29.06.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 243 / Tagesordnungspunkt 12

Volker UllrichCDU/CSU - Änderung des StGB - Wohnungseinbruchdiebstahl

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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir debattieren heute in zweiter und dritter Lesung über die Änderung des Strafgesetzbuchs in Bezug auf den Wohnungseinbruchsdiebstahl. Die eigenen vier Wände gehören zu dem Wertvollsten, was ein Mensch besitzt. „ Wertvoll“ meine ich nicht im Sinne von materiellen Werten, sondern ich meine die Bedeutung der eigenen vier Wände als ganz privater Rückzugsort, als Heimat und als Ort der Geborgenheit. Nicht wenige Menschen sagen, wenn sie unter Strom stehen, wenn sie gestresst sind, wenn sie etwas Ungutes erleben: Jetzt möchte ich einfach nur nach Hause oder zu Hause sein.

Umso mehr erschüttert es dann, wenn Menschen in ihrer eigenen Privatsphäre angegriffen und bestohlen werden. Sie fühlen sich unsicher. Sie sind oftmals traumatisiert. Sie lassen nachts das Licht an. Sie trauen sich nicht ins Schlafzimmer, weil ihre ganz persönlichen Sachen durchsucht worden sind. Das sind Schicksale, die viele Tausend Opfer von Wohnungseinbruchsdiebstahl Tag für Tag erleben und durchmachen müssen. Deswegen sage ich Ihnen ganz ehrlich: Wer den Schutz der Opfer ernst nimmt, der muss beim Strafrecht etwas tun. Wir dürfen uns nicht damit zufriedengeben, dass wir über 150 000 Wohnungseinbrüche zu verzeichnen haben und dass die Aufklärungsquote so gering ist. Der Rechtsstaat muss handeln.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Und wir werden heute handeln. Wir werden den Einbruch in die dauerhaft genutzte Privatwohnung zu einem Verbrechenstatbestand erklären. Das hat ganz konkrete Folgen. Damit geben wir den Behörden Maßnahmen an die Hand, die sehr gut geeignet sind, um das Phänomen besser und stärker bekämpfen zu können. Der Rechtsstaat wird dadurch erfolgreicher sein, als er es bislang war.

(Frank Tempel [DIE LINKE]: Morgen melden sich die Einbrecher arbeitslos!)

Es wird künftig keinen minderschweren Fall von Einbruch mehr geben. Wir sagen ganz klar: Wer in eine Privatwohnung einbricht, begeht keinen minderschweren Fall. Wenn die Freiheitsstrafe mindestens ein Jahr beträgt, dann wird auch bereits die Verabredung zum Wohnungseinbruchdiebstahl unter Strafe stehen. Im strafprozessualen Bereich wird es nicht so einfach sein, mit einem Strafbefehl davonzukommen, und auch Einstellungen von Verfahren werden nicht mehr so einfach möglich sein. Das heißt, wir geben der Justiz Mittel an die Hand, damit sie härter bestrafen kann. Das sind wir den Opfern schuldig.

Wenn Sie sagen: „Ein erhöhter Strafrahmen nutzt doch nichts“,

(Frank Tempel [DIE LINKE]: Das ist erwiesen!)

dann kann ich nur auf die Anhörung verweisen, bei der die Experten gesagt haben, dass beispielsweise die Straf­erhöhung in Luxemburg – dort ist Wohnungseinbruchdiebstahl mit einer Mindeststrafe von fünf Jahren bewehrt – dazu geführt hat, dass auf der anderen Seite der Mosel, nämlich in Deutschland, die Anzahl der Straftaten gestiegen ist. Ich weiß, dass ein Strafrahmen nicht alles bedeutet, aber er bedeutet eben auch nicht nichts. Vielmehr ist er ein wichtiges Element der Prävention und ein deutliches Signal des Rechtsstaates: Das ist ein schweres Delikt, das nehmen wir nicht hin. Wer einen Wohnungseinbruchdiebstahl begeht, der muss härter bestraft werden.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wichtig ist uns auch, dass die Strafermittlungsbehörden durch die Änderung neue Ansätze der Ermittlung bekommen. Insbesondere wird zukünftig auch eine Verbindungsdatenabfrage möglich sein und auch auf die Funkzellen zurückgegriffen werden können. Es ist niemandem so recht klarzumachen, dass im Falle eines Einbruchs in ein Haus die Staatsanwaltschaft im Regelfall nicht ermitteln kann: Wer war in der entsprechenden Mobilfunkzelle eingeloggt? Wer hat sich im Umfeld der Wohnung aufgehalten? Es ist zur Entdeckung und zur Ermittlung krimineller Strukturen ganz wichtig, dass dieses Ermittlungswerkzeug zur Verfügung steht.

Ich sage Ihnen ehrlich: Die gestrige Anordnung der Bundesnetzagentur bereitet uns Sorge. Wir wissen, dass das Oberverwaltungsgericht in Münster in einem Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz die Pflicht zur Vorratsdatenspeicherung ausgesetzt hat. Die Bundesnetzagentur hat mitgeteilt: Wir werden keine Anordnungen zur Speicherpflicht treffen, und wir werden auch keine Bußgelder verhängen, solange das Hauptsacheverfahren nicht rechtskräftig abgeschlossen ist.

(Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: Sehr fragwürdig! – Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn Sie europarechtswidrige Gesetze machen, müssen Sie damit leben!)

Das bedeutet im Ergebnis, dass möglicherweise für die nächsten Monate oder gar Jahre eine Speicherung von Verbindungsdaten in Deutschland nicht stattfinden kann.

(Beifall des Abg. Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU] – Beifall des Abg. Frank Tempel [DIE LINKE])

Der Deutsche Bundestag hat ein entsprechendes Gesetz in namentlicher Abstimmung – über 400 Kolleginnen und Kollegen haben zugestimmt – verabschiedet. Es tritt zum 1. Juli 2017 in Kraft. Ich finde schon, dass die Bundesnetzagentur hier ein Stück weit ihre Kompetenz überschritten hat. Vor diesem Hintergrund fragen wir uns: Wer steckt hinter der Entscheidung? Kann es sein, dass die Entscheidung eines einzigen Referates eine Parlamentsentscheidung aushebelt? Diesen Fragen muss man nachgehen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: Missachtung des Parlaments!)

Ich komme auf einen weiteren Punkt zu sprechen. Das Oberverwaltungsgericht Münster hat seine Entscheidung auf eine mögliche Unvereinbarkeit mit Unionsrecht gestützt. Ich möchte aber anmerken, dass es gerade im Bereich der Vorratsdatenspeicherung im Augenblick überhaupt keinen Unionsakt gibt und dass es immer noch so sein muss, dass der nationale Gesetzgeber in nationaler Souveränität wesentliche Entscheidungen der inneren Sicherheit frei treffen kann. Außerdem bewegt sich die Vorratsdatenspeicherung, die wir beschlossen haben, innerhalb des Rahmens, den das Bundesverfassungsgericht vorgibt.

Ich sage es Ihnen ganz ehrlich: Wir brauchen dieses Aufklärungsinstrument nicht allein in Sachen Wohnungseinbruchdiebstahl, sondern allgemein zur Verteidigung unserer Freiheit und Sicherheit, weil wir nicht wollen, dass Verbrecher sich diese Lücke auf Dauer zunutze machen. Deswegen sagen wir: Wir brauchen eine kluge Abwägung zwischen Freiheit und Sicherheit, und wir brauchen auch die Speicherung und die Auswertung von Verbindungsdaten und die Funkzellenanalyse.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, wir brauchen bei der Bekämpfung der Wohnungseinbruchkriminalität einen Dreiklang. Wir brauchen strafrechtliche Maßnahmen. Die entsprechenden Vorhaben bringen wir heute zum Abschluss. Daneben haben wir in dieser Wahlperiode auch im Bereich Prävention viel geleistet. Ich erinnere an das Programm zur Stärkung des eigenen Schutzes. Der staatliche Schutz ist die Kehrseite der notwendigen Eigenvorsorge. Es ist gut, dass mit KfW-Mitteln schon viele Tausend Haustüren in Deutschland stärker gesichert wurden. Wir müssen dieses Programm fortführen, und wenn die Mittel dafür vorhanden sind, müssen wir das Programm auch aufstocken. Damit unterstützen wir die Menschen, die sich selbst vor diesen Delikten schützen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir brauchen auch mehr Polizisten und eine gute Ausstattung der Strafverfolgungsbehörden. Ich glaube, ich kann mit Fug und Recht sagen, dass die unionsgeführten Bundesländer hier ein Vorbild sind: In diesen Bundesländern werden neue Stellen geschaffen, und wir zeigen durch eine klare Sicherheitspolitik, dass wir die Menschen nicht im Regen stehen lassen, sondern sie mit ihren Sorgen und Befürchtungen ernst nehmen.

(Dr. Matthias Bartke [SPD]: In Berlin habt ihr abgebaut!)

Der Rechtsstaat ist mit diesem Gesetz auf einem guten Weg. Wir werden die Wohnungseinbruchkriminalität stark und entschlossen bekämpfen, weil wir wollen, dass die Menschen sich in ihren eigenen vier Wänden sicher fühlen und sicher sind. Deswegen bitte ich um Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Bettina Bähr-Losse [SPD])

Das Wort hat der Kollege Hans-Christian Ströbele für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7125415
Wahlperiode 18
Sitzung 243
Tagesordnungspunkt Änderung des StGB - Wohnungseinbruchdiebstahl
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