Frank SchwabeSPD - Bundeswehreinsatz in Südsudan (UNMISS)
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Damen und Herren! Wie wir gerade gehört haben, ist die Lage im Südsudan in der Tat verheerend. 7,5 Millionen Menschen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. Das heißt, 7,5 Millionen Menschen könnten nicht oder nur knapp überleben, wenn sie nicht täglich Nahrung, Wasser, Kleidung und Medikamente bekämen. Deswegen ist es gut – das will ich als Sprecher der sozialdemokratischen Fraktion für Menschenrechte und humanitäre Hilfe sagen –, dass Deutschland dieses Jahr 100 Millionen Euro für humanitäre Hilfe zur Verfügung stellt.
Ich will hier aber auch sagen: Es ist zwar gut, dass wir das tun, aber es ist schlecht, dass international nicht ausreichend geleistet wird. 1,6 Milliarden US-Dollar wären nötig; diese Summe ist international angefordert worden. Bis heute sind aber nicht einmal 70 Prozent dieser Mittel bereitgestellt. Ich kann nicht verstehen, dass Hunderte Milliarden US-Dollar für das Militär ausgegeben werden – im Jahr 2016 waren es fast 1,7 Billionen US-Dollar –
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
und man nicht in der Lage ist, 20 Milliarden oder 30 Milliarden US-Dollar für die humanitäre Hilfe weltweit zur Verfügung zu stellen. Das ist eigentlich ein menschlicher Skandal.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Manchmal ist es aber gut, wenn sich Menschen auch mit Waffen zwischen Menschen stellen, die sich massakrieren wollen und das leider auch tun. Es ist gut, wenn sich Menschen dazwischenstellen, wenn andere Menschen möglicherweise einen Völkermord begehen wollen. Ich kenne eigentlich fast niemanden, der es falsch findet, wenn sich Menschen zwischen andere Menschen stellen, die sich entsprechend behandeln wollen – außer vielleicht die Mitglieder von einer oder zwei Fraktionen hier im Deutschen Bundestag.
Ich will sagen – ich habe gerade extra noch einmal nachgefragt, ob Die Linke wieder gegen diesen Antrag stimmen möchte –: Ich kann das an dieser Stelle überhaupt nicht verstehen. Ich glaube, das ist wirklich Ausdruck von Prinzipienreiterei, die an dieser Stelle einer Fraktion nicht angemessen ist, die sich ansonsten durchaus dadurch auszeichnet, dass sie sich um humanitäre Anliegen kümmern will. Deswegen meine herzliche Bitte, diese Position zu überdenken.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Natürlich ist UNMISS nicht vollkommen, ganz im Gegenteil. Es gab Kritik an UNMISS. Es gibt einiges, was verbessert wurde. Trotzdem ist UNMISS dringend notwendig. Jedenfalls unterstützt die SPD diesen Einsatz voll. Es ist ein durchaus überschaubarer Einsatz – auch das ist gerade gesagt worden –, aber ein wichtiger Einsatz, an dem derzeit 17 Bundeswehrangehörige von höchstens 50 teilnehmen.
Ich will auch für die Sozialdemokratie noch einmal den Soldatinnen und Soldaten Danke sagen, die Schreckliches miterleben müssen, etwa dass 1,1 Millionen Kinder hungern; 300 000 von ihnen sind akut vom Hungertod bedroht. Sie bekommen mit, dass es willkürliche Verhaftungen gibt, Verfolgungen von Journalistinnen und Journalisten, Folter, Mord. Diese Zahl muss man sich einmal vorstellen: 72 Prozent der Frauen, die in Juba in den Flüchtlingslagern sind – 72 Prozent! –, sind vergewaltigt worden. Das ist eine unvorstellbare Zahl. Es ist richtig und wichtig, dass wir alles tun, dass wir alle Möglichkeiten, die wir haben, ausschöpfen, das zukünftig zu verhindern.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Neben den Soldatinnen und Soldaten, den Polizistinnen und Polizisten und den humanitären Helferinnen und Helfern will ich auch denjenigen danken, die sich in der Entwicklungszusammenarbeit dort engagieren, weil ein solcher Konflikt natürlich mehr ist als ein Konflikt – alle, die das betonen, haben recht –, der rein militärisch zu lösen ist.
UNMISS kann diesen Konflikt natürlich nicht lösen. Deswegen ist es wichtig, einen breitgefächerten Ansatz zu haben. Ich will daran erinnern, dass wir Menschenrechtspolitiker am Ende der letzten, der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestages dabei waren, einen gemeinsamen Antrag zu erarbeiten, der diesen umfassenden Ansatz repräsentiert. In unserer Fraktion war es Christoph Strässer, der das Ganze mit koordiniert hat. Leider ist es am Ende, wie ich gehört habe, an den Außenpolitikern der Unionsfraktion gescheitert. Ich will auch in dieser historischen Situation, wo der Bundestag es wirklich leisten kann, das Angebot machen, noch einmal einen solchen Ansatz zu verfolgen, sodass wir uns diesem Thema umfassend widmen. Es gibt jedenfalls den Entwurf eines Antrages, und wir stellen ihn sehr gerne zur Verfügung.
Diese Debatte hat mittlerweile die gute Tradition, sich auf Studien zu beziehen, die die Friedrich-Ebert-Stiftung entwickelt hat. Ich habe das Protokoll der Debatte vom letzten Jahr nachgelesen. Dort haben sich mehrere Rednerinnen und Redner auf diese Studien bezogen. Es gibt eine aktuelle Studie, die in diesem Monat veröffentlicht worden ist. Sie macht uns noch einmal deutlich, wie vielschichtig dieser Konflikt im Südsudan eigentlich ist.
Er wird hier immer nur über die Namen von zwei Personen wahrgenommen: über den Namen des Präsidenten Salva Kiir und den Namen des ehemaligen Vizepräsidenten Riek Machar. Das Ganze ist eben deutlich komplexer, und deswegen sind auch die Lösungsansätze deutlich komplexer. Häufig ist es gerade notwendig, dass die europäischen Staaten sich das noch einmal anschauen und sich die Lage bewusst machen und auch komplexere Lösungsansätze unterstützen, regionale Ansätze, Ansätze, die einzelne Gruppen einbeziehen, und Ansätze, die eben nicht nur auf die Hauptstadt abzielen, sondern sich auch die regionale Situation im Südsudan vergegenwärtigen.
Aber diese Komplexität können wir in der heutigen Debatte nicht umfassend abbilden und diskutieren. Wichtig ist, dass wir als Deutscher Bundestag ein paar zentrale Signale aussenden.
Ein Signal muss sein: Wir brauchen ein umfassendes UN-Waffenembargo. Ein Waffenembargo löst auch nicht alle Probleme, aber es kann doch nicht sein, dass wir mit internationaler Unterstützung diesen Konflikt ständig zusätzlich anheizen. Auch wenn das Embargo im UN-Sicherheitsrat schon gescheitert ist, sind wir alle aufgefordert, ist die internationale Weltgemeinschaft aufgefordert, glaube ich, noch einmal einen Anlauf zu einem solchen UN-Waffenembargo zu unternehmen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das Zweite ist das, was ich gerade deutlich gemacht habe. Es ist alles zu tun, dass die internationale Hilfe im humanitären Bereich auf die geforderten gut 1,6 Milliarden US-Dollar aufgestockt wird.
Das Dritte, was wir machen müssen, ist, die Regierung des Südsudan aufzufordern, humanitäre Hilfe möglich zu machen. Es ist wirklich ein Skandal, dass die Regierung von humanitären Helfern zurzeit 4 000 US-Dollar pro Jahr verlangt, und zwar dafür, dass sie ein Visum oder eine Möglichkeit bekommen, dort zu arbeiten. Es ist völlig absurd: Menschen, die anderen Menschen dort helfen wollen, müssen dafür eine solch horrende Summe bezahlen. Das kann es nicht sein.
Ich glaube, wir müssen auch klarmachen: Wer im Südsudan Völkermord begeht, wer Verbrechen gegen die Menschlichkeit begeht, der muss auch international zur Verantwortung gezogen werden. Es sind viele, die dort so unterwegs sind. Aber die meisten Verbrechen werden durch den Präsidenten und durch die Armee des Präsidenten Salva Kiir verübt.
Als Letztes ist die Entscheidung zu treffen: Wie gehen wir mit UNMISS um? Ich habe es gerade deutlich gemacht: Es gibt Kritik an UNMISS – der muss man sich auch stellen –, aber sie bezog sich nicht darauf, was man gemacht hat, sondern eher darauf, was man nicht gemacht hat, dass man an bestimmten Stellen Menschenrechtsverbrechen hat geschehen lassen, dass man an der Seite stand und nicht eingeschritten ist. Es gibt eine Veränderung in der Kommandostruktur an dieser Stelle, einen anderen Kommandeur, und damit verbundene Verbesserungen; das ist jedenfalls mein und unser Eindruck.
Wenn es die Mission UNMISS zum Schutz der Menschen – nicht allein dazu, aber auch zum Schutz der Menschen dort vor Ort – nicht gäbe, dann müssten wir sie eigentlich jetzt beschließen. Deswegen entspricht es unserer vollen Überzeugung, dass wir einer solchen Verlängerung zustimmen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Nächster Redner ist Gerold Otten für die AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7174092 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 2 |
Tagesordnungspunkt | Bundeswehreinsatz in Südsudan (UNMISS) |