29.06.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 243 / Tagesordnungspunkt 27

Elisabeth Winkelmeier-BeckerCDU/CSU - Freiheitsbeschränkende Maßnahmen gegenüber Kindern

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen, die zu dieser späten Stunde hier noch über wichtige Dinge debattieren; das kann man sicherlich nicht infrage stellen. Wir haben in den Reden bereits gehört, um was es geht: um freiheitsentziehende Maßnahmen durch mechanische Vorrichtungen, aber auch durch Medikamente. Das sind gravierende Eingriffe für die betroffenen Kinder und Jugendlichen. Da gibt es überhaupt kein Vertun.

Nur ist aus meiner Sicht nicht klar, weshalb man es nicht begrüßt, wenn eine zusätzliche Hürde aufgebaut wird, bevor zu solchen Maßnahmen gegriffen werden kann; das ist mir nicht ganz einleuchtend gewesen. Ich finde, genau diese Erwägung, dass solche Maßnahmen nur Ultima Ratio sein dürfen, spricht doch gerade dafür, hier eine neutrale Instanz, nämlich das Gericht, mit ins Spiel zu bringen und solche Maßnahmen von der zusätzlichen Genehmigung des Richters abhängig zu machen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD sowie der Abg. Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das ist bisher nicht der Fall.

Im Unterschied zu den Erwachsenen haben wir bei den Kindern und Jugendlichen dieses Erfordernis nicht. Mir geht es da genauso wie Kollegin Steffen: Ich finde das etwas widersprüchlich. Gerade bei Kindern kann eine solche Maßnahme viel traumatischer wirken und von einem Kind als besonders gravierend empfunden werden. Deshalb müsste man im Wege des Erst-Recht-Schlusses dazu kommen, dass gerade das, was bei Erwachsenen an der Tagesordnung ist, auch bei Kindern gelten muss.

Dass die bisherige Rechtslage das nicht vorsah, hat uns der BGH bestätigt. Er hat aber auch gesagt, dass der Gesetzgeber natürlich befugt ist, das anders zu regeln. Ich glaube, es ist eine gute Entscheidung, das heute zu tun.

Was soll sich jetzt ändern? Wir haben gesagt bekommen – was Herr Wunderlich ansprach, bestätigt das –, dass die Verhältnisse in den Kliniken noch nicht so sind, wie wir uns das alle wünschen. Es gibt vielmehr Berichte, dass dort teilweise aufgrund einer pauschal gegebenen Einwilligung bisher an der einen oder anderen Stelle geradezu leichtfertig mit diesen Befugnissen umgegangen wird. Das wollen wir ändern.

Allerdings haben wir noch nicht einmal Zahlen. Es wird der erste gute Effekt dieses Gesetzes sein, überhaupt einmal Licht in die ganze Situation zu bringen und an belastbare Fakten zu kommen. Ebenfalls verspreche ich mir, dass es auf die Einrichtungen einen gewissen Druck ausübt, wirklich zu schauen: Ist es nötig? Wenn man diesen zusätzlichen Aufwand machen muss und einen Richter kommen lassen muss, dann hat das auf jeden Fall eher disziplinierende Effekte; das ist gut in diesem Zusammenhang.

Was bewirkt das für die Eltern? Die Eltern tragen eine große Verantwortung. Ich glaube, es ist sehr schwer, damit umzugehen, wenn man einwilligen muss, sein Kind in einer schwierigen Situation fixieren zu lassen.

(Katrin Werner [DIE LINKE]: Das darf auch kein Richter!)

Hier entlasten wir die Eltern in ihrer Verantwortung. Es ist kein Generalverdacht, unter den die Eltern gestellt werden in dem Sinne, dass man ihnen das nicht zutraut, sondern es soll ihnen hier ein Stück weit geholfen werden.

Mit Blick auf die Jugendlichen denke ich, dass sich die eine oder andere Maßnahme vermeiden lässt. Es gibt aber noch einen anderen Effekt: Ich glaube, da, wo Maßnahmen nötig sind, ist es für die Jugendlichen beruhigend, zu wissen: Ich bin hier nicht nur von der Einrichtung und meinen Eltern abhängig, sondern es kommt noch jemand, der mit unserem sonstigen Konflikt in der Familie nichts zu tun hat, der ganz objektiv und unabhängig ist, der hierherkommt und für mich ansprechbar ist. Deshalb glaube ich, dass es für die Jugendlichen eine sehr gute Maßnahme ist, die ihnen ein Stück weit Vertrauen in den Rechtsstaat gibt und darin, nicht in einer Einrichtung festzuhängen.

Es ist eine sehr gute gesetzliche Regelung, die wir hier auf den Weg bringen. Die Sachverständigen haben sie in dem erweiterten Berichterstattergespräch durchweg begrüßt. Wir schauen uns das nach einiger Zeit in der Evaluation noch einmal an. Ich denke, das ist in dieser Weise ein gutes Paket. Ich bitte um Zustimmung.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Als nächste Rednerin hat die Kollegin Katja Keul für Bündnis 90/Die Grünen das Wort.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7125752
Wahlperiode 18
Sitzung 243
Tagesordnungspunkt Freiheitsbeschränkende Maßnahmen gegenüber Kindern
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