30.06.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 244 / Tagesordnungspunkt 29

Birgit Malecha-NissenSPD - Emissionsfreie Mobilität, Bahnpolitik, Radverkehr

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Storjohann hat gerade über den Radverkehr gesprochen. Wenn ich gewusst hätte, dass er dazu spricht, und zwar vor mir, dann hätte ich mich vielleicht doch entschieden, beim Thema „Emissionsfreie Mobilität“ wieder über die Schifffahrt und über saubere Häfen zu sprechen.

Ich bin der festen Überzeugung: Die beste Energie ist immer die, die nicht verbraucht wird. – Deswegen beginne ich mit einer Frage: Was haben Vulkane mit der Erfindung des Fahrrads zu tun? Für mich als Geologin – ich habe mehr als 20 Jahre über Vulkane geforscht – ist das eine spannende Frage.

Vor 200 Jahren bewirkte der Ausbruch des Vulkans Tambora in Indonesien eine kurzfristige weltweite Klimaveränderung. Das war das Jahr ohne Sommer, und das hatte schreckliche Hungersnöte zur Folge. Es gab viele Opfer. Unter anderem kam es zum massenhaften Sterben des damals wichtigen Transport- und Verkehrsmittels, des Pferdes. Aus dieser Not heraus erfand Karl Drais die Draisine, das Vorläufermodell des heutigen Fahrrads.

Bis in die 60er-Jahre des letzten Jahrhunderts war das Fahrrad das Verkehrs- und Transportmittel der kleinen Leute: der Industriearbeiter und der Landarbeiter. Es wurde dann durch die sich rasant entwickelnden Automobile für jedermann – auch preislich für jedermann erschwinglich – überholt und abgelöst. Deutschland wurde Autoland.

Das Fahrrad hat in den letzten Jahren einen hohen Freizeitwert erlangt, den Herr Storjohann erwähnt hat, sowie einen Wert für die Gesundheit. Daneben hat es eine Renaissance als umweltfreundliches Verkehrsmittel erlebt. Das Fahrrad als Teil der Elektromobilität und als „Zukunft auf zwei Rädern“ ist das Symbol für eine emissionsfreie Mobilität geworden.

(Beifall der Abg. Sabine Leidig [DIE LINKE])

Das entspricht auch dem Lebensgefühl vieler Menschen.

Es ist erneut der Klimawandel – diesmal aber nicht durch einen Vulkan ausgelöst, sondern von uns selber gemacht –, der von uns klar fordert, Mobilität neu zu denken. Wenn wir die Klimaschutzziele erreichen wollen, liebe Kolleginnen und Kollegen, brauchen wir neben der Energiewende dringend eine Verkehrswende, und die Verkehrswende braucht auch das Fahrrad.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Sabine Leidig [DIE LINKE])

„Mobilität neu denken“ heißt: neue Prioritäten setzen und die Verkehrsträger Straße, Schiene und Fahrrad vernetzt denken. Moderne Mobilität braucht eine Neuorientierung der Verkehrspolitik und der Infrastrukturplanung. Die entscheidende Voraussetzung, der große Treiber ist die Digitalisierung. Es gibt für viele Städte wunderbare neue Mobilitätskonzepte – das haben wir bereits gehört; die Stadt Münster zum Beispiel ist eine Vorzeigestadt; Münster ist eine Fahrradstadt –, die man natürlich weiter fördern muss. Man braucht da gar nicht nach Oslo zu schauen. Zum Thema Oslo will ich nur hinzufügen, dass man sicher auch bedenken muss: Wer finanziert die Elektromobilität? Wodurch wird sie finanziert? Womit verdient Norwegen sein Geld?

Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor kurzem habe ich eine Softwarefirma im Wahlkreis besucht, die flexible, effiziente und emissionsarme Mobilitätskonzepte für den ländlichen Raum entwickelt. Da wird einiges von den bekannten Strukturen – die Strecke, die der Bus oder die Bahn fährt – auf den Kopf gestellt. Wir müssen energischer und mutiger werden, um die Mobilität im ländlichen Raum attraktiv zu gestalten. Das ist eine unserer Zukunftsaufgaben.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Katharina Landgraf [CDU/CSU])

Wir müssen den Radverkehr stärker in den Fokus rücken, wenn wir ihn mit dem öffentlichen Nahverkehr vernetzen wollen, und das Fahrrad als Verkehrsmittel betrachten, zum Beispiel für den Weg zur Arbeit. Damit komme ich zum Nationalen Radverkehrsplan, für den der Bund jährlich 3,2 Millionen Euro zur Verfügung stellt. Mit diesem Plan werden Modellprojekte gefördert, zum Beispiel das Fahrradportal. Auch die Kampagne „Mit dem Rad zur Arbeit“ ist dort sehr erfolgreich.

Aber, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, Förderung allein reicht nicht aus. Wir brauchen dringend eine Debatte über die Verteilung von Verkehr im öffentlichen Raum, also zur Nutzerkonkurrenz von Auto, Rad und Fußgängern. In Berlin sind nicht zu viele Fahrräder unterwegs, sondern tatsächlich zu viele Autos.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist der letzte Sitzungstag dieser Legislaturperiode. Ich finde, wir haben in der Großen Koalition sehr viel im Verkehrssektor erreicht. Ich bedanke mich bei allen Kolleginnen und Kollegen aus dem Ausschuss, besonders natürlich bei meiner AG Verkehr. Ich finde, das war eine gute Zeit.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielen Dank, Birgit Malecha-Nissen. Der allerletzte Tag ist es nicht; ich will Sie daran erinnern: Am 5. September ist noch ein Sitzungstag. Das ist dann der letzte Sitzungstag in dieser Legislatur. Ich sage das nur, damit Sie nicht glauben, den hätten wir gecancelt.

Letzter Redner in der Debatte: Dr. Hans-Joachim Schabedoth für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7125881
Wahlperiode 18
Sitzung 244
Tagesordnungspunkt Emissionsfreie Mobilität, Bahnpolitik, Radverkehr
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