Bärbel KoflerSPD - Bundeswehreinsatz in Darfur (UNAMID)
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Verlängerung des Mandats der AU/VN-Mission UNAMID gibt uns Gelegenheit, hier im Bundestag über eine Region zu sprechen, über die wir leider in den letzten Monaten und Jahren zu wenig gesprochen haben, insbesondere über die Situation der Menschen in dieser Region. Es ist bereits erwähnt worden, dass dieser Konflikt, der seit dem Jahr 2003 unter ganz dramatischen Umständen in fünf Jahren mehr als 300 000 Todesopfer gefordert hat, einmal als die schlimmste humanitäre Katastrophe bezeichnet worden ist.
In den letzten Jahren ist es durchaus gelungen, zu Veränderungsprozessen zu kommen, aber – das möchte ich an dieser Stelle betonen – das war in keiner Weise genug. Die humanitäre Situation und die Menschenrechtslage vor Ort sind nach wie vor bedrückend und katastrophal. Auch das ist ein wichtiger Hinweis und eine Begründung dafür, warum das Mandat fortgesetzt werden sollte.
Wir müssen genau hinschauen, wie die vier Aufträge des Mandats – der Schutz der Zivilbevölkerung, der wichtige Punkt der Erleichterung der Bereitstellung humanitärer Hilfe und der Schutz der Helfer, die Vermittlung zwischen sudanesischer Regierung und Rebellen, die das Doha-Abkommen von 2011 nicht anerkannt haben, und die Unterstützung von Vermittlungsbemühungen in interkommunalen Konflikten – in den Mittelpunkt unseres alltäglichen politischen Handels im Umgang mit dem Sudan als Ganzes gerückt werden können.
Wenn wir uns die Situation vor Ort ansehen, dann stellen wir nach wie vor schwerste Menschenrechtsverletzungen in Darfur fest. Ich glaube, es ist wichtig, dies festzuhalten; auch das bietet diese Gelegenheit hier. Denn wir reden über Krisen wie die in Darfur leider zu selten. Es kommt zu Menschenrechtsverletzungen und anderen Rechtsverletzungen, Zivilpersonen werden entführt, und massive Gewaltanwendung, insbesondere gegenüber Frauen und Kindern, ist an der Tagesordnung.
Wer sich die Zahlen zur humanitären Lage ansieht – wichtig ist mir dabei: hinter jeder Zahl stecken ein Mensch und ein Schicksal – der weiß, dass mit über 2 Millionen Binnenvertriebenen, die Sorge haben, in ihre Gebiete zurückzukehren, auch die Frage der Sicherheitslage an dieser Stelle nicht gelöst ist. Fast 3 Millionen Menschen in der Region sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. Darunter sind weit über 2 Millionen Kinder unter fünf Jahren, die akut unterernährt sind. Ich glaube, auch das ist etwas, das wir in den Mittelpunkt stellen müssen.
Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, mich dafür auszusprechen, bei den zukünftigen Beratungen zum Thema „Humanitäre Hilfe“, insbesondere bei den haushalterischen Beratungen, nicht nachzulassen und den Haushalt aufzustocken.
(Beifall bei der SPD)
Wir dürfen an dieser Stelle nicht nachlassen. Die Katastrophen sind leider nicht vorbei, der Bedarf ist leider nicht kleiner geworden; die erschreckenden Zahlen aus der Region Darfur zeigen und belegen dies ganz deutlich. Wir müssen im Bereich der humanitären Hilfe mehr Engagement für die Region zeigen.
Das Mandat gibt uns vier wichtige Handlungsfelder vor. Eines ist der Schutz der Zivilbevölkerung. Es ist mithilfe des Mandates einiges gelungen, was die Schutzzonen anbelangt. Ich glaube aber, da gibt es noch großen Bedarf. Die Situation der Binnenvertriebenen, die sie selbst schildern, zeigt, dass die Sicherheitslage bei weitem alles andere als rosig ist.
Es geht hier um politische Verhandlungen. Es ist angesprochen worden, wie intensiv in den letzten Jahren um Frieden und um Abkommen gerungen worden ist. Ich erinnere an das Doha-Abkommen, das leider eben auch daran krankt, dass es nicht von allen Beteiligten anerkannt wird. Ich erinnere auch an die Bemühungen der AU, der Afrikanischen Union, einen Friedensprozess voranzubringen und wiederzubeleben, der im letzten Jahr auf große Probleme gestoßen ist.
Es geht jetzt darum, im Rahmen zukünftiger Aktionen der Bundesregierung Zeichen zu setzen, diesen Versöhnungsprozess voranzubringen, diese Gruppen an einen Tisch zu bekommen und auch den Verfassungsprozess, der im Sudan läuft, unter Einbeziehung aller Beteiligten inklusiv zu gestalten. Hier einen Beitrag mit Beratung, Mediation, Unterstützung und politischen Gesprächen zu leisten, ist, glaube ich, ein ganz wichtiges Moment.
(Beifall bei der SPD)
Es geht auch um das humanitäre Völkerrecht. Teil des Mandates ist der Auftrag, Zugang zu humanitärer Hilfe und den Schutz der Helfer zu gewährleisten. Genau das ist eines der großen Probleme, die ungelöst sind: die Frage des Zugangs mit humanitären Hilfsgütern in die Region. Ich glaube, wir wären gut beraten, einen solchen Zugang in allen Gesprächen mit der sudanesischen Regierung einzufordern. Es ist unsere Aufgabe, für die Sicherheit der Helfer im Sudan zu sorgen, damit die Unterstützer den Menschen Nahrung, Medizin, Notunterkünfte, Wasser, Hygieneartikel usw. zur Verfügung stellen können.
(Beifall bei der SPD)
Es ist also ein zentraler Punkt, die Einhaltung des humanitären Völkerrechts zu gewährleisten.
Es geht auch um die weitere Erhöhung der Mittel für die zivile Krisenprävention. Auch an dieser Stelle müssen alle Möglichkeiten genutzt werden, um Freiräume für die sudanesische Zivilgesellschaft zu eröffnen. Wir alle wissen, wie prekär die Menschenrechtslage der gesamten Bevölkerung im Sudan ist. Es muss darum gehen, Möglichkeiten zu ergreifen, um Freiräume für zivilgesellschaftliches Engagement zu eröffnen.
(Beifall bei der SPD)
Humanitäre Hilfe gerade für diese Region – ich habe es angesprochen – wird in den nächsten Jahren nötiger denn je sein. Wenn wir zu einer Stabilisierung beitragen wollen, wenn wir mehr Frieden und bessere Perspektiven schaffen wollen, ist humanitäre Hilfe die grundlegende Voraussetzung dafür.
Das Mandat wird sich verändern. Es wird weniger Personal entsandt. Das Mandat wird sich aber auch mit Blick auf die Frage verändern, wie die Aufgabe wahrgenommen wird, die Bevölkerung zu schützen. Es geht um die Frage des Peacebuilding – so heißt es auf Englisch –, des Friedensaufbaus, der Schaffung von Stabilität und Strukturen in den Ländern.
Ein Abzug des militärischen Personals darf nicht bedeuten, dass in gleichem Maße ein Abzug der zivilen Kräfte erfolgt.
(Beifall der Abg. Ulli Nissen [SPD])
Im Gegenteil: Zivile Kräfte müssen verstärkt zum Prozess der Friedensbildung und der Stabilisierung beitragen, sie müssen ins Land gebracht und gefördert werden.
Ich möchte einen Punkt deutlich ansprechen: Es geht nicht nur um die Instrumentarien, die wir bereits nutzen und schon in manchen Regionen der Erde erprobt haben. Es geht auch um die Frage, wie wir sich misstrauende Bevölkerungsgruppen zusammenbringen können, wie wir die Gewaltspirale aus Misstrauen auf der einen Seite und Bewaffnung der Bevölkerung auf der anderen Seite durchbrechen können und hier zu einem Ausgleich und einem Versöhnungsprozess kommen können. Hier müssen wir gezielt ansetzen und weiter daran arbeiten.
(Beifall bei der SPD)
All diese Punkte erfordern weit mehr als das, was wir üblicherweise im Zusammenhang mit einem Mandat diskutieren. Sie erfordern in der zivilen Krisenprävention, in der humanitären Hilfe, bei der Unterstützung von Stabilisierungsmaßnahmen im zivilen Bereich in den nächsten Jahren ein großes Engagement. Ich hoffe, wir alle sind dazu bereit und vergessen die Region in Zukunft nicht.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP] und Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Zu seiner ersten Rede im Deutschen Bundestag hat als Nächster Gerold Otten für die Fraktion der AfD das Wort.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7174071 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 2 |
Tagesordnungspunkt | Bundeswehreinsatz in Darfur (UNAMID) |