlanders – „Es kann nur einen geben“ –: Es kann nur einen Eigentümer geben. Von daher glaube ich, die Verdoppelung des wirtschaftlichen Eigentums, von der wir in manchen Aufsätzen hochbezahlter – wie wir feststellen durften – Professoren lesen mussten, ist hinfällig.

(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Das muss man nicht gesetzlich regeln! Das versteht sich von selbst!)

Das ist eigentlich geregelt, wie wir ja auch festgestellt haben. Bei Cum/Ex gab es keine Gesetzeslücke, weil die betriebenen Modelle von vornherein immer illegal gewesen sind. Von daher hat man sich die Frage gestellt, ob eine Gesetzgebung notwendig gewesen wäre, und es ist gut, dass wir jetzt entsprechende gesetzliche Maßnahmen ergriffen haben.

Zum politischen Spiel gehört es ja auch, mit Zahlen zu arbeiten. Darüber haben wir heute ja auch schon mehrfach diskutiert. Es ist ein Gutachten von Herrn Professor Spengel aus Mannheim in den Ring geworfen worden, das zu extremen Zahlen kommt. Ich finde es interessant, dass selbst Herr Professor Spengel im Vorwort von extremen Annahmen spricht. Das macht deutlich, dass er selber das Gefühl hat, dass er wohl ein wenig zu hoch gegriffen hat. Herr Krüger hat auch schon darauf hingewiesen, dass diesem Gutachten hypothetische Rechenmodelle zugrunde liegen. Es ist nicht beachtet worden, dass die Erstattung teilweise verweigert und gar nicht ausgeführt wurde, dass es Rückforderungen gegeben hat und dass weitere Verfahren noch laufen. Seriöserweise müsste man das alles eigentlich mit einrechnen, sodass man zu einem anderen Ergebnis kommen würde.

Ich gebe aber zu: Ich glaube, keiner hier im Saal und keiner der Zeugen, die wir vernommen haben, kann tatsächlich seriös sagen, was für ein Schaden entstanden ist und was letztendlich als Schaden übrig bleibt. Von daher wäre ich mit der Beurteilung, dass das der größte Finanzskandal der Bundesrepublik Deutschland ist, noch sehr vorsichtig. Warten wir einmal ab, was unter dem Strich herauskommt.

(Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer ist denn gleichauf?)

Wir haben uns auch damit zu beschäftigen gehabt – das war ja der eigentliche Auftrag des Untersuchungsausschusses –, ob es eine Untätigkeit der Finanzbehörden gab. Ich habe den persönlichen Eindruck gewonnen, dass wir in Deutschland eine tolle Finanzverwaltung haben, die sehr engagiert ist. Ich denke zum Beispiel an die Zeugeneinvernahme einer jungen Dame vom Bundeszentralamt für Steuern, die sich selbst bei Amtshaftungsvorwürfen zur Wehr gesetzt und die Kapitalertragsteuer nicht ausgezahlt hat, und es gibt auch noch andere Beispiele.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Mit dem Wissen von heute stellen sich manche Dinge anders dar. Uns ist von mehreren deutlich gesagt worden, dass man zum damaligen Zeitpunkt gar nicht erahnen konnte, welches Ausmaß diese Cum/Ex-Geschäfte haben. Es ist uns auch wissentlich dargestellt worden – vielleicht falsch; das weiß ich nicht –, dass es letztlich um technische Probleme geht. In dem Schreiben des Bankenverbandes aus dem Jahre 2002 ist von technischen Problemen und nicht von einem Steuergestaltungsmodell gesprochen worden. Von daher war das gar nicht erkennbar, auch wenn heute einfach unterstellt wird, dass man doch hätte sehen müssen, dass dort Milliarden durch die Gegend geschoben worden sind.

Ich habe Gespräche mit Wirtschaftsprüfern geführt, die derzeit Sonderprüfungen im Auftrag der BaFin durchführen. Sie haben mir gesagt, dass sie wissen, dass diese Bank Cum/Ex-Geschäfte gemacht hat, trotzdem seien sie nicht in der Lage, sie zu finden. Sie haben jetzt ganz große Modelle entwickelt, um der Sache überhaupt Herr zu werden. Der Eindruck, der hier von der Opposition erweckt wird, man müsse nur in eine Bank hineingehen und würde sofort Cum/Ex-Geschäfte sehen, ist also schlicht falsch. Von daher brauchte man mehr Informationen, damit es gelingt, das aufzuklären.

Ich zitiere gerne Herrn Schmitt, den Leiter der Abteilung Steuern beim Ministerium für Finanzen und Wirtschaft Baden-Württemberg, das mittlerweile ja von Grün regiert wird. Er sagte im Untersuchungsausschuss:

Aus Sicht der Verwaltung war nicht vorstellbar, mit welcher Energie sogenannte Finanzberater und Investoren durch ausgeklügelte Cum/Ex-Geschäfte im In- und Ausland an diesem Grundsatz

– dem Grundsatz, dass Eigentum nur einmal erworben werden kann –

rütteln würden mit dem Ziel, dem deutschen Staat systematisch bereits vereinnahmte Steuergelder in schwindelerregender Höhe wieder abzujagen.

Wer Herrn Schmitt kennt, der weiß, dass das ein ganz solider Finanzbeamter und Steuerabteilungsleiter ist.

Das war eben der Kenntnisstand bei der Finanzverwaltung damals. Von daher war die Dramatik, die man jetzt vielleicht erkennt, zum damaligen Zeitpunkt gar nicht gegeben. Wir wissen ja auch – Kollege Schwarz hat darauf hingewiesen –, dass hier Akteure zusammengearbeitet – man könnte teilweise das Gefühl haben, dass es hier um organisierte Kriminalität geht – und sich abgesprochen haben, um den deutschen Staat zu schädigen.

Wir haben dann auch über Cum/Cum gesprochen. Herr Pitterle hat vorhin eingeworfen, warum dort so spät reagiert worden ist. Herr Kollege Pitterle, es gab hier von 2005 bis 2011 aufgrund der europäischen Rechtsprechung eine Unsicherheit. Von daher konnten wir erst 2011 damit beginnen, über Cum/Cum-Regelungen nachzudenken. Das haben wir im Investmentsteuerrecht über den § 36a EStG dann auch gemacht.

Herr Kollege Schick, Sie haben die Arbeit des Finanzausschusses vorhin sehr selbstkritisch beleuchtet. Das mag für das Jahressteuergesetz 2007 zutreffen. Damals waren Sie Mitglied des Finanzausschusses, ich nicht; ich kann dazu nichts sagen. Ich kann nur sagen: Als wir das Investmentsteuerrecht beraten haben, in dem es eigentlich gar nicht um Cum/Cum ging, haben wir uns sehr intensiv mit dem § 36a EStG – ursprünglich war das der § 36 Absatz 2a EStG – beschäftigt und Anpassungen vorgenommen, um das zielgerichtet zu bearbeiten.

(Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil der Gesetzentwurf ziemlich grottig war! In der Tat: Er war grottig!)

Der Finanzausschuss hat seine politische Aufgabe – darauf lege ich Wert – über alle Fraktionsgrenzen hinweg wahrgenommen. Den Vorwurf, die Mitglieder des Finanzausschusses hätten schlechte Arbeit gemacht, lasse ich jedenfalls für den jetzigen Finanzausschuss nicht gelten. Für 2007 kann ich es nicht sagen. Mich wundert manchmal, warum Sie die Dinge, die Sie jetzt ansprechen und von denen Sie denken, sie wären schon bekannt gewesen, nicht damals zur Sprache gebracht

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

und wieso Sie in der Gesetzesberatung 2007 keine Fragen gestellt haben. Es zeichnet Sie ja aus, dass Sie das Ganze selbstkritisch beleuchten. Aber die Frage stellt sich schon.

Sie haben in Ihrem Sondervotum erwähnt, im Rahmen des OGAW-IV-Umsetzungsgesetzes seien Sie über zwei BMF-Schreiben nicht informiert worden. Dazu muss ich Ihnen sagen: BMF-Schreiben sind öffentlich. Sie sind jedem Bürger zugänglich, auch einem deutschen Abgeordneten.

(Margaret Horb [CDU/CSU]: Richtig!)

Wenn Sie sich hätten kundig machen wollen, hätten Sie die BMF-Schreiben einfach lesen können.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, abschließend möchte ich feststellen, dass es gelungen ist – über den Zeitablauf haben wir lange gestritten –, durch das OGAW-IV-Umsetzungsgesetz die gesetzlichen Lücken bei Cum/Ex zu schließen. Wir haben über das Investmentsteuerreformgesetz die Gesetzeslücken bei Cum/Cum geschlossen – alles in der Zeit von Wolfgang Schäuble. Er hat seine Arbeit gut gemacht.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vielen Dank. – Für die SPD-Fraktion erhält jetzt der Kollege Lothar Binding das Wort.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7123103
Wahlperiode 18
Sitzung 241
Tagesordnungspunkt Bericht des 4. Untersuchungsausschusses (cum-ex)
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