Carsten SchneiderSPD - Beschlussfassung über die Geschäftsordnung
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit der heutigen Konstituierung nimmt der Deutsche Bundestag zum 19. Mal seine Arbeit auf. Er ist die wichtigste Institution im Parlamentarismus in Deutschland, und er ist zugleich die Herzkammer unserer Demokratie; denn nur wir Abgeordneten sind vom Volk gewählt und damit unmittelbar legitimiert.
In diesem Haus debattieren wir über die besten politischen Lösungen, streiten um die besten Argumente und ringen um Mehrheiten. Alle vier Jahre tun wir das in Wahlkämpfen, dazwischen aber hier. Debatten im Bundestag sind daher das Thermometer für die Lebendigkeit unserer Demokratie. Nur dann, wenn sich die Bürgerinnen und Bürger in unseren Debatten wiederfinden, identifizieren sie sich auch mit unserem Parlament. Wenn aber am Küchentisch zu Hause oder am Stammtisch heftige politische Diskussionen stattfinden, die sich im Bundestag so nicht wiederfinden, dann verlieren wir als Abgeordnete unseren Rückhalt in der Bevölkerung. Selbstkritisch füge ich hinzu: Das war durchaus in den letzten Jahren der Fall und muss sich dringend ändern.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und der Abg. Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Der Bundestag muss wieder zur zentralen Bühne der politischen Auseinandersetzung werden – und nicht Talkshows im Fernsehen oder Einzelinterviews von Journalisten, Frau Bundeskanzlerin.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN)
Ihr Politikstil, Frau Merkel, ist ein Grund dafür, dass wir heute eine rechtspopulistische Partei hier im Bundestag haben.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Lachen bei Abgeordneten der AfD)
Sie haben in diesem Wahlkampf jeden politischen Streit um die besseren Ideen und Konzepte, jede Debatte um die besten Argumente verweigert.
(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Diese Vernebelungsstrategie mag in den vergangenen beiden Wahlkämpfen funktioniert haben.
(Zuruf des Abg. Volker Kauder [CDU/CSU])
Diesmal führte sie aber dazu, dass die politischen Ränder stärker wurden denn je.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, muss der Bundestag wieder lebendiger werden. Er braucht keine Regierung, um zu arbeiten – im Gegenteil: wir halten uns eine Regierung –, aber er braucht Regeln, die wir uns hier mit der gleich zu beschließenden Geschäftsordnung selbst geben werden. Diese Regeln müssen dem Anspruch des Parlaments, die Herzkammer der Demokratie zu sein, gerecht werden und diesen auch abbilden. Dass diese Regeln reformbedürftig sind, ist nicht neu. Daran haben wir bereits in der vergangenen Legislaturperiode gearbeitet und waren uns auch in vielen Punkten einig.
(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was?)
Gleichwohl hat Ihre Fraktion, Frau Bundeskanzlerin, die Union – wenn man denn noch von einer Union sprechen kann –,
(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)
am Ende eine Einigung blockiert.
Doch wir wollen heute nach vorne schauen. Deshalb beantragen wir, dass die Frau Bundeskanzlerin, so sie denn im Bundestag gewählt wird, sich viermal im Jahr einer direkten Befragung im Parlament stellt. Viermal im Jahr ist nicht zu viel.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der AfD und der LINKEN)
Und – eigentlich eine Selbstverständlichkeit –: Wir wollen selbst festlegen, wozu wir die Regierung in der Regierungsbefragung befragen. Meine Damen und Herren, dagegen kann doch niemand sein.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der AfD und der LINKEN)
Ohne die Blockade der Union in der letzten Legislatur hätten wir diese Meilensteine schon längst beschlossen. Ich gebe zu: Wir waren an einen Koalitionsvertrag gebunden. Deswegen, weil die Union das verhindert hat, haben wir das nicht beschließen können.
(Zurufe von Abgeordneten der CDU/CSU: Oh!)
– Selbstkritik gehört dazu.
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Warum habt ihr das bei Gerhard Schröder nicht gemacht?)
Wir haben jetzt allerdings keinen Koalitionsvertrag. Oder haben wir den schon, meine Damen und Herren?
Wir geben uns heute hier eine Geschäftsordnung, in freier Entscheidung, und Sie haben die Möglichkeit, heute frei darüber zu entscheiden. Springen Sie auch!
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Machen wir heute einen Neustart, und geben wir uns Regeln, die das Parlament stärken!
Der Bundestag hat mehr Kompetenzen als die meisten anderen Parlamente in Europa. Deswegen schauen auch viele in Europa auf uns. Bei unseren Kompetenzen sind wir Vorbild. Bei der Art und Weise, wie wir hier debattieren, müssen wir noch besser werden.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der AfD)
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD)
Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Bernd Baumann von der AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7164727 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 1 |
Tagesordnungspunkt | Beschlussfassung über die Geschäftsordnung |