Armin SchusterCDU/CSU - Bericht des 3. Untersuchungsausschusses (NSU)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese menschenverachtende Mord‑, Überfall‑ und Anschlagsserie des NSU-Trios soll sich nicht wiederholen, und wir tun alles, um sie aufzuklären – das waren die zwei Versprechen, die wir abgegeben haben. Nach dem Ende des zweiten NSU-Untersuchungsausschusses ist es Zeit, Bilanz zu ziehen. Die Versprechen habe ich persönlich in erster Linie den Opfern und ihren Angehörigen gegeben, die ich zum Teil auf der Tribüne begrüße. Ich habe sie aber auch den Menschen in Deutschland gegeben; denn nach einem solchen Vorkommnis müssen wir Vertrauen aufbauen.
Wenn Sie mir erlauben, dann fasse ich die Ergebnisse beider NSU-Untersuchungsausschüsse zusammen. Wir haben in beiden Untersuchungsausschüssen insgesamt fünf Jahre intensiv, einvernehmlich, mit einstimmigen Beschlüssen und einem einstimmigen Abschlussbericht, einen parlamentarischen Anstand, eine parlamentarische Disziplin gezeigt, die in diesem Haus wahrscheinlich einmalig sind. Dafür möchte ich mich bei allen anderen Fraktionen bedanken.
(Beifall im ganzen Hause)
Es ist ein starkes Signal an die Justiz, an die Ermittlungsbehörden, an den Gesetzgeber und an unsere Gesellschaft, dass wir das normale Parteiverhalten im Bundestag beiseitegeschoben haben. Das war keine übliche Debatte. Deshalb möchte ich auch heute darauf verzichten, zu polarisieren. Meine Fraktion hat auch kein Sondervotum abgegeben. Wir glauben, dass die gemeinsame Grundüberzeugung, die wir im Untersuchungsausschuss gewonnen haben, nicht kleinteilig zerredet werden darf. Ich habe es mir selbst zur Pflicht gemacht, darauf zu verzichten – ich habe nur sieben Minuten Redezeit –, x Versagensumstände und x Schwächen, die wir schon im ersten Ausschuss identifiziert haben, heute zu wiederholen, ob das das V-Leute-Wesen, das Schreddern oder was auch immer betrifft.
Viele der dramatischen Befunde, mit denen wir uns im Untersuchungsausschuss konfrontiert sahen, gab es in diesem Haus bereits am 2. September 2013, und sie gelten weiter.
(Unruhe)
Herr Kollege Schuster, darf ich ganz kurz unterbrechen. – Angesichts des ernsten Gegenstandes der Debatte darf ich alle bitten, die unabhängig von dieser Beratung Gesprächsbedarf haben, die Gespräche nicht hier im Plenarsaal zu führen.
(Beifall)
Warum dieser zweite Untersuchungsausschuss NSU?
Erstens. Unsere Untersuchungsarbeit im Zuge der ersten Auflage konnte sich wegen des Prozesses in München, den wir nicht stören wollten, nur auf die Zeit bis zum 4. November 2011 beziehen. Alle Ermittlungen, die danach stattfanden, konnten wir in der vergangenen Legislaturperiode nicht untersuchen. Besonders interessiert haben uns die Tatorte Eisenach und Zwickau. Ihnen wollten wir uns widmen. Das haben wir getan.
Zweitens. War es ein Trio, oder gab es Mittäter? Wir waren uns nach der ersten Auflage nicht sicher. Wir haben uns auch gefragt: Kennen wir alle Unterstützer, oder rennen da draußen noch welche herum, die wir nicht kennen? Das waren für mich die wesentlichen Gründe, warum wir den zweiten Ausschuss brauchten.
Welche Ergebnisse gibt es nach 55 Sitzungen, 78 Zeugenvernehmungen und der Auswertung von 727 Gigabyte Datenmaterial? Chapeau im Übrigen an die Mitarbeiter aller Fraktionen und des Untersuchungsausschusssekretariats!
(Beifall im ganzen Hause)
Die Geschehensabläufe in Eisenach und Zwickau, über die wir viele Vermutungen angestellt hatten, sind für mich im Wesentlichen aufgeklärt. Es ist eindeutig, dass Mundlos Böhnhardt erschossen hat, bevor er sich selbst gerichtet hat. Außerdem konnten wir keine Belege für weitere Täter finden.
Ich sage jetzt einmal ganz ehrlich: Es hat mir sehr gut getan, dass wir den Einsatzleiter des Tatorts Eisenach als Zeugen vernommen haben; denn über ihn wurden öffentlich viel Kritik, Hohn und Spott ausgeschüttet, wie dumm er sich – angeblich – an diesem Tatort angestellt habe. Der Mann hatte etliche Stunden Zeit, um viele überzogene Kritikpunkte auszuräumen. So ist das eben, wenn man die andere Seite hört. Dafür bin ich dankbar. Ich glaube, man hätte das eine oder andere anders machen können; aber viel Kritik an ihm war überzogen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN)
Beim Tatort Probsteigasse in Köln haben wir eine Theorie abgeräumt: Nein, es gab keinen führenden Neonazi und V-Mann des LfV, der dort beteiligt war.
In Dortmund hätte ich mir ein intensiveres Eintauchen von GBA und BKA in die örtliche Szene gewünscht. Wir konnten nichts feststellen; aber Zweifel bleiben.
Bezogen auf Kassel haben wir die Zweifel daran, dass der Mitarbeiter des LfV das alles nicht gemerkt haben kann, nur noch erhärtet; aber wir können keine neuen Belege hinzufügen. Die Zweifel bleiben.
Heilbronn ist der entscheidende Tatort für viele Kritikpunkte bezüglich der Trio-These. Für mich ist aufgrund der fehlenden Funkzellenauswertung und der DNA-Abgleiche, die nicht optimal gelaufenen sind, vor allen Dingen aber aufgrund valider Zeugenaussagen zur Anzahl flüchtender Täter, blutverschmiert, die Trio-These oder die These „Duo“ kaum haltbar,
(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Sehr richtig!)
wenngleich ich natürlich überhaupt keine Zweifel an der Täterschaft von Mundlos und Böhnhardt habe. Es geht um die Frage: Wer war noch dabei? Deswegen sehe ich noch reichlich Ermittlungsbedarf rund um Heilbronn.
Zur Trio-These: GBA und BKA haben aufwendig und engagiert ermittelt. Denen kann man keinen Vorwurf hinsichtlich des Aufwands, den sie betrieben haben, machen. Aber sie waren fokussiert: fokussiert auf die Verurteilung der bekannten Angeklagten. Das ist vielleicht vorwerfbar; ich halte mich da eher zurück. Ich verweise lieber auf den Erfolg dieses Untersuchungsausschusses: Ich bin der festen Überzeugung, dass unsere Arbeit dafür gesorgt hat – das ist ein Erfolgsmoment –, dass die Bundesanwaltschaft und das BKA erhebliche Nachermittlungen angestellt haben, insbesondere was Trio-These und Unterstützerumfeld anbelangt. Das ist aus meiner Sicht ein Erfolg.
Ich möchte auf das Thema DNA nicht eingehen. Darauf wird wahrscheinlich der Vorsitzende selber eingehen wollen; das Thema lasse ich ihm.
Zu BfV und LfV: ungenutzte Chancen, V-Leute-Wesen, Schreddern. Meine Damen und Herren, wir können den Schmerzpunkt nur vertiefen; aber das sind alles Befunde aus der letzten Legislaturperiode. Daran gibt es nichts schönzureden; aber wir müssen bitte die Balance wahren. Das habe ich schon am 2. September 2013 hier gesagt. Ermittelt haben Staatsanwaltschaften und Polizeien. Deshalb ist es, wenn man kritisiert, wichtig, die Kritik dort anzubringen, wo die Aufklärungsarbeit am Ende zum Erfolg geführt werden muss. Deswegen hat meine Fraktion versucht, in den Befragungen zwischen Staatsanwaltschaften, Gerichten, Polizei und Verfassungsschutz eine sinnvolle Balance zu halten. Natürlich kann man an dem Fall „Corelli“ sehen, wie schlimm manchmal alles läuft. Aber daran arbeiten wir. Man hat damals leider keinen NSU-Bezug gesehen, sonst wäre man wahrscheinlich weiter gekommen.
Waren wir erfolgreich? Wir haben alle Richtungen beleuchtet, vorgefasste Meinungen verifiziert und falsifiziert. Wir haben erhebliche Nachermittlungen angestrengt, und wir haben uns um die Umsetzung der Empfehlungen aus dem ersten NSU-Untersuchungsausschuss gekümmert; hier hat die Bundesregierung sehr viel gemacht. Wir hatten wenige Chancen, und wir hatten nicht die Smoking Gun. Das ist das, was die Journalisten jetzt gerne hätten. Dann wäre das mediale Interesse größer. Aber so einfach machen wir uns das nicht. Das war nicht meine Motivation. Geduld, Geduld, Geduld!
Die Opfer, die Angehörigen der Opfer, die Menschen in diesem Land dürfen erwarten, dass wir nicht aufhören, uns um das Thema zu kümmern. Sie dürfen erwarten, dass wir da sind, wenn der Nebel sich lichtet, und er wird sich lichten, vielleicht nicht wegen Frau Zschäpe. Mir ist das Ehepaar Eminger wichtiger. Ich halte das, was die irgendwann sagen, für aufschlussreicher.
Eine Botschaft an die Täter geht von hier aus: Den Fehler, den man früher bei der RAF gemacht hat, nämlich den Strafverfolgungsanspruch irgendwann vielleicht nicht mehr so ernst zu nehmen – heute verfolgen wir sie wegen Räubereien; merkwürdig –
(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Holland!)
und nicht parlamentarisch aufzuklären, diesen Fehler machen wir in diesem Fall nicht. Deswegen geht das Signal an München, an die Täter: Wir sind da, und wir werden nicht aufhören, dieses Thema zu bearbeiten.
Deshalb habe ich einmal – das war nicht als Scherz gemeint – gesagt: Ich wünsche mir Cold-Case-Verfahren in den Polizeien aller Bundesländer, die betroffen sind, weil ich das für ein wirkungsvolles Mittel halte. Ich bin davon überzeugt, dass man mehr aufklären kann. Was ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss aufklären kann, haben wir aufgeklärt. Wenn nichts Neues hinzukommt, halte ich im Moment einen dritten NSU-Ausschuss nicht für erforderlich. Aber bei dem Verfahren am Anfang dieser Wahlperiode fand ich es sehr gut, dass die Kolleginnen Pau, Högl und Mihalic sowie der Kollege Binninger als Berichterstatter im Innenausschuss saßen. Das ist das Signal, das von uns ausgehen muss: Wir hören nicht auf, uns mit diesem Thema zu beschäftigen, bis alles aufgeklärt ist, was wir aufklären können.
Ganz besonderen Dank an Clemens Binninger. Die Qualität dieses Ausschusses hat viel damit zu tun gehabt, dass du diesen Job nicht als parlamentarische Pflicht empfunden hast, sondern dass es eine Herzensangelegenheit war. Ich glaube, das hat uns gutgetan. Ich danke allen, die mitgewirkt haben, auch dem BMI.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Bei dieser Debatte sind heute eine ganze Reihe von Vertretern der Opferfamilien anwesend. Ich möchte Ihnen unsere Verbundenheit und unsere Anteilnahme aussprechen.
(Beifall im ganzen Hause)
Nächste Rednerin ist die Kollegin Petra Pau für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7125025 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 243 |
Tagesordnungspunkt | Bericht des 3. Untersuchungsausschusses (NSU) |