Carsten SchneiderSPD - Irland: Vorzeitige Kreditrückzahlungen
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Minister Altmaier hat gerade die Argumente des Finanzministeriums für die Zustimmung des Bundestages zur vorzeitigen Rückzahlung von Darlehen, die Irland beim IWF und bei zwei weiteren Ländern aufgenommen hat, vorgetragen. Diese vorzeitige Rückzahlung stellt für uns hier im Bundestag und für die Vertreter der Bundesregierung, die wir auch Gläubiger Irlands sind, da wir in den Jahren 2010 bis 2013 über den EFSF ein Milliardendarlehen zur Verfügung gestellt haben, eine Verschlechterung unserer Position als Kreditgeber dar. Man muss sich sehr genau überlegen, ob der Bundestag dieser Verschlechterung zustimmt, angesichts der Situation, dass Irland in Kontinuität – es ist die dritte große Debatte, die wir zum Thema „Irland und Hilfspaket“ führen – in einem ungeheuren Ausmaß auf Steuereinnahmen von internationalen Großkonzernen verzichtet.
Für die SPD-Fraktion ist überhaupt nicht nachvollziehbar und auch nicht akzeptabel, dass Irland von einem Großkonzern wie Apple – ein öffentlicher Fall – über 13 Milliarden Euro an Steuern nicht eingezogen hat und entsprechende Absprachen getroffen hat, sodass dieser Konzern quasi steuerfrei Gewinne machen konnte, was in Irland auch noch legal ist. Das ist für uns nicht akzeptabel. Deswegen werden wir diesem Antrag nicht zustimmen.
(Beifall bei der SPD, der AfD und der LINKEN)
Bei anderen Ländern wie Portugal haben wir zugestimmt. Es ist aber immer eine individuelle Entscheidung, die wir hier treffen. Es ist kein Automatismus, dass der Bundestag zustimmt. Das hat auch etwas mit dem politischen Hintergrund zu tun.
Ich habe 2010 in der Debatte zum ersten Antrag Irlands gesagt, dass neben den Sparmaßnahmen in Irland, die in extremem Maße umgesetzt wurden, auch die Steuereinnahmeseite zentral ist. Der Unternehmensteuersatz liegt in Irland bei 12,5 Prozent; in Deutschland liegt er bei 30 Prozent, je nachdem, wie hoch die Gewerbesteuer ist. Dieses Steuerdumping ist ein Problem für den Zusammenhalt der Europäischen Union, wenn wir mehr Integration wollen. Der nächste Bundestag muss auf die Vorschläge von Emmanuel Macron, die progressiv nach vorne gehen, um Europa zu stärken, eine Antwort geben. Diese stärkere finanzielle Zusammenarbeit beinhaltet neben Transfers vor allen Dingen eine faire Steuerpolitik. Deswegen ist für uns seit Beginn dieser Legislaturperiode eine faire Steuerpolitik aller Staaten zentral und Voraussetzung für eine progressive Europapolitik.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das eine darf man ja machen, aber das andere darf man nicht lassen!)
Es geht hier um Innenpolitik. Man muss sich mit anderen Ländern auch streiten können. Europapolitik ist jetzt zum Teil Innenpolitik. Es geht dort auch zwischen den Parteifarben hin und her. Wenn ein sehr liberal geprägtes Land wie Irland – die Liberalen regieren dort zum großen Teil – auf Steuereinnahmen verzichten will und im Rahmen des von der Europäischen Kommission eröffneten Beihilfeverfahrens dagegen klagt, diese 13 Milliarden Euro einzutreiben, ist für uns als Sozialdemokraten das Ende der Solidarität erreicht. Aus diesem Grund stimmen wir heute nicht zu.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Martin Hebner [AfD])
Es ist auch niemandem zu erklären, dass nicht einmal der Körperschaftsteuersatz von 12,5 Prozent als Grundlage genommen wird. Nein, im Falle Apple gab es Absprachen, die dazu geführt haben, dass der Steuersatz quasi gegen null geht. Aufgrund dieser Politik des gegenseitigen Aussaugens von Nationalstaaten, die dazu führt, dass der Souverän, das Volk, nicht mehr über Steuerpolitik entscheiden kann, weil der Bundestag letztendlich nicht mehr in der Lage ist, autonom zu entscheiden, muss man die Steuerpolitik auf europäischer Ebene stärken. Wir wollen hier eine europäische und keine nationalistische Antwort geben. Das ist ein ganz zentraler Unterschied.
(Beifall bei der SPD)
Das muss in einer solchen Debatte klar sein, als Grundlage für die Zukunft.
Es gibt ja nicht nur den irischen Fall. Wir haben in den letzten zwei Wochen den Fall „Paradise Papers“ erlebt; davor gab es die Diskussion um die „Panama Papers“. Journalisten haben durch intensive Recherchearbeit aufgedeckt, wie Beraterkonzerne, Banken und Staaten gemeinsam es Superreichen und großen Konzernen ermöglichten, ihre Steuerlast auf null zu reduzieren. Das ist in einer Demokratie schädlich. Es ist Gift, weil es dazu führt, dass nur noch diejenigen Steuern zahlen, die nicht fliehen können und die sich keine superteuren Berater leisten können. Deswegen sind wir Sozialdemokraten so hinterher, dass Steuergerechtigkeit gilt und es in Europa Konsens wird, dass Steuerdumping kein Geschäftsprinzip einer sozialen, fortschrittlichen Europäischen Union ist.
(Beifall bei der SPD)
Zu Irland kann man sagen – ich habe das schon 2010 hier in meiner Rede gesagt; mein Kollege Johannes Kahrs hat das 2014 gesagt –, dass wir die Steuersätze, die auf dem Papier stehen, auch in der Realität umgesetzt sehen wollen. Irland hat dieses Stoppschild zweimal überfahren. Dann kann man nicht erwarten, dass Sozialdemokraten bedingungslos weiter zustimmen.
(Beifall bei der SPD)
Aus diesem Grund: ein klares Nein und ein Handlungsauftrag an den amtierenden Finanzminister.
Wir haben einen Entschließungsantrag vorgelegt, der Folgendes vorsieht: Solange das Land Irland immer noch gegen den Bescheid der Kommission klagt, soll der Vertreter im EFSF – das ist das Gremium, das die Gelder ausgibt und die Interessen der Nationalstaaten, die Gelder bereitgestellt haben, vertritt – so lange Nein sagen, bis Irland von der Bremse geht und letztendlich dafür sorgt, dass die 13 Milliarden Euro an Steuereinnahmen von Apple tatsächlich erzielt werden. Ich halte das für zwingend notwendig. Es wäre niemandem innerhalb der Europäischen Union zu erklären, wenn wir das durchlaufen ließen.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Martin Hebner [AfD])
Die Debatte zu den Steueroasen innerhalb der Europäischen Union – das ist nicht nur Irland, sondern das sind auch, wie man an den Veröffentlichungen sieht, die Niederlande, Malta und Luxemburg – ist für uns Auftrag, die OECD darin zu bestärken, an dieser Stelle intensiver und schneller vorzugehen. Wir haben als SPD-Fraktion hier vor einem Jahr 20 Punkte gegen Steuerhinterziehung und -betrug vorgelegt. Einige davon sind in den OECD-Maßnahmeplan aufgenommen worden. Wir hätten das gerne schon 2017 im Bundestag beschlossen; die Union war aber dagegen und hat es auf 2018 verschoben. Ich hätte mir gewünscht, dass die Bundeskanzlerin und Finanzminister Wolfgang Schäuble die G‑20-Präsidentschaft, die Deutschland innehatte, genutzt hätten, um dem Thema „Steuerhinterziehung, Steuerbetrug und Steuerunehrlichkeit“ absolute Priorität einzuräumen. Das war leider nicht der Fall. Von daher ist es Auftrag für uns Sozialdemokraten und für den nächsten Bundestag, hier klare Kante zu zeigen und Maßstäbe zu setzen. Aus diesem Grund ist das der erste Punkt, bei dem wir Nein sagen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Für die AfD-Fraktion hat nun Dr. Harald Weyel das Wort. Es ist seine erste Rede im Deutschen Bundestag.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7174242 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 2 |
Tagesordnungspunkt | Irland: Vorzeitige Kreditrückzahlungen |