23.06.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 241 / Tagesordnungspunkt 34 + ZP 11

Gudrun ZollnerCDU/CSU - Frauen- und Gleichstellungspolitik

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir in die Geschichte zurückblicken, stellen wir fest, dass der privilegierte Zugang von Männern zu höherer Bildung jahrhundertelang die Vormachtstellung der Männer begründete.

(Zuruf von der LINKEN: Hat aber nichts genutzt! – Heiterkeit bei Abgeordneten der LINKEN)

Erst im Jahr 1900 erlaubte als erstes Bundesland das Land Baden Frauen das Hochschulstudium, und es sollte noch bis zum Jahr 1909 dauern, bis Frauen schließlich in ganz Deutschland studieren konnten. Deshalb freut mich die Meldung von letzter Woche, dass in Bayern so viele Frauen habilitiert wurden wie noch nie.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Aber wie konnten sich alte Rollenbilder so lange durchsetzen? Blicken wir zurück in die 50er-, 60er- und 70er-Jahre. Der 7. Sinn erklärte uns, dass der Rückspiegel in Autos von Frauen nur zum Lippennachziehen genutzt wird. Oder denken Sie an die Filme und Bücher über die gute Hausfrau, darüber, wie sie das Leben ihres Mannes erleichtern kann. Ein Werbespot aus dem Jahr 1954 behauptet, eine Frau habe zwei Lebensfragen: Was ziehe ich an? Was koche ich? – Und im BGB in der Fassung von 1958 lesen wir:

Die Frau führt den Haushalt in eigener Verantwortung. Sie ist berechtigt, erwerbstätig zu sein, soweit dies mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar ist.

Es ist auch dieses Denken, welches sich jahrhundertelang entwickelt hat, das uns auf dem Weg zur Gleichstellung noch immer ausbremst. Wir werden das nicht von heute auf morgen umstellen können, dabei handelt es sich um eine Generationenaufgabe, und das kann die Politik auch nicht alleine. Wir müssen die alten Zöpfe endlich abschneiden.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Aus dieser Rollenverteilung heraus entstanden auch die schlecht bezahlten Frauenberufe. Sie waren ja nur als Zuverdienst gedacht. Hier müssen wir dringend ansetzen. Erzieherinnen, Altenpflegerinnen usw. – ich könnte die Liste beliebig fortsetzen – leisten einen unschätzbaren Beitrag für uns alle auf hohem Niveau.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD sowie der Abg. Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

– Ja, da darf auch mal geklatscht werden. – Deshalb war unser Beschluss von gestern, dass im Bereich der Altenpflege kein Schulgeld mehr bezahlt werden muss, so wichtig und auch überfällig.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Es sind auch nicht mehr automatisch Männer, die die Haupternährer der Familien sind. Im Gegenteil: Viele Frauen, zum Beispiel Alleinerziehende, übernehmen diese Rolle immer häufiger. Die Aufwertung dieser frauenspezifischen Berufe – auch die finanzielle Aufwertung – sollte eine prioritäre Aufgabe des Familienministeriums sein.

Dass wir die Gleichberechtigung von Frauen und Männern noch besser voranbringen wollen, steht außer Frage. Die wichtigste Aufgabe ist daher, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie weiter zu verbessern.

Ich möchte an dieser Stelle auch das Ehrenamt hinzunehmen, dessen Bedeutung in unserer Gesellschaft nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Wir haben dafür in den letzten Jahren viele Gesetze auf den Weg gebracht und sehr viel Geld in die Hand genommen. Kollege Rix hat schon einige Maßnahmen aufgezählt. Um nur kurz einige zu erwähnen: Elterngeld Plus, Familienpflegezeit, Kitaausbau, Frauenquote, Entgelttransparenzgesetz. Bevor weitere Forderungen gestellt werden, sollten wir erst einmal die positiven Wirkungen dieser Gesetze abwarten.

Dass wir in Deutschland auf einem guten Weg sind, bescheinigt uns auch die OECD-Studie „Dare to Share“.

(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!)

Darin wird festgestellt, dass Deutschland in den vergangenen Jahren die Voraussetzungen für die Erwerbstätigkeit von Müttern deutlich verbessert hat und wir eines der OECD-Länder mit der dynamischsten Familienpolitik und den höchsten Frauenerwerbsquoten sind. Mit dem Ausbau der Kinderbetreuung und mit der Ausgestaltung des Elterngeldes haben wir bereits wichtige Voraussetzungen für eine gleichmäßigere Aufteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit zwischen den Elternteilen geschaffen.

Am Mittwoch dieser Woche haben wir bei der Regierungsbefragung zum Gleichstellungsbericht viel über Gender Care Gap und Gender Pension Gap gehört. Wer fordert, die Erziehungs- und Pflegeleistungen, die für Angehörige zu Hause erbracht werden, finanziell anzuerkennen, hat unsere volle Unterstützung. Wer aber gleichzeitig gegen das Betreuungsgeld ist, was genau hier ansetzt, widerspricht sich in meinen Augen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Quatsch! Ach, Gudrun!)

Wer das eine fordert, kann das andere nicht ablehnen. Dasselbe gilt beim Gender Pension Gap. Aufgrund geringerer Erwerbszeiten und niedrigerer Löhne haben Frauen weniger Rentenansprüche. Wer sich zu Recht daran stört, darf konsequenterweise nicht gegen die von der CSU geforderte Mütterrente sein.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber dann aus Steuergeldern!)

Eine wichtige Aufgabe für die Politik der Zukunft wird das Thema „Gleichberechtigung von Frauen“ bei den Flüchtlingen sein. Gerade hier ist die männerdominierte Denkweise sehr ausgeprägt vorhanden. Dem müssen wir von Anfang an entgegentreten, auch den betroffenen Frauen zuliebe. Vor allem Deutschkurse ermöglichen es den Frauen, sich zu integrieren und ihre Kinder in diesem Sinne zu erziehen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wenn ich mir die vorliegenden Anträge durchlese, stellt sich mir die Frage: Ist für Sie Gleichberechtigung nur dann erreicht, wenn beide in Vollzeit arbeiten?

(Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Dann haben Sie aber nicht gut gelesen!)

Ich finde, nein. Gleichberechtigung zwischen Frau und Mann ist für mich eine gleichberechtigte Aufteilung der täglichen Aufgaben und Pflichten in einer Partnerschaft,

(Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)

und es obliegt dieser Partnerschaft, dies eigenverantwortlich und selbstbestimmt zu tun.

(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, und alle Möglichkeiten zu haben! Dafür müssen wir sorgen!)

Meinen Ausführungen können Sie also entnehmen, dass wir Ihre Anträge heute ablehnen werden.

(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist inkonsequent!)

Eine bayerische Politikerin sagte einmal: Nur der Mann von gestern hat Angst vor der Frau von heute.

(Dr. Claudia Lücking-Michel [CDU/CSU]: Na ja!)

In diesem Sinne freue ich mich, hier viele Männer von heute zu sehen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank. – Jetzt hat Katja Dörner für Bündnis 90/Die Grünen das Wort.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7123138
Wahlperiode 18
Sitzung 241
Tagesordnungspunkt Frauen- und Gleichstellungspolitik
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