Martin SchulzSPD - Aktuelle Stunde zu Arbeitsplatzverlusten bei Siemens
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor zwei Wochen hat Siemens einen Rekordgewinn bekannt gegeben – in der Liste der Gewinne der Firmengeschichte ganz oben –; zum gleichen Zeitpunkt hat das Unternehmen erklärt, 6 900 Stellen abzubauen – mehr als die Hälfte davon in der Bundesrepublik Deutschland.
Bei Siemens heißt es vonseiten der Konzernleitung, es solle – ich zitiere – „die Auslastung der Werke gesteigert, die Effizienz vorangetrieben und Kompetenzen durch die Bündelung von Ressourcen ausgebaut werden“.
Man könnte auch sagen: Wir schmeißen die Leute raus, das steigert den Gewinn. – Das ist nicht das Verhalten eines verantwortungsbewussten Managements.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Es ist inakzeptabel, meine Damen und Herren, dass ein internationaler Konzern, der jahrzehntelang direkt und indirekt vom deutschen Staat, den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern dieser Republik und, nebenbei bemerkt, auch von denen der Europäischen Union profitiert hat, jetzt seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für krasse Managementfehler bluten lässt. Aber das ist die bittere Realität kurz vor Weihnachten für einen Teil der Belegschaft.
Die Entscheidung dieses Konzerns führt zu Verbitterung. Wir konnten das gerade hier vor den Toren des Reichstags erleben. Es führt zu Verbitterung, weil die Entscheidung unverantwortlich ist. Sie ist unverantwortlich, weil – ich sagte es bereits – in diesem Jahr der Konzern nicht Not leidet, sondern Rekordgewinne macht. Die Entscheidung ist unverantwortlich, weil sie ohne jede Rücksichtnahme auf das Leben der Beschäftigten und ihrer Familie getroffen worden ist. Und nicht zuletzt ist sie unverantwortlich, weil dies zu schweren Schlägen gegen die Wirtschaft in Regionen unseres Landes führt, die Stabilität brauchen und nicht Verantwortungslosigkeit von Arbeitgebern.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN)
Was Siemens hier macht, meine Damen und Herren, gefährdet den Wirtschaftsstandort Deutschland; denn die Stärke der deutschen Wirtschaft besteht im gegenseitigen Vertrauen. Aber was der Vorstand von Siemens mit den Belegschaften macht, ist Zerschlagung von Vertrauen. Vertrauen zwischen den Belegschaften und dem Firmenmanagement ist in Krisenzeiten ein hohes Gut. Gerade, wenn wir an das Unternehmen denken, erinnern wir uns: Siemens hatte Krisen und konnte sich in seinen Krisen vor allen Dingen auf die verantwortungsbewusste Haltung der Belegschaften verlassen. Jetzt, bei diesen Milliardengewinnen, so mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern umzugehen, schadet dem Wirtschaftsstandort Deutschland.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Dieser Vertrauensbruch wiegt umso schwerer, weil sich damit ein wichtiger Arbeitgeber vor allen Dingen aus dem Osten unseres Landes zurückzieht, aus Regionen, die den Rückzug von Siemens eben nicht leicht auffangen können. Gerade in Ostdeutschland dürfen wir nicht Werke schließen, sondern müssen Perspektiven bieten. Man darf auch daran erinnern: Auch hier ist Steuergeld geflossen; bei den Betriebsansiedlungen im Osten haben diejenigen, die dort ihre Firmen eröffneten, staatliche Förderungen bekommen. Umso schlimmer, wenn es jetzt trotz der guten wirtschaftlichen Lage dazu kommt, dass dort Menschen und ganze Regionen gefährdet werden.
Es geht darum, meine Damen und Herren, Verantwortung zu übernehmen. Gerade ein Unternehmen wie Siemens, das seit 170 Jahren für Innovationen, für Qualität und für erfolgreiches Wirtschaften steht, sollte in der Lage sein, weit voraus zu planen und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Perspektiven zu bieten.
Ich komme noch einmal zu den Managementfehlern. Wenn sich bestimmte Betriebssparten kompliziert entwickeln, man aber in anderen Betriebssparten zugleich Riesengewinne erzielt, dann kann man sie doch nutzen, um die Schwierigkeiten abzufangen. Nein, stattdessen wird zu einem alten Mittel gegriffen, das kapitalistische Unternehmen immer haben: Wenn es hart wird, muss am Ende die Belegschaft bluten. Das, meine Damen und Herren, ist völlig inakzeptabel,
(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
insbesondere bei einem Firmenvorstand, der bisher jedenfalls immer stolz darauf war, dass er sich an die Vereinbarungen mit den Betriebsräten halten wollte, über langfristige und innovative Alternativen auch mit den Betriebsräten, mit den Belegschaften nachdenken wollte. Das ist sichtlich nicht geschehen.
Meine Damen und Herren, wir, die Fraktion und die Partei insgesamt, auch unsere zuständigen Ministerinnen und Minister, vor allen Dingen Brigitte Zypries und Katarina Barley, bei denen ich mich bedanken will, sind auch in einer Situation, in der die Regierungsbildung nicht abgeschlossen ist, in der Verantwortung für die Stabilität unseres Landes.
(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich möchte den beiden genannten Mitgliedern der geschäftsführenden Regierung dafür danken, dass sie an der Seite der Belegschaften von Siemens stehen. – Wenn Sie das amüsiert, sagt das mehr über Sie aus als alles andere.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Zu seiner ersten Rede hat Herr Tino Chrupalla für die AfD-Fraktion das Wort.
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Nein!)
– Entschuldigung!
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Heute ist das Präsidium nicht präsent!)
– Kollege Kauder!
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Vom Ersten bis zu Ihnen!)
– Gut, es beruhigt mich, dass ich in einer gewissen Kontinuität unterwegs bin. Wir werden besser, Kollege Kauder, und Sie unterstützen uns wie alle anderen Fraktionsvorsitzenden und Parlamentarischen Geschäftsführer dabei.
Dann hat erst einmal Dr. Joachim Pfeiffer für die CDU/CSU-Fraktion das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Auf den könnten wir auch gern verzichten!)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7174108 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 2 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde zu Arbeitsplatzverlusten bei Siemens |