23.06.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 241 / Tagesordnungspunkt 32

Sabine Sütterlin-WaackCDU/CSU - Bericht des 4. Untersuchungsausschusses (cum-ex)

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Sehr verehrte Frau Präsidentin! Ich bin zwar schon gestern verabschiedet worden, aber frei nach Martin Luther: Hier stehe ich und kann nicht anders.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ehrlich gesagt hatte ich mir für meine letzte Rede ein Thema aus meiner Berichterstattertätigkeit im Rechtsausschuss gewünscht. Nun ist es aber anders gekommen. Ich freue mich dennoch, dass ich hier die gute Arbeit des 4. Untersuchungsausschusses mit einer Rede vor Ihnen, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, mit zum Abschluss bringen darf.

Die Arbeit des 4. Untersuchungsausschusses betrifft ein Thema, das mir als Juristin – ich sage das ganz konkret für mich – anfangs nicht besonders geläufig war. Steuergestaltungsmodelle, Dividendenstripping, Cum/Ex: Diese Themen haben mich weder in meiner Zeit als Anwältin für Familienrecht beschäftigt, noch hatte ich Berührungspunkte in einem der Themen, für die ich als Berichterstatterin zuständig war.

Aber dieser Untersuchungsausschuss ist ein Beleg dafür, dass ein Untersuchungsausschuss durchaus zur Aufklärung komplizierter Sachverhalte beitragen kann.

(Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann war es ja doch sinnvoll!)

Ob wir der durch unseren Bundestagspräsidenten Lammert bei der Einsetzung des Untersuchungsausschusses zum Ausdruck gebrachten Hoffnung, der Öffentlichkeit deutlich zu machen, womit wir uns hier eigentlich beschäftigen, vollständig nachgekommen sind, sei dahingestellt.

Insgesamt haben wir – das wurde schon gesagt – über 70 Zeugen vernommen, unter anderem aus Banken, Ministerien, der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und dem Bundeszentralamt für Steuern, mit dem Ergebnis: Ein systematisches Versagen der beteiligten Behörden konnten wir nicht feststellen.

Im Gegenteil: Das Bundesministerium der Finanzen hat 2009, nachdem es über mögliche Probleme mit Steuergestaltungsmodellen informiert worden war, umgehend reagiert und Gespräche mit den obersten Finanzbehörden der Länder gesucht. Parallel dazu arbeitete das Bundesfinanzministerium an einer Gesetzesänderung, mit der die missbräuchlichsten Gestaltungen im Bereich der doppelten Kapitalertragsteuer endgültig unterbunden werden sollten.

Auch die Zeugenaussagen von ehemaligen und aktiven Mitarbeitern im Bundesfinanzministerium haben bei uns im Ausschuss den Eindruck verstärkt, dass man mit vollem Einsatz nach einer umsetzbaren Lösung gesucht hatte. Cum/Ex ist und bleibt ein schwieriges und sperriges Thema, das man auch erklären muss; es ist aber auch – das erachte ich durchaus für wichtig – ein Thema, bei dem man nicht wahllos mit angeblichen Schadenssummen hausieren gehen sollte.

Meine Kollegen haben schon erläutert, dass es sich bei den Cum/Ex-Geschäften um Steuergestaltungsmodelle rund um den Dividendenstichtag handelt. Dieses trickreiche Verwirrspiel, bei dem es einzig und allein darum ging, den Staat zu erleichtern, wurde von Investoren, Banken, Beratern und Wissenschaftlern für legal gehalten. Dass eine einmal gezahlte Steuer mehrfach zurückerstattet wird, hört sich rechtswidrig an. Dafür muss man kein Steuerexperte sein.

Die Arbeit im 4. Untersuchungsausschuss hat uns eindeutig nähergebracht, wie einige wenige Marktakteure unsere geltenden Steuergesetze und entsprechende finanzgerichtliche Entscheidungen gegen ihren Sinn ausgelegt haben. Lange wurde in der juristischen Diskussion auf das Fehlen einer höchstrichterlichen Rechtsprechung verwiesen. Dass Cum/Ex-Geschäfte rechtswidrig sind und dies auch waren, daran besteht nach Durchsicht aller Akten und Anhörung aller Zeugen kein Zweifel. Das hat darüber hinaus auch das Finanzgericht Kassel in diesem Jahr bestätigt, indem es eine Klage der Commerzbank abgewiesen hat, die auf die Erstattung von Kapitalertragsteuern aus Cum/Ex-Geschäften abzielte. Wir können also davon ausgehen, dass der Staat einen Teil der unberechtigten Steuererstattung mit Zins und Zinseszins zurückerhält.

Darüber hinaus hat uns die Arbeit im Ausschuss aufgezeigt, wie bestimmte Marktakteure ihre Anlagestrategie bewusst vor den Behörden verschleiert haben. Häufig wurden zu diesem Zweck Fondsgestaltungen gewählt. Vertreter verschiedener Banken und Finanzdienstleistungsunternehmen nutzten die erarbeiteten Gestaltungen zum Zweck der Gewinnmaximierung aus.

Diejenigen Stimmen, die unter Hinweis auf die allgemeine Begründung des Jahressteuergesetzes 2007 allerdings behaupten, der Gesetzgeber habe eine Rechtsgrundlage für die Legalisierung von Cum/Ex-Geschäften geschaffen, ignorieren den klaren Gesetzeswortlaut. Leerverkäufe, die darauf basierten, waren eindeutig rechtswidrig. Wer eine Lücke im damaligen Gesetzestext herbeiredet, unterstützt objektiv das Geschäft der Cum/Ex-Akteure.

Nach dem Ergebnis der Sachverständigenanhörung vom 14. April 2016, der Auswertung des Sachverständigengutachtens von Professor Spengel sowie durch die Zeugenvernehmung wurde dem Ausschuss bestätigt: Das Steuerrecht bot in den Jahren 1999 bis 2012 zu keinem Zeitpunkt die Möglichkeit, eine einmal einbehaltene Kapitalertragsteuer in rechtmäßiger Weise mehrfach anrechnen bzw. erstatten zu lassen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Daher möchte ich den Vorwurf, das Bundesfinanzministerium habe durch das Jahressteuergesetz 2007 eine Rechtsgrundlage für die Legalisierung von Cum/Ex-Geschäften geschaffen, hier entschieden zurückweisen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Weder dem Bundesfinanzministerium noch dem Bundeszentralamt für Steuern kann der Vorwurf gemacht werden, die hier vorliegenden Cum/Ex-Fälle zögerlich behandelt zu haben oder gar die Bedeutung der Fälle nicht erkannt zu haben.

Unser Finanzminister Wolfgang Schäuble, der ebenfalls als Zeuge vor dem Untersuchungsausschuss geladen war, erläuterte uns, dass er sich schon wenige Monate nach seinem Amtsantritt im Jahr 2009 mit Cum/Ex-Gestaltungen befasst habe. Er führte weiter aus, dass die gesetzliche Regelung von 2007 offensichtlich nicht ausreichend gewesen sei. Deshalb habe man sich im Finanzministerium intensiv um eine Lösung der Cum/Ex-Fälle bemüht.

Im Zuge dieser Bemühungen wurde der Gesetzentwurf zum OGAW-IV-Umsetzungsgesetz, bei dem das System des Kapitalertragsteuereinbehalts zum 1. Januar 2012 umgestellt wurde, auf den Weg gebracht. Durch das neue System wurde gezielten und geplanten Cum/Ex-Gestaltungen mit Leerverkäufen erfolgreich entgegengewirkt. Fortan waren mehrfache Bescheinigungen ausgeschlossen.

Die mit der Investmentsteuerreform 2016 eingeführte längere Haltefrist als Voraussetzung der steuerlichen Berücksichtigung von Aktien leistet Gleiches für die Cum/Cum-Geschäfte. Ich möchte daher noch einmal festhalten: Das Bundesministerium der Finanzen und insbesondere Minister Schäuble haben in durchaus nachvollziehbarer und angemessener Zeit reagiert und einen Gesetzentwurf auf den Weg gebracht, der missbräuchliche Gestaltungen im Bereich doppelter Kapitalertragsteuer endgültig unterbindet.

Die Opposition behauptet immer wieder, mehrere Milliarden Euro seien dem deutschen Fiskus und der Gemeinschaft der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler entzogen worden. Mal reden die Oppositionskollegen von 12 Milliarden Euro, dann von 7 Milliarden Euro, und am Ende hören wir noch einmal 10 Milliarden Euro. Eine seriöse Schätzung liegt all dem nicht zugrunde. Auf welche Höhe sich der Schaden tatsächlich beläuft, können wir heute nicht sagen. Nicht belegbare Zahlen möchte ich daher nicht äußern, nur so viel: Ich glaube, dass der Schaden sehr viel geringer ist.

(Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Glauben Sie!)

Die zuständigen Behörden in Bund und Ländern und unter ihnen nicht zuletzt das Bundeszentralamt für Steuern haben in den letzten Jahren vorbildlich Cum/Ex-Fälle bearbeitet und bereits ausgezahlte Steuern zurückgeholt oder eine Auszahlung der Kapitalertragsteuer gar nicht erst vorgenommen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Mit dieser Arbeit hat das Bundeszentralamt für Steuern maßgeblich dazu beigetragen, dass die tatsächliche Schadenshöhe nur einen Bruchteil der öffentlich immer wieder genannten 12 Milliarden Euro ausmacht.

Zum Schluss möchte ich mich bei Ihnen, bei allen Mitgliedern im Ausschuss und auch bei allen Mitarbeitern für die konstruktive Mitarbeit bedanken. Wir haben teilweise bis zu zwölf Stunden hintereinander Zeugen vernommen. Ich möchte mich aber ausdrücklich auch bei dem Vorsitzenden, Herrn Kollegen Dr. Krüger, für seine stets objektive, unabhängige und sehr kollegiale Art, diesen Ausschuss zu leiten, bedanken. Vielen Dank auch dafür, lieber Hans-Ulrich.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7123109
Wahlperiode 18
Sitzung 241
Tagesordnungspunkt Bericht des 4. Untersuchungsausschusses (cum-ex)
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