29.06.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 243 / Tagesordnungspunkt 8

Kirsten LühmannSPD - Strafrecht - nicht genehmigte Kraftfahrzeugrennen

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Guten Abend, dürfen wir bitte reinkommen? Wir haben Ihnen eine Nachricht zu überbringen. – Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Liebe Kolleginnen! In meinen 27 Jahren als Polizeibeamtin musste ich oft genug die Überbringung von Todesnachrichten mit diesem Satz einleiten. In vielen Fällen waren Verkehrsunfälle die Ursache.

Wie fing es an? Wir haben uns als Bundesregierung die Marschrichtung gesetzt, die „Vision Zero“ zu verwirklichen; das heißt: Niemand mehr soll auf deutschen Straßen bei Verkehrsunfällen zu Tode kommen. Illegale Autorennen haben daran immer mehr Anteil. In den 80er-Jahren waren es PS-starke Kleinwagen. Bei Manta, Manta war ein illegales Autorennen der Höhepunkt des Films. Zur Jahrtausendwende wurden es vermehrt deutsche hochmotorisierte Limousinen, die an illegalen Autorennen teilnahmen. Im Moment sind die Folgen gering, wenn niemand zu Schaden kommt: ein Bußgeld, maximal drei Monate Fahrverbot. Wenn eine Person zu Tode kommt, gibt es eine Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung. Der Rechtsrahmen dafür ist gering.

Dieses Jahr hat zum ersten Mal ein Gericht geurteilt: Teilnehmende an einem Autorennen, bei dem ein Mensch zu Tode kommt, nehmen dies billigend in Kauf und sie handeln aus niederen Beweggründen. Sie wurden wegen Mordes verurteilt. Ob dieses Urteil vor dem höchsten Gericht Bestand haben wird, wissen wir noch nicht. Es wird Jahre dauern, bis dort eine Entscheidung gefällt wird.

Liebe Kollegen und Kolleginnen, so lange wollen wir nicht warten. Wir müssen dieses Problem jetzt angehen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Daher hat die Koalition Ihnen heute einen neuen Straftatbestand zur Abstimmung vorgelegt, der ein sogenanntes abstraktes Gefährdungsdelikt vorsieht. Was heißt das? Ähnlich wie bei einer Trunkenheitsfahrt sagen wir: Allein die Teilnahme an einem illegalen Autorennen – völlig egal, ob ein anderer Verkehrsteilnehmer gefährdet wird, eine Person auf dem Gehweg vielleicht zu Schaden kommt – ist so gefährlich, dass ein Straftatbestand verwirklicht ist.

(Beifall bei der SPD)

Auch das Organisieren eines solchen Rennens wollen wir unter Strafe stellen. Bei der Anhörung haben uns nun die Sachverständigen gesagt, das hielten sie für sinnvoll. Allerdings haben wir damit einen Teil noch nicht erfasst, nämlich die Fälle, in denen nicht zwei oder mehr Fahrzeuge gegeneinander ein Rennen fahren, sondern ein sogenannter Alleinraser fährt, also eine Person in einem Kraftfahrzeug, die die Höchstgeschwindigkeit erzielen will, entweder um einen Rekord zu brechen oder um einfach diesen Geschwindigkeitsrausch zu haben.

Es gibt nun mehrere Möglichkeiten, das zu regeln. In der Schweiz gibt es zum Beispiel klare Grenzen für Geschwindigkeiten; wer in einer 30er-Zone mehr als 70 fährt, wird einer Straftat bezichtigt. Die Sachverständigen haben uns aber klar gesagt, das hielten sie nicht für sachgerecht. Bei diesen klaren Grenzen wird der besonderen Situation nämlich keine Rechnung getragen, also der Witterung, den Straßenverhältnissen, der Frage, ob viel Verkehr ist oder nicht.

Darum haben wir Ihnen einen Vorschlag gemacht, der zwei Begriffe beinhaltet, die schon im Strafgesetzbuch etabliert sind: die „nicht angepasste Geschwindigkeit“ und dass man das Ganze „grob verkehrswidrig und rücksichtslos“ macht. Der Vorschlag umfasst einen dritten Begriff, der noch nicht definiert ist, nämlich: zur Erzielung von Höchstgeschwindigkeiten. Nun hat uns der Staatsanwalt bei der Anhörung gesagt: Ja, das ist nicht definiert, aber das waren die ersten beiden Begriffe, als der Deutsche Bundestag es damals beschlossen hat, auch nicht. – Das Richterrecht hat Definitionen gefunden, und heute ist es eine Selbstverständlichkeit, liebe Kollegen und Kolleginnen. Das wird auch bei der Frage, was die Erzielung von Höchstgeschwindigkeiten bedeutet, der Fall sein. Alle Sachverständigen sagten, es sei wichtig, das zu lösen, und wir werden es mit dieser Formulierung strafrechtlich in den Griff bekommen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wichtig ist auch, dass wir geregelt haben, dass es eine Entziehung der Fahrerlaubnis geben kann und vor allen Dingen die Fahrzeuge eingezogen werden können. Ein Sachverständiger formulierte es etwas flapsig: Nehmt ihnen ihr Spielzeug weg, und ihr trefft sie am meisten. – Ich glaube, das trifft es.

Wir werden heute illegale Autorennen aus der Ecke des Kavaliersdeliktes herausholen und dahin bringen, wo sie hingehören: strafrechtlich relevantes Verhalten, das verantwortungslos ist und Gefahren für Unbeteiligte birgt. Das ist auch richtig so.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Liebe Kollegen, liebe Kolleginnen, ich wünsche niemandem, dass er die Sätze „Guten Abend, dürfen wir reinkommen? Wir haben Ihnen eine Mitteilung zu machen“ je hören muss. Ich glaube, dass dieses Gesetz, das wir heute hier verabschieden, einen guten Beitrag dazu leistet, dass dies weniger der Fall sein wird.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Jörn Wunderlich hat jetzt als nächster Redner für die Fraktion Die Linke das Wort.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7124961
Wahlperiode 18
Sitzung 243
Tagesordnungspunkt Strafrecht - nicht genehmigte Kraftfahrzeugrennen
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