Katarina Barley - Vereinbarte Debatte zur Situation in Deutschland
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Thema heute ist die Situation in Deutschland, und ich will mich vor allen Dingen meinem Amt entsprechend auf die Situation der Frauen beziehen.
Eines vorweg: Für die Frauen in diesem Land hat sich in den letzten vier Jahren viel zum Positiven verändert. Das hat viel mit der sehr guten Arbeit von Manuela Schwesig zu tun, der ich für ihren Einsatz an dieser Stelle auch noch einmal ganz herzlich danken möchte.
(Beifall bei der SPD)
Ich will jetzt nicht viel aufzählen, aber was mir ganz besonders am Herzen liegt, ist die Reform des Unterhaltsvorschusses, die ganz vielen, vor allen Dingen weiblichen, Alleinerziehenden und deren Kindern zugutekommt. So viel zum Positiven.
Politik beginnt aber, um den großen Sozialdemokraten Kurt Schumacher zu zitieren, mit dem Betrachten der Wirklichkeit. Da muss ich schon sagen: In den letzten Wochen gab es in einem anderen Punkt den Versuch, ein großes Problem kleinzureden, nämlich die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen. Die ungeschönte Lohnlücke beträgt 21 Prozent. Wer das leugnet, wie zuletzt der CDU-Generalsekretär Peter Tauber, der das als Fake News bezeichnete, zeigt damit, dass er nicht einmal im Ansatz willens ist, dieses Problem ernsthaft anzugehen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das Problem liegt offen zutage. 6 Prozent ist der richtige Wert, wenn man einen Mann und eine Frau auf exakt demselben Arbeitsplatz hat. Dann beträgt die Lohnlücke 6 Prozent. Schon das ist doch nicht nachzuvollziehen. Bei 2 000 Euro Einkommen bekommt man 120 Euro weniger, nur weil man eine Frau ist. Mir soll einmal jemand erklären, warum das richtig sein soll.
(Beifall bei der SPD)
Aber es kommen weitere Faktoren hinzu: Teilzeit als Karrierefalle, die dafür sorgt, dass man bei Beförderungen nicht mehr berücksichtigt wird, und vor allen Dingen die deutlich schlechtere Bezahlung der sogenannten traditionellen Frauenberufe.
Die Lohnlücke, die sich auf insgesamt 21 Prozent summiert, hinterlässt natürlich Spuren bei der Altersversorgung. Dass Frauen trotz Arbeit von Altersarmut bedroht sind, ist eine der größten Ungerechtigkeiten in diesem Land. Das ist keine statistische Lappalie. Das beste Mittel gegen Altersarmut sind gute Löhne; das wissen wir alle. Die SPD wird deshalb weiterhin gegen anhaltenden Widerstand – auch von CDU/CSU – gegen die Lohnungerechtigkeit bei Männern und Frauen kämpfen.
(Beifall bei der SPD)
Gleicher Lohn für gleiche Arbeit bedeutet, das Recht zu haben, zu wissen, was die männlichen Kollegen im Durchschnitt verdienen, und die gleiche Wertschätzung für die geleistete Arbeit zu bekommen. Das betrifft vor allen Dingen die Berufe im Sozial- und Gesundheitswesen, die Erzieherinnen und Erzieher, die Altenpflegerinnen und Altenpfleger, die Hebammen sowie die Krankenpflegerinnen und Krankenpfleger. Ich nenne beide Geschlechter, aber 80 Prozent derjenigen, die diese Berufe ausüben, sind Frauen. Wenn wir schon von Lebensleistung sprechen, Herr Schäuble, dann sollten wir nicht vergessen, dass die in diesen Berufen geleistete Arbeit körperlich schwer ist, oft emotional belastend ist und viel Schichtarbeit erfordert. Die Menschen, die solche Berufe ausüben, haben es verdient, einen anständigen Lohn zu bekommen und dann eine anständige Rente im Alter zu beziehen.
(Beifall bei der SPD)
Wir haben angepackt. Wir haben angefangen bei der Reform der Pflegeberufe. Dass man Schulgeld mitbringen muss, wenn man sich ausbilden lassen will, dass man keine Ausbildungsvergütung bekommt wie im Beruf der Erzieherin, in dem vier von fünf Jahren Ausbildung keine Vergütung gezahlt wird, gäbe es wahrscheinlich in Berufen, die überwiegend von Männern ausgeübt werden, von vornherein nicht.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Viel wäre noch zu sagen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie, zu guter Bildung und insbesondere – das hat Edelgard Bulmahn angemerkt – zur frühkindlichen Bildung.
Aber, Herr Kauder, ich würde gern noch ein Wort zu Ihnen verlieren. Sie haben sich in der letzten Woche in die Reihe der Quotenbefürworter eingereiht. Sie haben doch eben gesagt, dass man auf den letzten Metern vor der Wahl seine Meinung nicht um 180 Grad ändern dürfe. Ich erinnere Sie nur daran, was Sie über meine Vorgängerin gesagt haben, als sie sich für die Quote eingesetzt hat: Die Frau Familienministerin solle nicht so weinerlich sein, sondern solle den Koalitionsvertrag umsetzen; dann sei alles in Ordnung. Nun sind wir am Ende der Legislaturperiode. Schauen wir zurück. Die SPD hat den Koalitionsvertrag umgesetzt, vor allen Dingen wenn es um Frauen und die Quote ging, und zwar gegen Ihren Widerstand. Und CDU/CSU? Sie haben den Koalitionsvertrag gebrochen, vor allen Dingen dort, wo es um die Frauen ging.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Ulli Nissen [SPD]: Pfui!)
Sie haben, als es um Entgelttransparenz ging, den Auskunftsanspruch, der Frauen erst in die Lage versetzt, zu erfahren, wie viel die Männer verdienen, so verwässert, dass er nur für Frauen gilt, die in großen Unternehmen arbeiten.
(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Ihr könnt doch allein nichts beschließen!)
Als es um das Recht auf Rückkehr in Vollzeit nach einer Phase der Teilzeit ging, hat Andrea Nahles eins zu eins die Vereinbarung im Koalitionsvertrag in einen Gesetzentwurf gegossen. Aber Sie haben ihn abgelehnt.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Ulli Nissen [SPD]: Buh!)
Schließlich sah der Koalitionsvertrag eine Solidarrente für diejenigen vor, die lange gearbeitet haben und trotzdem eine kleine Rente beziehen. Das wäre vor allem Frauen zugutegekommen. Von Anfang an haben Sie nicht den geringsten Mut erkennen lassen, dieses Vorhaben tatsächlich umzusetzen. Sie haben dieses Vorhaben am langen Arm verhungern lassen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Wir können festhalten: Wo immer es um die Rechte der Frauen geht, steht die SPD klar auf der Seite der Frauen.
(Beifall bei der SPD)
Die CDU und die CSU fallen, wenn es hart auf hart kommt, den Frauen in den Rücken. Daher hilft es auch nichts, auf den letzten Metern sein Herz für Frauen zu entdecken. Es hilft noch nicht einmal, wenn man selber eine Frau ist, Frau Merkel; denn Frauen sind weder weinerlich noch blöd.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Frauen kennen ihre Rechte, und Frauen wollen ihr Recht. Frauen wollen die Hälfte der Welt, und das ist ganz richtig so. Frauen verdienen mehr, und Deutschland verdient mehr. Wenn alle Frauen ihr Recht am 24. September geltend machen, dann ist mir nicht bang.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD)
Für die CDU/CSU-Fraktion spricht jetzt die Kollegin Gerda Hasselfeldt.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7148486 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 245 |
Tagesordnungspunkt | Vereinbarte Debatte zur Situation in Deutschland |