21.11.2017 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 2 / Tagesordnungspunkt 8

Joachim PfeifferCDU/CSU - Erhalt der Stahlstandorte in Deutschland

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Herr Präsident! Kollegen und Kolleginnen! Sehr geehrte Frau Nahles, ich habe mit Interesse Ihre Rede gehört und Ihren Antrag gelesen.

(Zuruf von der SPD: Heuchler!)

– Nein, überhaupt nicht; ganz im Gegenteil. Wie Sie wissen, haben wir noch im letzten Jahr einen gemeinsamen Antrag in diesem Deutschen Bundestag gestellt, mit dem wir die Stahlindustrie in Deutschland und Europa stärken wollten. Dazu bekennen wir uns hoffentlich beide noch. Deshalb habe ich mit Interesse gelesen, wie Sie den Stahlstandort in Deutschland erhalten, Arbeitsplätze und Arbeitnehmerrechte sichern wollen.

(Martin Schulz [SPD]: Das ist richtig so, oder?)

Wir sind uns offensichtlich einig, dass die Stahlindustrie zentrale Bedeutung für den Wirtschaftsstandort hat: Grundstoffindustrie, Wertschöpfungsketten, die damit verbunden sind, 38 Milliarden Euro direkter Umsatz, 90 000 Beschäftigte. Für jeden Euro Wertschöpfung, der im Stahlbereich generiert wird, werden 2 Euro in vorgelagerten Bereichen generiert. Jeder Job in der Stahlindustrie zieht im Zulieferbereich fünf bis sechs weitere Beschäftigte nach sich.

Ohne Stahl gäbe es keine Energiewende, keine Windräder, keinen ICE, und es gäbe auch keine Digitalisierung. Deshalb ist die Wertschöpfungskette von Stahl – insbesondere in den Grundstoffindustrien wie Chemie, Kupfer, Aluminium – von entscheidender Bedeutung für den Standort Deutschland. Darin sind wir uns einig, und das wollen wir alle gemeinsam stärken.

(Martin Schulz [SPD]: Ganz genau!)

Jetzt haben Sie aber nur Teilbereiche herausgegriffen. Ich muss etwas ansprechen – ich komme mit der Aufgabenteilung, wie Sie hier sitzen und wie Sie dort auf der Regierungsbank sitzen, ein bisschen durcheinander –:

(Andrea Nahles [SPD]: Die können wir ganz schnell beenden!)

Wir haben in unserem Antrag im letzten Jahr in 16 Punkten gemeinsam festgehalten, wie wir den Standort stärken wollen. Leider finde ich von diesen 16 Punkten kaum einen bis gar keinen in Ihrem Antrag – weder zur effektiveren Außenhandelspolitik noch zum Eigenstrom, noch zum Emissionshandel, noch zu anderen Dingen. Das Einzige, was erwähnt wird, ist das Thema Carbon Leakage.

Wir sind uns, glaube ich, einig, dass die Überkapazitäten das Hauptproblem im Stahlbereich sind. China allein hat so viele Überkapazitäten, wie wir in Europa, in der NAFTA und in der GUS zusammen verbrauchen. Deshalb war und ist es wichtig, diese Überkapazitäten zu reduzieren. China hat freiwillig zugesagt, sie zu reduzieren, ist dieser Verpflichtung aber noch nicht im notwendigen Umfang nachgekommen.

Deshalb wurde von der Bundeskanzlerin im Rahmen des G‑20‑Prozesses erfolgreich versucht, ein Global Forum on Steel zu etablieren, in dem wir multilateral – zusammen mit den USA, China und Europa – versuchen, dieses Überkapazitätsthema zu adressieren. Der Ball liegt jetzt quasi auf dem Elfmeterpunkt, weil dieses Global Forum on Steel nächste Woche hier in Berlin unter Leitung der Bundeswirtschaftsministerin Zypries, die heute offensichtlich nicht hier sein kann, tagen wird. Dort besteht die Möglichkeit, dieses Thema so zu adressieren, dass marktverzerrende Subventionen, staatliche Unterstützungen und anderes eingedämmt werden.

Ich habe gehofft, Sie sagen etwas dazu. Wir wünschen Frau Zypries, der SPD und uns allen viel Erfolg, dieses Thema entsprechend zu adressieren. Ich hoffe, dass auch Sie dies als den entscheidenden Punkt ansehen. Herrn Schulz zumindest liegt an der Angelegenheit.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ein weiterer Punkt: Wir brauchen bezahlbare Energiepreise. In dem Antrag haben wir uns auch über zig Fragen zum Eigenstrom und Emissionshandel ausgesprochen. Jetzt haben wir Anfang November in Brüssel neue Richtlinien für den Emissionshandel ab 2021 bekommen. Dort geht es unter anderem darum, wofür Zertifikate zur Verfügung gestellt werden, nämlich zum Beispiel für Kuppelgase, die physikalisch im Stahlprozess mitproduziert werden. Frau Hendricks, die ebenfalls nicht hier ist, aber auch Verantwortung trägt und dies verhandelt hat, hat sich nicht dafür eingesetzt, die Kuppelgase im Emissionshandel entsprechend zu berücksichtigen, obwohl wir es in unserem Antrag stehen haben. Und da muss ich Ihnen schon sagen: Das passt irgendwie nicht so richtig zusammen. Weder bei den Überkapazitäten noch beim Emissionshandel, wo wir selber handeln können, sind Sie offensichtlich bereit, das hier so mitzutragen. Ich bedaure das.

Nachdem es auf europäischer Ebene nicht gelungen ist, das zu berücksichtigen, müssen wir es national über eine Strompreisreduktion entsprechend anbringen. Da bin ich einmal auf die Debatten gespannt, die wir diesbezüglich führen. Es würde den Stahlarbeitern an den von Ihnen genannten Standorten und den entsprechenden Wertschöpfungsketten helfen, wenn wir hier weiterkommen können. Insofern, muss ich sagen, ist es eindeutig an Ihnen, hier den Ball zu spielen. Wo Sie hätten helfen können, haben Sie es nicht getan.

(Martin Schulz [SPD]: Na ja!)

– Es ist doch so.

(Martin Schulz [SPD]: Das ist Unsinn!)

– Das ist offensichtlich und objektiv so.

Sie sagen: Die geplante Fusion hier in Europa ist des Teufels. So habe ich Sie zumindest verstanden. Man muss aber sagen, dass wir auch in Europa Überkapazitäten haben. Es ist doch, glaube ich, in der Tat sinnvoller, eine europäische Lösung zu finden, die dieses mit Maß und Verstand adressiert, damit wir diese Wertschöpfungsketten nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa halten können. Den steuerlichen Fragen, die Sie angesprochen haben, muss man sich in der Tat auch politisch widmen. Man kann aber Unternehmen nicht zum Vorwurf machen, dass sie die steuerlichen Möglichkeiten, die der Rechtsstaat ihnen in Deutschland und Europa bietet, auch entsprechend nutzen.

(Martin Schulz [SPD]: Doch! Wenn sie das zur Reduzierung von Rechten nutzen, wohl!)

– Auch Sie wissen, glaube ich, genau: Es werden überhaupt keine Rechte reduziert.

(Martin Schulz [SPD]: Doch! Die Mitbestimmung wird reduziert! Natürlich!)

– Das ist doch objektiv falsch. Das werden wir ja dann sehen. Die Mitbestimmung setzt am Standort an und nicht an der europäischen Rechtsform, Herr Schulz. Das wissen Sie, oder Sie sollten es zumindest wissen. Wir werden in den nächsten Wochen sehen, dass es genau so nicht kommen wird; das wissen Sie doch auch genau.

(Martin Schulz [SPD]: Das stimmt einfach nicht, was Sie erzählen!)

Und jetzt ist die Frage: Wie gehen wir mit dieser Fusion um? Diese Fusion ist sicher nicht unproblematisch, bietet aber, glaube ich, für den Standort Deutschland und Europa mehr Chancen als Risiken.

(Martin Schulz [SPD]: Nein, eben nicht!)

Wir brauchen eine europäische Lösung. Deshalb bin ich der Meinung, wir sollten diesen Prozess konstruktiv begleiten und hier nicht nur einen Teilbereich herausgreifen, der dem Gesamtproblem überhaupt nicht gerecht wird, nämlich den Stahlstandort Deutschland und Europa im Interesse der Wertschöpfungsketten zu sichern. Wir werden das in Zukunft genauso differenziert tun wie bisher. Ich kann nur auf eine übergroße Mehrheit in diesem Hause hoffen, die uns bei diesem Vorhaben in Zukunft unterstützt. Sie haben die Gelegenheit, dieses jetzt zu tun, und zwar nächste Woche beim Global Forum on Steel. Ich hoffe, dass die SPD Frau Zypries unterstützt. Nachdem die SPD uns beim Emissionshandel in Europa nicht unterstützt hat, hoffe ich, dass uns die SPD bei der Strompreisdiskussion, die wir hier im Deutschen Bundestag führen werden, so unterstützt, wie sie es in unserem gemeinsamen Antrag von 2016 zumindest noch getan hat. Da bin ich mal gespannt. Ich hoffe für die Stahlindustrie, dass sich alle auch in Zukunft an ihre Zusagen erinnern.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Zu seiner ersten Rede erteile ich das Wort dem Kollegen Marc Bernhard von der AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7174332
Wahlperiode 19
Sitzung 2
Tagesordnungspunkt Erhalt der Stahlstandorte in Deutschland
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