Sylvia JörrißenCDU/CSU - Bericht des 3. Untersuchungsausschusses (NSU)
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am 25. April dieses Jahres fand in Heilbronn die Gedenkveranstaltung zum zehnten Todestag von Michèle Kiesewetter statt. Vor zehn Jahren wurde die junge Polizeibeamtin an der Theresienwiese ermordet. Ihr Andenken bleibt unvergessen, so wie das der neun weiteren Mordopfer des NSU. Der schmerzliche Verlust, den die Hinterbliebenenfamilien erleben mussten, ist kaum in Worte zu fassen, auch heute noch.
10 Morde, 3 Sprengstoffanschläge, 14 Banküberfälle, das ist die erschreckende Bilanz, die nachhallt, wenn wir heute an den NSU denken. Nach dem Auffliegen des NSU im November 2011 und einer Zeit der Fassungslosigkeit galt es, zu klären, wie es zu diesen schrecklichen Gräueltaten kommen konnte und, was mindestens ebenso wichtig ist, was wir tun können, damit sich so etwas in unserem Land nie wiederholt.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Aus dieser Grundintention begann hier im Parlament die Zeit der Aufarbeitung. Der Untersuchungsausschuss der 17. Wahlperiode hat zahlreiche strukturelle Fehler und Versäumnisse bei den Ermittlungsbehörden zutage gefördert. Schon der erste NSU-Untersuchungsausschuss hat sich in seinem umfassenden Bericht für zahlreiche Empfehlungen ausgesprochen, an denen wir in dieser Legislaturperiode hart gearbeitet haben. Freilich sind wir noch nicht am Ziel angekommen, und freilich kann der Bericht der 17. Legislaturperiode nur als Zwischenbericht verstanden werden; denn viele Fragen sind damals offengeblieben. Es war daher unverzichtbar, in dieser Wahlperiode einen weiteren Untersuchungsausschuss einzusetzen, um uns der Verantwortung gegenüber den Opfern, gegenüber den Hinterbliebenenfamilien und gegenüber allen Menschen in unserem Land zu stellen. Wir wollen aufklären, was es aufzuklären gibt.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Schon im ersten Untersuchungsausschuss wurde stets hervorgehoben, mit welcher Kooperationsbereitschaft und welcher vertrauensvollen Zusammenarbeit alle Fraktionen gemeinsam an einem Strang gezogen haben. Obwohl ich selbst seinerzeit kein Mitglied dieses Ausschusses war, möchte ich behaupten, dass der zweite Untersuchungsausschuss dieser gemeinsamen und sachorientierten Arbeit in nichts nachstand. Für dieses zielgerichtete und von jeglicher Parteicouleur losgelöste Arbeiten möchte ich mich bei allen Kolleginnen und Kollegen ganz herzlich bedanken.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ergebnis dieser vertrauensvollen Arbeit ist der rund 1 800-seitige Abschlussbericht. Auch wir kommen nicht umhin, einige Empfehlungen auszusprechen. Einen Punkt möchte ich besonders hervorheben, und zwar die ergebnisoffene Ermittlungsarbeit der Behörden bzw. das Fehlen dieser. Denn was bereits der erste Untersuchungsausschuss herausgefunden hatte, bestätigte sich in zahlreichen Zeugenvernehmungen bei uns. Die Art und Weise, wie Verantwortliche gehandelt haben, macht manchmal den Eindruck, als hätten sie Scheuklappen aufgehabt. Das ist für mich absolut unverständlich.
Nur ein Beispiel: Da ist bereits Mitte der 90er-Jahre in einem einschlägigen rechtsgerichteten Magazin die Rede davon, dass man aus dem Untergrund heraus agieren solle, dass man autonome Zellen bilden und Strukturen aufbauen solle – quasi eine ideologische Eins-zu-eins-Blaupause für den späteren NSU. Ein Exemplar wird dann sogar 1998 in der Garage in Jena gefunden. Es war also bekannt. Trotzdem wird bei den Ermittlungen bis zum 4. November 2011 der richtige Schluss, nämlich dass es sich um rechtsmotivierte Taten gehandelt hat, entweder gar nicht gezogen oder aber viel zu schnell wieder verworfen. Meine Damen und Herren, das sind 13 Jahre! 13 Jahre ist niemand auf die Idee gekommen, dies als Ermittlungsansatz heranzuziehen.
Ebenso wenig wurde nach dem Auffliegen des NSU überhaupt in Betracht gezogen, dass das Trio nicht allein gehandelt hat. Es fehlte an dezidierten Untersuchungen zu Mittätern, Unterstützern, Netzwerken. Stattdessen hielt man über den gesamten Zeitraum konsequent an der Trio-These fest. In dieser Frage konnten wir wichtige Anregungen für weitere Ermittlungen liefern. Ein Appell für die Zukunft muss also lauten: ergebnisoffene Ermittlungen und mehr Sensibilisierung, was rechtsmotivierte Taten angeht!
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Gerade in Zeiten, in denen wir uns zunehmend mit rechtspopulistischen Phrasen konfrontiert sehen, gilt dies umso mehr, national wie international.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Klar ist, dass die strafrechtliche Aufarbeitung der Vorkommnisse am OLG in München noch nicht abgeschlossen ist. Auf diese Ergebnisse blicken wir ebenso gespannt wie auf die aus den einzelnen Untersuchungsausschüssen der Länder. Auch wenn wir nicht alle Fragen vollends klären konnten, so ist unsere Arbeit hier im Untersuchungsausschuss nun zu Ende. Gestatten Sie mir deshalb noch, den Kolleginnen und Kollegen und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, insbesondere denen des Ausschusssekretariats, ganz herzlich für ihre Arbeit zu danken.
Danke schön.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Vielen Dank. – Der letzte Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist jetzt der Kollege Clemens Binninger, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7125042 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 243 |
Tagesordnungspunkt | Bericht des 3. Untersuchungsausschusses (NSU) |