28.06.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 242 / Tagesordnungspunkt 18

Stephan StrackeCDU/CSU - Armuts- und Reichtumsbericht

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Grüß Gott, Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin Ihnen dankbar, lieber Herr Kollege Birkwald, dass Sie die Bertelsmann-Studie, die vor kurzem veröffentlicht wurde, erwähnt haben. Das gibt Gelegenheit, diese herauszugreifen und zu beleuchten.

Zum einen: Grundsicherung im Alter zu erhalten, ist nicht gleichzusetzen mit Altersarmut, sondern die Grundsicherung ist zunächst einmal ein Instrument, um vor Altersarmut zu schützen. Das ist das Entscheidende in dem Bereich.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dazu haben wir sie im Jahr 2003 eingeführt. Verschämte Altersarmut wollten wir dadurch beseitigen, und das ist uns auch in großem Maße gelungen.

(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Woher wissen Sie das? Wo steht das?)

Kollege Stracke, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Kollegen Birkwald?

Ja, geht ja gut los. Herr Kollege Birkwald, bitte schön.

Vielen Dank, Frau Präsidentin, vielen Dank, Kollege Stracke, dass Sie die Frage zulassen.

Zunächst einmal wollen wir festhalten: Auf den Seiten 549 ff. Ihres Armuts- und Reichtumsberichtes sind vier Institute genannt, die eine Armutsquote messen, und da sind auch die Armutsquoten für Rentnerinnen und Rentner und Pensionäre ausgewiesen. Ich sage Ihnen: Bei allen vier Instituten sind die Zahlen zwischen 1995 und 2014 deutlich gestiegen, und bei drei von vier Instituten liegen die Armutsquoten von Rentnern mit 17 Prozent, 15,9 Prozent oder 20,2 Prozent signifikant über den Armutsquoten aller.

Jetzt kommt meine Frage: Meinen Sie wirklich, dass man bei einem bundesweit einheitlichen durchschnittlichen Bruttogesamtbedarf – so heißt der Fachbegriff – bei der Grundsicherung im Alter von 804 Euro nicht von Armut reden kann? 804 Euro! Davon müssen die Menschen alles bezahlen: Essen, Trinken, Miete, Heizung, Strom, Warmwasser und auch noch das, was wir hier gesellschaftliche Teilhabe nennen. Die Menschen draußen nennen es Kaffee, Wasser, Bier, Theater, Kino, Oper oder von mir aus auch Schwarzwälder Kirschtorte. Das kann man nicht von 804 Euro bezahlen. Diese Menschen sind arm. Sehen Sie das nicht genauso?

(Beifall bei der LINKEN)

Lieber Herr Kollege Birkwald, das Instrument der Grundsicherung im Alter soll wie sämtliche Grundsicherungssysteme Menschen ja gerade dann schützen, wenn sie in die genannte Situation kommen. Deswegen gibt es vonseiten des Staates entsprechende Unterstützungssysteme wie eben die Grundsicherung im Alter, die gerade vor Altersarmut schützen soll.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Mehr als 804 Euro haben die nicht!)

Genau deswegen haben wir dieses Instrument geschaffen.

Die Armut betrifft im Übrigen ältere Menschen weitaus weniger als Menschen, die noch im Erwerbsleben stehen. Das zeigen auch die Berichte auf, die uns vorliegen. Die Bezieher kleinerer Renten sind im Regelfall auch nicht auf Grundsicherung angewiesen. Vielmehr gilt: Altersarmut ist in der Regel nicht das Thema, sie ist vielmehr die relativ seltene Ausnahme.

(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sagt der Armuts- und Reichtumsbericht aber anders!)

So ist es: Altersarmut ist die relativ seltene Ausnahme.

(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Das ist schlicht falsch! 15 Prozent! – Karin Binder [DIE LINKE]: 13 Millionen Menschen!)

Ich will Ihnen, weil hier alle sehr aufgeregt sind, dafür einmal ein Beispiel nennen. Bei jemandem, der eine gesetzliche Rente von weniger als 600 Euro bezieht, würden Sie davon ausgehen, dass er in der Grundsicherung ist. Tatsächlich befinden sich aber nur 6 Prozent unserer Rentnerinnen und Rentner in der Grundsicherung. Das zeigt doch, dass Altersarmut Gott sei Dank in dieser Gesellschaft nicht die Regel ist, sondern die relativ seltene Ausnahme. Wir sollten uns aber natürlich auch daran messen lassen, das zu verbessern, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt nennen Sie doch mal die Zahlen aus dem Armuts- und Reichtumsbericht und nicht Ihre eigenen Zahlen!)

Ich nehme die Wortmeldung des Herrn Kollegen Birkwald zum Thema Bertelsmann-Studie auf. Die beste Politik für ein gutes Leben in Deutschland ist natürlich eine gute Arbeitsmarktpolitik bzw. eine gute Bildungspolitik. Und Altersarmut lässt sich eben am sinnvollsten präventiv durch sichere und ordentlich bezahlte Beschäftigung bekämpfen. Dafür haben wir in dieser Wahlperiode – auch mit dem Mindestlohn, mit der Stärkung der Sozialpartnerschaft und mit vielem mehr – eine Menge getan. Es geht vor allem darum, Reparaturmaßnahmen zu vermeiden. Diese sind nämlich nicht vordringlich.

Jetzt geht es darum, dass wir beim Arbeitsmarkt auch darauf achten, den Rahmen weiterhin hochzuhalten. Wir sollten keine Steuererhöhungen machen, wie es jetzt beispielsweise die SPD vorgeschlagen hat, sondern ganz im Gegenteil: Jetzt ist Zeit für Steuerentlastungen für alle.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Arme zahlen doch keine Steuern!)

Und dafür ist auch der entsprechende Rahmen vorhanden, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Seit 2005 sind – der Kollege hatte bereits darauf hingewiesen – die Arbeitnehmerentgelte stärker als die Gewinneinkommen gestiegen. Auch die Reallöhne sind im Übrigen spürbar gestiegen.

Die Ministerin hat darauf hingewiesen, dass die gemessen am Gehalt unteren 40 Prozent der Beschäftigten 2015 real weniger verdient haben als Mitte der 90er-Jahre. Auch da lohnt es sich, einen genauen Blick auf die Zahlen zu werfen. Tatsache ist, dass diese Senkungen und Einbußen im Reallohnbereich im Zeitraum zwischen 1993 und 2007 stattgefunden haben, also zu einer Zeit, in der im Wesentlichen die SPD regierte. Seit 2009 sind die Reallöhne kräftig gestiegen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das zeigt: Politik muss man richtig machen. Und wir vonseiten der Union tun das auch.

Erstmals seit dem Jahr 1993 ist die Zahl der Langzeitarbeitslosen unter die Marke von 1 Million gesunken. Auch dazu können wir sagen: In diesem Bereich haben wir richtig gehandelt.

Ja, es ist unser gemeinsames Ziel, die Altersarmut von Rentnerinnen und Rentnern zu verhindern. Auch in diesem Zusammenhang ist ein Blick auf die Rentensteigerungen gut: In den letzten zehn Jahren sind die Renten in Westdeutschland um 15,9 Prozent und im Osten sogar um 24,1 Prozent gestiegen.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wie sind die Löhne in derselben Zeit gestiegen? Deutlich mehr!)

Das heißt, die Renten sind gut gestiegen. Trotz eines um 6,4 Prozent gesunkenen Rentenniveaus haben wir in Ostdeutschland eine Rentensteigerung um 24,1 Prozent. Das zeigt: Auch hier ist die Situation anders, als es in diesem Land oft behauptet wird.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Die Renten steigen weniger als die Löhne!)

Die Renten steigen, und das ist gut. Das kommt bei den Rentnerinnen und Rentnern in diesem Land an.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Altersarmut sollten wir am besten zielgenau bekämpfen; darauf habe ich bereits hingewiesen. Drei Viertel derer, die ab Erreichen der Regelaltersgrenze Grundsicherung im Alter beziehen, waren unmittelbar vor Eintritt in das Rentenalter bereits Empfänger von Grundsicherungsleistungen, sei es ALG II, Erwerbsminderungsrente oder Sozialhilfe. Das bedeutet: Die Ursachen liegen offensichtlich weit vor dem Renteneintritt.

Deswegen müssen wir bei diesen Themen sehr zielgenau arbeiten. Ich meine den Übergang von Schule in Beruf sowie die betriebliche Weiterbildung. Außerdem müssen wir die gesamten Bedarfsgemeinschaften verstärkt in den Blick nehmen. In Bayern gibt es ein hervorragendes, funktionierendes Modellprojekt – Tandem –, bei dem zusammen mit den Kommunen versucht wird, die gesamte Bedarfsgemeinschaft in den Blick zu nehmen und gute Lösungswege aufzuzeigen. Genau diese Ansätze sollten wir verstetigen.

Herr Birkwald, Sie haben sich im Zusammenhang mit der Bertelsmann-Studie zwar auf die Erwerbsgeminderten bezogen – da haben wir in dieser Legislaturperiode viel getan –, Sie haben aber ausgeblendet, dass ein höheres Rentenniveau für alle, was vor allem Sie, aber auch die SPD fordern, kein taugliches Mittel zur Vermeidung von Altersarmut ist. Das ist der entscheidende Befund der Bertelsmann-Studie in diesem Bereich. Das hätte einen symbolischen Wert, wäre aber Politik mit der Gießkanne. So kann man Altersarmut nicht treffsicher bekämpfen. Außerdem kostet das unglaublich viel: Die kumulierten Kosten dafür beliefen sich auf mindestens 100 Milliarden Euro.

Schauen wir uns einmal die 530 000 Menschen, die Grundsicherung im Alter beziehen, an: 25 Prozent davon haben keinerlei Rentenansprüche, und 40 Prozent beziehen eine Rente von unter 400 Euro.

(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Reden Sie doch einmal über Armut und nicht dauernd über die Grundsicherung! Sie haben angefangen, dass Grundsicherung nicht Armut ist!)

Diese Menschen haben nichts, aber auch gar nichts von den Rentenplänen von Martin Schulz.

(Katja Mast [SPD]: Sie haben gar keine Pläne!)

Tatsächlich würden diejenigen profitieren, die lange gearbeitet haben und gut verdient haben. Aber die haben in der Regel nichts mit Altersarmut zu tun.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich würde sagen: Die Vorschläge gehen am Thema vorbei. Das ist nichts anderes als bei der Rente mit 63.

(Katja Mast [SPD]: Wer keine Pläne hat, braucht keine anderen Pläne zu kritisieren!)

Auch zu den Vorschlägen zur Solidarrente, die hier unterbreitet wurden, lautet der Befund der Bertelsmann-Stiftung: Nicht zielführend.

(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber die Garantierente von uns wäre zielführend!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Zahlen lügen nicht: Deutschland geht es so gut wie nie. Die Wirtschaft brummt, und die Löhne steigen. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten hat sich insgesamt um 6 Millionen erhöht. Besonders erfreulich ist, dass sich die Zahl der Arbeitslosen halbiert hat, die Zahl der jugendlichen Arbeitslosen sogar um 60 Prozent. Die Einkommensungleichheit hat seit 2005 nicht mehr zugenommen. Die Vermögensungleichheit ist rückläufig, und die Mittelschicht ist stabil. Vor allem wichtig ist: Menschen, die die Unterstützung des Staates brauchen, erhalten sie. Soziale Transferleistungen wie Arbeitslosengeld II, Sozialhilfe und Grundsicherung im Alter senken das Armutsrisiko für die Menschen. Das ist der zentrale Befund des Fünften Armuts- und Reichtumsberichts. Das heißt, der Sozialstaat in Deutschland wirkt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das Volumen der sozialen Leistungen in Deutschland liegt mittlerweile bei über 888 Milliarden Euro pro Jahr. Die Sozialausgaben des Bundes sind von rund 145 Milliarden Euro im Jahr 2013 auf über 170 Milliarden Euro in diesem Jahr gestiegen.

Jetzt hat das Bundeskabinett den Bundeshaushalt für 2018 und die Finanzplanung bis 2021 beschlossen. Hierbei sieht man eine weitere Steigerung der Sozialausgaben: 2021 werden diese bei 186 Milliarden Euro liegen. Das heißt, von den Gesamtausgaben des Bundes fließen über 52 Prozent in den Bereich des Sozialen. Das zeigt: Wir sind ein leistungsfähiger Sozialstaat in all diesen Bereichen.

Entscheidend ist auch: In den letzten zwölf Jahren, in denen die Union regiert hat, haben wir alle wirtschaftlichen Prognosen immer wieder nach oben korrigiert – das sei all denjenigen gesagt, die sich auf die Prognosen verlassen. Wenn man sich die Prognosen anschaut, stellt man fest, dass wir beim Beitragssatz deutlich besser sind. Wir haben beispielsweise ein deutlich besseres Rentenniveau; das steigt nämlich wieder. Eine gute Wirtschaftspolitik ist letztendlich eine gute Sozialpolitik. Daran wollen wir unter Führung der Christlich-Sozialen Union und unter Führung der CDU festhalten.

In diesem Sinne freue ich mich darauf, dass wir uns um eine Vertragsverlängerung für die nächste Wahlperiode bemühen, damit wir erneut eine unionsgeführte Bundesregierung stellen können, die die besseren Konzepte für Deutschland hat.

Ein herzliches Dankeschön.

(Beifall bei der CDU/CSU – Katja Mast [SPD]: Ihr habt doch gar keine Konzepte! – Bernd Rützel [SPD]: Die haben doch gar keine Konzepte!)

Der Kollege Markus Kurth hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7124808
Wahlperiode 18
Sitzung 242
Tagesordnungspunkt Armuts- und Reichtumsbericht
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta