Dirk FischerCDU/CSU - Emissionsfreie Mobilität, Bahnpolitik, Radverkehr
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Grünen erheben in ihrem Antrag zur Bahnpolitik Vorwürfe, die unberechtigt und teilweise sogar gegen sich selbst gerichtet sind.
Beispiel 1. Die Abschaffung des Interregios mit dem Schwerpunkt in den Jahren 2001 und 2002 fand unter einer rot-grünen Bundesregierung statt, als die Grünen als Juniorpartner der Koalition sogar im Aufsichtsrat der DB AG gesessen haben.
Ich habe seinerzeit als Sprecher der Opposition heftig dagegen protestiert, dass Herr Mehdorn aus einem überwiegend eigenwirtschaftlichen Personenfernverkehr in einen bezuschussten Nahverkehr gewechselt ist. Die Grünen haben nichts dagegen getan. Die Bahngewerkschaft forderte den Interregio zurück – auch mit dem Argument, 300 Reisekilometer in einem Interregio seien unzumutbar. Die Grünen haben der Gewerkschaft die kalte Schulter gezeigt.
Beispiel 2. Die Grünen werfen der Bundesregierung vor, die Elektromobilität auf der Straße mit neuen Steuersubventionen und mit einer Kaufprämie zu päppeln. Der Titel Ihres heutigen Antrags heißt dagegen: „... Mit sauberen Autos Wettbewerbsstärke, Wertschöpfung und Arbeitsplätze in der Automobilwirtschaft erhalten“. Ich frage: Was gilt denn nun?
(Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Sie kennen die Absatzzahlen?)
Beispiel 3. Die Grünen beklagen die geringeren Mautgebühren für Lastkraftwagen und verschweigen, dass der Bund in Brüssel seine EU-binnenmarkterheblichen Mautgebühren genehmigt erhalten muss. Er muss den Kostennachweis führen. Die Zinsen sind gesunken, und deswegen mussten die Mautgebühren gesenkt werden. Sonst hätte es in Brüssel gar keine Genehmigung gegeben.
(Beifall bei der CDU/CSU – Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie hätten die Senkung der Lkw-Maut verhindern können! Das wissen Sie ganz genau! – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie hätten die Umweltkosten anrechnen können! Das haben Sie nicht getan!)
Ich frage: Warum sollte ein Bundesverkehrsminister nach Ihrem Verständnis sonst freiwillig auf Geld für die Infrastruktur verzichten?
Beispiel 4. Die Grünen werfen Bundesverkehrsminister Dobrindt ein Durchwursteln vor,
(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)
ohne seinen Erfolg in Form des deutlichen Investitionshochlaufs für die Infrastruktur anzuerkennen. Das Gegenteil ist also richtig, und ich könnte dafür noch eine Fülle weiterer Beispiele nennen.
Die Grünen erheben in ihrem Antrag zudem Forderungen, die entweder bereits umgesetzt sind oder sich auf gutem Wege befinden. Das ist teilweise verzeihlich, weil Ihr Antrag zur Bahnpolitik vom 22. November 2016 stammt und der Masterplan Schienengüterverkehr vom 23. Juni 2017.
Es ist erfreulich, dass wir lesen können, dass wir auch viele Ziele gemeinsam vertreten und unterstützen.
(Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das muss ja kein Schaden sein!)
Daraus folgt gleichwohl, dass es nicht nötig ist, heute Ihren Antrag zu beschließen;
(Beifall bei der CDU/CSU – Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch! Weil Sie sonst nichts machen!)
denn mit dem Masterplan Schienengüterverkehr ist wirklich ein großer Wurf gelungen, der es sogar in die Tagesschau zur besten Sendezeit geschafft hat.
(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Leider nur Ankündigungen! – Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dick im Kalender anstreichen! – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist in der Großen Koalition schon ein Erfolg!)
Vertreter von Bahnverbänden und der Logistik, beispielsweise der Allianz für Schiene, des BDI, der DB AG, des VDV, des Deutschen Verkehrsforums etc., und Bahnexperten aus der Wissenschaft und der Digitalwirtschaft haben sich unter der Leitung von Staatssekretär Odenwald mit dem Bundesverkehrsministerium auf einen umfangreichen Maßnahmenkatalog geeinigt, der die Stärkung des Schienengüterverkehrs zum Ziel hat. Damit ist auch die von den Grünen geforderte Reformkommission bereits erledigt.
Es geht jetzt darum, die vereinbarten Sofortmaßnahmen möglichst rasch umzusetzen: Ertüchtigung des Schienennetzes für 740-Meter-Züge, Neu- und Ausbau der Hauptknoten im Schienennetz, Reduzierung von Anlagen- und Trassenpreisen, Bereitstellung von Bundesmitteln für die Digitalisierung des Netzes und von Schienenfahrzeugen.
Prognosen gehen davon aus, dass die Verkehrsleistung der Gütertransporte auf der Schiene bis 2030 um 43 Prozent wachsen wird, und ich denke, die Regierungskoalition hat in dieser Legislaturperiode das einzig Richtige getan: Sie hat den Erhalt, die Modernisierung und den Ausbau der bundeseigenen Schieneninfrastruktur für die kommenden Jahre auf eine verlässliche Finanzierungsgrundlage gestellt – genau so, wie es im Koalitionsvertrag steht.
Wir haben dabei die Ziele der Bahnreform nie außer Acht gelassen, im Gegensatz – das muss ich einmal sagen – zur Opposition, die mit ihren Anträgen immer wieder das Aktiengesetz verletzen oder Maßnahmen ergreifen wollten, die den Bundeshaushalt in einem unrealistischen Maße strapaziert hätten oder die nicht zum grundgesetzlich verankerten Aufgabengebiet des Bundes gehören. Deswegen mussten wir sie ablehnen.
Wir können mit Fug und Recht behaupten, dass die Schiene durch den neuen Bundesverkehrswegeplan eine erhebliche Aufwertung erfahren hat. Allein die Mittel für die Schiene liegen bis 2030 bei 112,3 Milliarden Euro. Das sind 41,6 Prozent der Gesamtmittel von 270 Milliarden Euro. Im Vergleich zu den 72,3 Milliarden Euro des Bundesverkehrswegeplans von 2003 der seinerzeitigen rot-grünen Bundesregierung ist das eine Steigerung um 40 Milliarden Euro.
Mit dem neuen Bundesschienenwegeausbaugesetz werden die Hauptachsen und Knoten deutlich gestärkt, da 87 Prozent der Mittel in großräumig bedeutsame Projekte fließen werden. 800 Kilometer Engpässe auf Schienen können in den nächsten Jahren beseitigt werden. Die Elektrifizierung wird deutlich vorangetrieben. Wir haben den Bundesverkehrswegeplan erstmals am Ziel eines Deutschland-Taktes
(Beifall des Abg. Sören Bartol [SPD])
mit bundesweit aufeinander abgestimmten Anschlüssen sowie leistungsfähigen Güterverkehrstrassen ausgerichtet. 3,3 Milliarden Euro sind allein für den Ausbau von Schienenknoten und für den Deutschland-Takt vorgesehen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Die Bundesregierung hat mit Unterstützung der Koalitionsfraktionen mehrere Förder- und Bundesprogramme verstetigt und teilweise die Bundesmittel dafür deutlich aufgestockt. Beispiele: Es gibt weiterhin 333 Millionen Euro für das restliche, beim Bund verbliebene GVFG-Programm für große Nahverkehrsprojekte. Für die Förderung des Neu- und Ausbaus bzw. der Reaktivierung von privaten Gleisanschlüssen gibt es weiterhin 14 Millionen Euro jährlich. In die Förderung des kombinierten Verkehrs fließen jährlich knapp 93 Millionen und in die Förderung der Schienenwege nicht bundeseigener Eisenbahnen, die Teil des Güterverkehrsnetzes sind, jährlich 25 Millionen Euro.
Wir haben die Regionalisierungsmittel des Bundes für Investitionen und Bestellungen von subventionierten Nahverkehrsleistungen in 2016 auf 8,2 Milliarden Euro erhöht. Die Länder erhalten bis 2031 aus Bundesmitteln insgesamt mehr als 150 Milliarden Euro für ein bedarfsgerechtes Angebot im Schienenpersonennahverkehr. Weiterhin erwähne ich die Lärmsanierung an Schienenwegen und die Förderung leiser Güterwagen, das Modernisierungsprogramm für kleine Bahnhöfe, Seehafen-Hinterland-Programme und, und, und.
Wir haben in dieser Legislaturperiode umfangreiche Haushaltsmittel zur Verfügung gestellt, um Neu- und Ausbauprojekte zu ermöglichen: in diesem Jahr 5 Milliarden Euro. Das sind 40 Prozent der Gesamtinvestitionen des Bundes in die deutsche Verkehrsinfrastruktur. Ich verweise auf den Abschluss der zweiten Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung. Damit werden Erhalt und Sanierung der bundeseigenen Schienenwege gesichert. Der Bund wird bis 2019 rund 20 Milliarden Euro für Ersatzinvestitionen in das Bestandsnetz bereitstellen. Nehme ich noch die Eigenmittel der DB AG hinzu, so wird bis 2019 die Rekordsumme von 28 Milliarden Euro in das Schienennetz gehen. Das sind Zahlen, die nach meiner Auffassung klar für sich sprechen. Liebe Kollegen und Freunde von den Grünen, Sie als rot-grüne Bundesregierung haben das seinerzeit nicht zustande gebracht; das muss ich feststellen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Sehr geehrte Frau Präsidentin, gestatten Sie mir in meiner letzten Rede vor dem Deutschen Bundestag einige persönliche Bemerkungen. Mit meinem heutigen Beitrag zur Bahnpolitik schließt sich für mich ein Kreis. Am 26. November 1981 erteilte mir der Vizepräsident des Deutschen Bundestages Georg Leber, den wir alle immer nur „Schorsch“ nannten, das Wort zu meiner ersten Rede im Deutschen Bundestag.
(Sören Bartol [SPD]: Wahnsinn!)
Auch dies ist symbolhaft; denn Schorsch Leber war sowohl unter Bundeskanzler Kiesinger als auch unter Bundeskanzler Willy Brandt von 1966 bis 1972 Bundesverkehrsminister. Wir erinnern uns an den sogenannten Leber-Plan, der die Verlagerung von Massengütern von der Straße auf die Bahn vorsah.
(Sabine Leidig [DIE LINKE]: Hat nicht geklappt!)
Ich darf wohl feststellen, dass dieses Thema seit 1966 – bis heute – immer noch nicht vollständig erledigt ist.
(Heiterkeit bei der SPD – Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt!)
Es gibt etwas noch Schöneres. Denn Schorsch Leber sagte 1966 auch: Kein Deutscher soll mehr als 20 Kilometer von einer Autobahnauffahrt entfernt leben müssen. – Ich glaube, auch das haben wir noch nicht geschafft.
(Sören Bartol [SPD]: Das wollen wir auch nicht mehr! – Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gut so!)
Meine erste Rede habe ich damals zu einer Großen Anfrage der CDU/CSU-Fraktion – in der Opposition – mit dem Titel „Deutsche Bundesbahn“ gehalten. Das war verbunden mit der zweiten und dritten Lesung eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Bundesbahngesetzes. Das war in Wahrheit die Bahnreform des Bundesverkehrsministers Volker Hauff, in deren Folge dann Reiner Gohlke Bahnchef wurde und Herrn Vaerst ablöste. Ich muss feststellen: Das war nicht die letzte Bahnreform.
(Sören Bartol [SPD]: Und du warst immer dabei!)
Wir haben 1993 die noch heute bestehende große Bahnreform beschlossen und aus einer Behördenbahn eine Aktiengesellschaft gemacht. In meiner Rede heute durfte ich mich wieder mit dem Thema Bahn auseinandersetzen, und ich darf feststellen, dass bei mir die Bahn also parlamentarisch im Kreis gefahren ist.
(Heiterkeit bei der SPD)
Nach 48 Jahren im Parlament, davon 37 Jahre im Deutschen Bundestag, habe ich mich stets und insbesondere mit der Verkehrspolitik – zu Land, zu Wasser und in der Luft – befasst und mich mit den jeweiligen Verkehrsträgern und ihrer Vielfalt von Verbänden und Unternehmen, auch mit den Interessen der Länder und Kommunen auseinandergesetzt.
Wir haben jetzt sicher nicht genug Zeit, um Bilanz zu ziehen.
(Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schade eigentlich!)
Ich glaube aber, doch einige gute Werkstücke der Politik erzeugt oder miterzeugt zu haben, die für Land und Leute gut gewesen sind.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich will aber einschränkend sagen: Niemand ist allein erfolgreich, sondern nur gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen verschiedener Fraktionen, in wechselnden Koalitionen, mal in der Regierung und mal in der Opposition, und dabei unterstützt von hervorragenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Bundesministerium, in der eigenen Fraktion, denen hier auch ein großes Wort des Dankes gilt. Aus dieser Arbeit ist auch fraktionsübergreifend eine große Zahl vieler verlässlicher menschlicher Beziehungen und Freundschaften entstanden. Und dafür sage ich einfach: Herzlichen Dank.
(Beifall im ganzen Hause – Dr. Ralf Brauksiepe [CDU/CSU]: Jetzt sag noch etwas zum Fußball!)
Aber ich bekenne auch ausdrücklich, dass ich jetzt nach diesen vielen Parlamentsjahren unverändert als begeistertes Mitglied unserer parlamentarischen Demokratie, die nach Winston Churchill „von allen schlechten Staatsformen immer noch die allerbeste“ ist, ausscheide. Deswegen wünsche ich unserem Land und unserem Parlament, dem Deutschen Bundestag, eine gute Zukunft.
(Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall bei der LINKEN – Die Fraktionen der CDU/CSU, der SPD sowie Abgeordnete des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN erheben sich von ihren Plätzen)
Lieber Dirk Fischer, Sie sehen, das ganze Haus bedankt sich bei Ihnen. Sie haben diesem Haus 37 Jahre als streitbarer Hanseat – ich komme aus dem Süden; das war für mich erst einmal etwas Neues – ein Gesicht gegeben.
Wenn man Herrn Fischer wirklich leidenschaftlich erleben will, dann muss man auf den Fußballplatz gehen. Auch dafür danke ich Ihnen: für Ihre streitbare, leidenschaftliche Arbeit beim DFB, beim Norddeutschen Fußball-Verband und beim Hamburger Fußball-Verband. Ich weiß nicht, ob Sie Sankt Paulianer oder HSVler sind.
(Zurufe: Oh! – Dirk Fischer [Hamburg] [CDU/CSU]: HSV und Union Berlin!)
– Okay. Wenn Sie HSVler sind, dann treffen wir uns zusammen mit Herrn Bosbach – mit ihm bin ich schon verabredet –, wenn der HSV gegen Augsburg spielt. Aber wir können auch mal zu Sankt Pauli gehen.
(Dr. Ralf Brauksiepe [CDU/CSU]: Er ist Rekordspieler beim FC Bundestag!)
Wir wünschen Ihnen, dem streitbaren und leidenschaftlichen Kollegen Dirk Fischer alles, alles Gute.
(Beifall – Dirk Fischer [Hamburg] [CDU/CSU]: Herzlichen Dank!)
Nächster Redner: Herbert Behrens für die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7125871 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 244 |
Tagesordnungspunkt | Emissionsfreie Mobilität, Bahnpolitik, Radverkehr |