Thomas GambkeDIE GRÜNEN - Gleichwertige Lebensverhältnisse in Ost und West
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich muss Sie zu einer intellektuellen Leistung antreiben; denn ich will jetzt das Thema aus einer ganz anderen Sicht, aus der Sicht eines Unternehmers darstellen.
Sie haben ja recht mit der Feststellung, dass die Lebensverhältnisse in Ost und West unterschiedlich sind, und Sie weisen auf die Verpflichtung hin, das anzugleichen, wobei es nicht nur Unterschiede zwischen Ost und West gibt;
(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Richtig!)
vielmehr gibt es auch sehr unterschiedliche Regionen im Westen, auch teilweise im Norden, im Vergleich zum Süden der Bundesrepublik.
Schon allein die Überschrift „Gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Regionen …“, die Sie gewählt haben, zeigt, dass Sie eben nicht alle Regionen in den Blick nehmen, dabei müssten Sie auch die strukturschwachen Gebiete in den anderen Teilen der Bundesrepublik in Ihrem Antrag berücksichtigen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Sie schlagen drei Themen vor: langfristige Förderung strukturschwacher Regionen, arbeitsmarktpolitische Maßnahmen und Angleichung der Renten.
Erstens. Die Angleichung der Renten ist sicher ein wichtiges sozialpolitisches Problem – Ihr sehr konkret vorgetragenes Thema unterstützen wir –, aber das führt nicht zu einer nachhaltigen Änderung oder Angleichung der Lebensverhältnisse. Strukturelle regionale Wirtschaftsprobleme werden dadurch gar nicht adressiert und auch nicht gelöst.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Zweitens. Über Ihre arbeitsmarktpolitischen Regelungen war ich doch einigermaßen erschrocken. Sie fordern 12 Euro Mindestlohn. Der Mindestlohn soll Lohndumping verhindern, aber doch um Gottes willen nicht zu einem regierungsamtlich festgestellten Facharbeitereinheitslohn führen. Das wäre ein Rückfall in alte Zeiten.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Doch, das kennen die! Das haben die 40 Jahre gemacht!)
Drittens. Die Forderung nach Förderung von strukturschwachen Regionen ist richtig, aber die spannende Antwort auf die Frage: „Mit welchen Maßnahmen soll das erfolgen?“, die beantworten Sie nicht. Einen solch untauglichen Antrag können wir nur ganz klar ablehnen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Aber, wie anfangs gesagt, es ist richtig, dafür zu sorgen, dass die Lebensverhältnisse in Deutschland nicht weiter auseinanderdriften. Was kann man tun? Ich will drei sehr konkrete Ansätze nennen – kleine, aber wichtige Punkte –:
Erstens: Bildung. Dafür müssen und können nur die Länder die Verantwortung übernehmen. Eine gute und praxisnahe Ausbildung verlangt heute aber auch – diesen Punkt will ich setzen – nach einer leistungsstarken Informationstechnologie. Mir ist Folgendes aufgefallen: Jede Schule hat einen Hausmeister. Er kümmert sich um das Schneeräumen, um Sauberkeit und Ordnung – alles prima –, in der Regel wird er insbesondere für die Heizung gebraucht. Die moderne Informationstechnik lässt es zu, dass man das heute dezentral macht. Aber: Wenn Sie in den Schulen nachfragen, erfahren Sie, dass die Informationstechnik oft in den Händen eines fast pensionierten, eines relativ alten Lehrers liegt – oder einer Lehrerin –, der oft ehrenamtlich auf Basis einer sehr schwachen Softwarestruktur arbeitet. Oft höre ich die Aussage des Rektors oder der Rektorin: „Um Gottes willen, der darf nicht krank werden und auch nicht in Rente gehen; denn dann fällt meine Infrastruktur im Bereich Informationstechnik zusammen.“ Ich würde mir wünschen, dass dieses Hohe Haus etwas auf den Weg bringt, um die Informationstechnik in den Schulen flächendeckend und vor allen Dingen in den Regionen auf einen besseren Stand zu bringen. Es gibt einige in diesem Bereich leistungsfähige Schulen, aber eben nicht flächendeckend. Das wäre auch eine Maßnahme zur Stärkung der Regionen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Bernhard Daldrup [SPD])
Die zweite konkrete Anregung: Wir könnten etwas im Bereich der Unternehmensgründungen tun. Wir haben in Landshut ein kommunales Technologiezentrum gegründet. Wir haben es geschafft, junge Start-up-Unternehmen aus München und Augsburg zu uns zu holen. Wir Grüne haben vorgeschlagen – leider ist dieses Haus uns nicht gefolgt –, jungen Unternehmern einen Gründungszuschuss von 25 000 Euro zu gewähren. Niedrige Lebenshaltungskosten, stau- und staubfreie Innenstädte werden zunehmend interessant. In Niederbayern sagen mehr junge Familien neuerdings – das haben wir in einer Umfrage herausgefunden –, dass sie nicht nach München, sondern in die Region ziehen wollen. Diese Familien müssen wir unterstützen. Wir können sie unterstützen, indem wir ihnen attraktive Arbeitsplätze in der Region bieten. Darauf müssen wir uns konzentrieren.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Die dritte Anregung betrifft das Thema Digitalisierung. Wir können heute die erheblichen Chancen der Digitalisierung nutzen, zum Beispiel für einen internetgestützten öffentlichen Nahverkehr. Ich habe das Berliner Start-up-Unternehmen Door2Door nach Freyung gebracht. Das werden Sie nicht kennen; das ist eine kleine Gemeinde im Bayerischen Wald. Diese Gemeinde will einen internetgestützten öffentlichen Nahverkehr organisieren, durch den Jugendliche und alte Menschen auf einmal beweglich werden. Bisher waren sie vom öffentlichen Nahverkehr praktisch ausgeschlossen, weil es zu wenige Verbindungen gibt und die Verkehrsmittel nicht vor der Haustür halten.
Eine Unterstützung solcher Maßnahmen hätte ich mir von Ihnen gewünscht. Das alles kann man machen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, vielleicht wissen Sie es: Ich habe 25 Jahre in der Wirtschaft gearbeitet. Dorthin will ich wieder zurück, nach acht sehr spannenden Jahren hier in der Politik. Keine Angst, es folgt keine lange Rede; denn ich bin als Unternehmer doch etwas mehr handlungs- und weniger sendungsorientiert.
(Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der SPD)
Ich will mich an dieser Stelle also nur bedanken, und zwar bei meiner Fraktion für die gute Zusammenarbeit und für die lebendigen Debatten, aber auch bei Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, für manch gute Debatte, dafür, dass in der Regel sehr viel Respekt voreinander und vor der Meinung des anderen herrschte. Außerdem möchte ich mich bedanken bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in meinem Büro und in der Fraktion, aber auch bei den vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Bundestagsverwaltung, die diesen Apparat am Laufen halten. Ich verabschiede mich, wünsche Ihnen alles Gute für die Zukunft und bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Vielen Dank.
(Beifall im ganzen Hause)
Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Gambke. Ich sage auch herzlichen Dank im Namen des ganzen Hauses. Zwei Legislaturperioden lang haben Sie Ihre praktische Erfahrung als Unternehmer eingebracht. Der Mittelstand war bei Ihnen immer im Fokus, ebenso moderne Themen wie die Digitalisierung. Dabei ging es Ihnen immer um die Frage: Wie stellen wir uns auf? Ferner weiß ich, dass Sie eine besondere Affinität zu der Parlamentariergruppe ASEAN haben. Auf Ihren Rat müssen wir jetzt leider verzichten. Ich wünsche Ihnen alles Gute für die Zukunft. Danke schön.
(Beifall)
Wir machen weiter in der Aussprache. Als Nächste hat das Wort die Kollegin Daniela Kolbe für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7125651 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 243 |
Tagesordnungspunkt | Gleichwertige Lebensverhältnisse in Ost und West |