30.06.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 244 / Tagesordnungspunkt 31

Arno KlareSPD - Bericht des 5. Untersuchungsausschusses (Abgas)

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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herrn! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt in Deutschland über 500 Messstationen, die Luftschadstoffe messen. 152 haben im letzten Jahr das Limit von 40 Mikrogramm leider gerissen. Insofern haben wir da in der Tat ein Luftschadstoffproblem. Herr Krischer, wenn Sie jetzt aber hingehen und sagen, wir hätten das nicht oder falsch thematisiert, dann bitte ich Sie, zumindest zur Kenntnis zu nehmen, dass es zwischen Epidemiologie und Toxikologie wissenschaftstheoretische Unterschiede gibt.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Sie sollten sich, bitte, einmal damit befassen, was „Prävalenz“ und „Inzidenz“ heißt. Das sind klassische Begriffe der Epidemiologie. Von daher reden wir nicht über Kausalitäten, sondern über Korrelationen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Und genau das steht in dem Bericht. Sie nehmen das nicht zur Kenntnis. Ich werfe Ihnen vor, dass Sie das aus Unkenntnis der Sache heraus skandalisieren. Oder es ist so, dass Sie es selber besser wissen. Dann heißt das, was Sie da tun, „Demagogie“.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie die Erklärung der Gesundheitsorganisation gelesen?)

Das haben Sie gerade schon einmal bei einem anderen Tagesordnungspunkt bewiesen. Da habe ich Sie darauf hingewiesen, dass es einen Unterschied zwischen THG-Neutralität und Schadstofffreiheit der Fahrzeuge gibt. Das war – wohlgemerkt – ein ähnlicher Lapsus.

Meine Damen und Herren, wir haben 5,9 Millionen Euro‑5-Dieselfahrzeuge auf der Straße. Und wir haben 6,3 Millionen weitere Altfahrzeuge, die in die Klassen Euro 1 und Euro 4 eingestuft sind. Des Weiteren gibt es noch 1,3 Millionen Euro‑6-Fahrzeuge, also eine ganze Menge. Wir müssen diesen Menschen etwas anbieten, damit ihre Fahrzeuge – vor allen Dingen die Euro‑5-Fahrzeuge – sauber werden können.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da kommen Sie nach zwei Jahren drauf!)

Ich darf das Präsentationsobjekt leider nicht hier vorne aufstellen. Bei Kirsten Lühmann steht so ein Gerät. Das Ding heißt BNOx.

(Abg. Ulli Nissen [SPD] hält ein Gerät hoch)

Es ist von einer deutschen Firma gebaut worden. Dabei handelt es sich nicht um ein „Rocket Science“. Dieses Gerät wird mit einem SCR-Katalysator zusammengeschaltet. Bei NO x erzielt es Reinigungswerte von 97 Prozent. Damit ist ein Euro‑5-Fahrzeug auf Euro‑6-Qualität – und sogar noch auf eine bessere Qualität – umrüstbar.

Herr Dr. Kolke, der gerade schon einmal zitierte Gutachter des ADAC aus Landsberg am Lech, hat das getestet. Er gilt in dem gesamten Bereich als „untouchable“. Auch Dr. Axel Friedrich hat das Fahrzeug getestet. Er sagte, das sei das sauberste Fahrzeug, das er je gefahren hat.

(Kirsten Lühmann [SPD]: Hört! Hört!)

Das Ding funktioniert also. Dass das auf meinem Platz steht und nicht auf Ihrem und auch nicht auf dem des Ministers, zeigt, dass Sie sich um die Probleme nicht gekümmert haben. Bei Ihnen ist das ein Abzug bei der B‑Note. Bei Ihnen ist das Parteiversagen und nicht Staatsversagen.

(Beifall bei der SPD – Ulli Nissen [SPD]: Sehr gut, Arno!)

Sie haben sich um das Ganze nicht gekümmert. Sie waren immer nur an demagogischer Sprechweise interessiert. Und sobald Sie hier vorne stehen, habe ich immer das Gefühl, dass in Ihrem Namen nur noch ein „e“ fehlt. Dann wären Sie treffend beschrieben.

(Beifall der Abg. Ulli Nissen [SPD])

Dieses Gerät kostet ungefähr 1 500 Euro, mit Einbau ungefähr 2 000 Euro. Die Frage ist, wer das den Bürgerinnen und Bürgern bezahlt. Die Bürgerinnen und Bürger sollen das nicht selber bezahlen müssen.

(Beifall der Abg. Kirsten Lühmann [SPD])

Denn die haben ihr Euro‑5-Fahrzeug im besten Glauben gekauft, eines der technisch saubersten Fahrzeuge überhaupt erworben zu haben. Insofern geht es darum, dass die Hersteller – Barbara Hendricks hat das bereits vorgeschlagen – dort doch erheblich in die Tasche greifen müssen. Damit sie vielleicht auch einen betriebswirtschaftlichen Anreiz verspüren: Das, was sie dafür bezahlen müssten, ist ein lächerlicher Betrag gegenüber dem, was sie zahlen müssen, wenn sie ihre Wahnsinnsinvestitionen in die Dieseltechnologie abschreiben und durch Bilanzberichtigungen aus den Büchern tilgen müssen.

Insofern bitte ich, darüber nachzudenken, dass die Unternehmen das Gerät einbauen und nachrüsten müssen. Damit sind die Fahrzeuge dann sauber, und damit haben wir dann das Problem für die Bestandsflotte Diesel in der Tat gelöst; denn das Gerät funktioniert.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Michael Donth [CDU/CSU]: Und was kostet das?)

– Ich habe es gerade schon gesagt; Sie haben nicht zugehört, Kollege Donth. Ich habe gerade sogar auch schon gesagt, wer das eventuell bezahlen soll. Das kostet pro Fahrzeug ungefähr 2 000 Euro.

Ich habe noch einen weiteren Punkt anzusprechen: Ich glaube, wir müssen lernen, dass wir falsch messen. Diese von mir gerade schon bestimmten 500 Messstationen, die es in Deutschland gibt, messen das Hintergrundrauschen. Peter Mock, der auch von Ihnen wahrscheinlich nicht anzugreifen ist, hat uns darauf hingewiesen, dass wir ein anderes Messsystem wählen müssen, das es im Kanton Zürich schon seit 1997 gibt. Die Schweizer haben es in diesem Fall wirklich erfunden. In Großbritannien und in anderen Staaten gibt es das auch, und in Kalifornien kommt es jetzt ebenfalls zur Anwendung. Das System heißt Remote Sensing Device.

Das ausgestoßene NO x und die Abgaswerte der Fahrzeuge werden dabei auf der Straße gemessen, und zwar im Abgasstrahl von vorbeifahrenden Fahrzeugen. Der riesige Vorteil ist, dass die Fahrzeuge auch fotografiert werden, sodass man dann die Fahrzeugtypen zuordnen kann.

Auf der Corneliusstraße in Düsseldorf – wenn Andreas Rimkus hier wäre, dann würde er das jetzt sofort bestätigen – hat man das Verfahren angewendet und festgestellt, dass 17 Prozent der NO x -Überschreitungswerte, die dort vorkommen, aus den Bussen resultieren, die von der Rheinbahn dort vorbeigeschickt werden. Sie werden jetzt gezielt entdieselt, und dann hat man eine deutliche Absenkung der Werte erreicht. Das ist ein Beweis.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Oder man baut dort das entsprechende Gerät ein – das kann man übrigens auch in Busse einbauen –, aber das ist ein bisschen größer, sodass ich das nicht hier in den Saal hätte tragen können. Das funktioniert also alles. Das ist sehr wichtig.

Ein Letztes, was ich sagen will – das ist eine persönliche Bemerkung –: Ich bedanke mich sehr bei dem, der den Ausschuss geleitet hat, bei Herbert Behrens.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie der Abg. Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Herbert, ich habe in der ganzen Zeit des Ausschusses immer das Gefühl gehabt, deine Sitzungsleitung war fair, ausgleichend und nicht auf Konfrontation aus. Manchmal hast du mir ein bisschen viel Fragen gestellt, aber das war dann in deiner Rolle als Abgeordneter der Linken.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD – Herbert Behrens [DIE LINKE]: Das ist die Chance gewesen, ja!)

Das war zu ertragen; wir haben es ja überlebt. Das war aus meiner Sicht verdammt gute Arbeit, die da abgeliefert worden ist.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Ulli Nissen [SPD], an Abg. Herbert Behrens [DIE LINKE] gewandt: Danke!)

Meine letzte persönliche Bemerkung – dann wird das von der Zeit her auch eine Punktlandung –: Ich weiß, dass du dem nächsten Deutschen Bundestag nicht mehr angehören wirst, und ich kann persönlich nur sagen: Ich bedauere das.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7125923
Wahlperiode 18
Sitzung 244
Tagesordnungspunkt Bericht des 5. Untersuchungsausschusses (Abgas)
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