23.06.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 241 / Tagesordnungspunkt 34 + ZP 11

Claudia Lücking-MichelCDU/CSU - Frauen- und Gleichstellungspolitik

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Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf der Tribüne! Auch von mir am Schluss der Debatte noch einmal der Schwerpunkt und der besondere Blick auf die Situation von Frauen in der Wissenschaft. Um hier auf Veränderungen und Entwicklungen zu kommen, muss ich gar nicht in das letzte Jahrhundert oder in die 50er-Jahre zurückgehen. Es reicht, wenn ich mich an die Situation zu Beginn meines Studiums erinnere.

Vor 30 Jahren habe ich ein geisteswissenschaftliches Studium aufgenommen. In all den Jahren meines Studiums ist mir sage und schreibe nicht eine einzige Professorin begegnet, in keinem Seminar und in keiner Vorlesung, nirgendwo. Ich war nicht in einer Ausnahmesituation an einer schlecht ausgestatteten Universität. Ich habe an verschiedenen Standorten studiert, in Deutschland und im Ausland. Das war die Regel. Eine der ersten Statistiken, die wir zu dem Thema haben, stammt aus dem Jahr 1987, und sie weist einen Anteil von Frauen an Professuren von 5,1 Prozent auf.

Was mich allerdings fast noch mehr erschüttert, ist, dass mir das damals als junger Studentin fast normal vorkam. Jedenfalls habe ich lange gebraucht, bis ich gemerkt habe, dass daran wohl irgendetwas nicht richtig sein kann, dass rund um mich herum in sämtlichen Veranstaltungen nur Männer Lehrende waren.

Bis dahin war für mich die Bildungsbiografie weitgehend gut gelaufen, zumindest hatten meine Eltern keinen Zweifel daran gelassen, dass ihre Tochter genauso eine Chance auf Ausbildung und Studium haben soll wie der Sohn. Ich bin vielleicht eine Spätzünderin, aber erst nach der Promotion wurde mir so richtig klar, wie benachteiligt Frauen in der Academia sind. Als ich dann aus der Uni heraus in das Berufsleben kam, musste ich auch dort feststellen, wie wenige Führungspositionen von Frauen besetzt werden.

Ich erinnere mich wie heute an eine Diskussion mit meinem ersten Chef, der während des Bewerbungsverfahrens die Akte zur Seite legte und sagte: Die können wir wegtun. Sie hat ja ein kleines Kind. Er hat daraufhin die Akte gar nicht weiter gelesen. Das war das Bild.

Die Frage, wie weit man als Frau beruflich kommt, in der Wissenschaft und außerhalb, hängt nach wie vor nicht allein und als Erstes davon ab, wie qualifiziert man ist, sondern nach wie vor sind es die vermeintlichen Nebenschauplätze, wo sich Karriere entscheidet.

Noch immer wirken die geschlechtsbezogenen Zuschreibungen, die dazu führen, dass Personalentscheider Frauen weniger zutrauen als Männern, obwohl sie gleich qualifiziert sind. Noch immer müssen Frauen mangels Rollenvorbilder in Führungspositionen selbst definieren, wie sie die Rolle als Führungskraft erfolgreich ausfüllen wollen; denn eines ist sicher: Das funktioniert nicht einfach, indem man mittels Copy and Paste die Männerrollen übernimmt. Noch immer müssen Frauen mit ihren Partnern verhandeln, wie die Verantwortung in der Familie und im Beruf aufgeteilt wird, während nach wie vor viele Männer selbstverständlich davon ausgehen, dass die Frauen und die Mütter ihrer Kinder ihnen den Rücken freihalten.

Ich stelle das so ausführlich dar, weil ich umgekehrt jetzt im Gespräch mit Frauen Anfang 20, zum Beispiel mit meiner Tochter, die mitten im Studium ist, feststelle, dass sie dieselben Vorstellungen wie ich damals haben: Wenn ich top qualifiziert bin, dann wird es keine Schwierigkeiten für mich geben. – Wenn es doch nur so wäre!

Wir haben in den verschiedenen Reden vorher schon viel zur Analyse gehört. Sie merken, ich bin mit Ihnen ganz einig. Ich sehe auch: Im Wissenschaftsbereich ist es nach wie vor überhaupt nicht zufriedenstellend, dass heute fast jede fünfte Professur von einer Frau besetzt ist; denn angesichts der Tatsache, dass wir die Hälfte der Menschheit ausmachen, kann man wahrlich nicht damit zufrieden sein. Man kann erst recht nicht damit zufrieden sein, wenn man sieht – auch das haben wir gerade schon gehört –, dass Frauen die Mehrheit derjenigen bilden, die ein Studium erfolgreich abschließen, sie erfolgreich die Promotion hinlegen und dann trotzdem auf dem Weg zwischen Promotion und Lehrstuhl und weiterer wissenschaftlicher Karriere ausscheiden.

Die Gründe dafür sind vielfältig. Einer der Gründe ist, dass die Sorgearbeit nach wie vor Frauenarbeit ist. Natürlich sollten die Väter genauso Verantwortung für die Familie übernehmen wie die Mütter. Aber tatsächlich gibt es den Begriff des sogenannten Gender Care Gaps. Es gibt also nicht nur einen Pay Gap, sondern auch einen Care Gap. Eine Frau in Deutschland, die 34 Jahre alt ist, leistet im Schnitt doppelt so viel unbezahlte Sorgearbeit wie der gleichaltrige Mann.

Der „Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs 2017“ hat das kürzlich extra zum Thema gemacht und festgestellt, dass Wissenschaftlerinnen – oh Wunder, wir hätten es auch so gewusst, aber jetzt wird es auch in einem Bericht der Bundesregierung statistisch belegt – ein Riesenproblem damit haben, das zeitliche Zusammenfallen von Qualifizierungsphase und Familiengründung miteinander in Einklang zu bringen.

An einer Stelle bin ich aber deutlich anderer Meinung als meine Vorrednerinnen; denn ich sage: Die Entwicklung geht langsam voran, aber immerhin in die richtige Richtung. Einiges haben wir in dieser Legislaturperiode tatsächlich zugunsten der Frauen auf den Weg gebracht. Wir haben mit dem Tenure-Track-Program die Zahl der planbaren Karrierewege deutlich erhöht. Wir haben für mehr und umfassendere Kinderbetreuungsmöglichkeiten gesorgt. Die DFG hat mit den forschungsorientierten Gleichstellungsstandards – ein Mammutwort – ein wunderbares Instrument,

(Dr. Daniela De Ridder [SPD]: Die gab es schon vorher!)

um den Kulturwandel zugunsten von mehr Chancengleichheit ganz entscheidend einzuleiten.

Wir haben das kluge Instrument der Gleichstellungspauschale, mit der Frauen Geld zur Verfügung gestellt wird, um Verwaltungs- oder Laborunterstützung für Frauen zu gewähren, die schwanger sind oder aus der Elternzeit zurückkehren. Anders als der Kollege das gesagt hat, wie gerade berichtet wurde, hat die Exzellenzstrategie natürlich etwas mit Gleichstellung zu tun; denn als Kriterium für die Bewilligung von Projektanträgen ist an entscheidender Stelle verankert worden, dass zur Gleichstellung Aussagen gemacht werden müssen.

(Dr. Daniela De Ridder [SPD]: Das sollte der Kollege dann auch zur Kenntnis nehmen!)

– Wir werden ihm sagen, dass er noch einmal nachschauen soll.

(Dr. Daniela De Ridder [SPD]: Ich bitte ­darum!)

Was mir am Ende besonders wichtig ist, ist der Verweis auf das Professorinnenprogramm. Das hat nämlich wirklich gute Funktionen und hat auch schon ausreichend Wirkung gezeigt, indem es einerseits die Zahl der Professuren für Frauen erhöht und andererseits fordert, dass eine Kultur der Chancengleichheit strukturell in den Universitäten verankert wird.

Gerade heute hat die Bund-Länder-Arbeitsgruppe darüber diskutiert. Sie geht mit bei dem Vorschlag der CDU, dieses Professorinnenprogramm fortzuschreiben und fortzusetzen.

(Dr. Daniela De Ridder [SPD]: Das hätte man aber auch schon eher machen können!)

Es hört sich so an, als würde diese Arbeitsgruppe der GWK bei den Vorschlägen mitgehen, die die CDU eingebracht hat. Wir haben nämlich gesagt, dass das Professorinnenprogramm in Zukunft Mittel zur Verfügung stellen soll, mit denen die geförderten Professorinnen zum Beispiel unterhalb einer Professur jungen Frauen Gelder zur Verfügung stellen können. Diese Frauen können etwa für die Leitung von Nachwuchsgruppen eingesetzt werden. Wir wollen die Vereinbarkeit in der Familienphase, die oft in der Postdocphase richtig wichtig wird, verbessern, und wir wollen insgesamt eine angemessene Erhöhung der Mittel für das Professorinnenprogramm.

Das alles würde nicht ausreichen, wenn nicht ganz stark zum Ausdruck käme: Strukturell muss es Veränderungen geben, und diese Veränderungen müssen all diejenigen, die Anträge stellen, auch verankern.

Meine Damen und Herren, es ist einiges passiert, aus meiner Sicht – da stimme ich Ihnen zu – viel zu wenig. Ich hoffe aber, dass wir dank der Programme, die wir aufgelegt haben, und gemeinsamer Anstrengungen wirklich sagen können: Wenn meine Tochter einmal auf ihren Studienanfang zurückblicken wird, kann sie feststellen: Seitdem ist so viel an Veränderung im Sinne der Chancengerechtigkeit passiert, dass wir im Sinne der Gleichberechtigung und damit auch im Sinne der Exzellenz und guter Wissenschaft entscheidende Schritte vorangekommen sind.

Vielen Dank.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7123148
Wahlperiode 18
Sitzung 241
Tagesordnungspunkt Frauen- und Gleichstellungspolitik
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