Karl LauterbachSPD - Personalbemessung in Krankenhäusern
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich das Gemeinsame betonen: Alle Fraktionen, die hier im Haus sitzen – ich schließe wirklich alle ein –, haben ein Interesse daran, dass sich die Situation der Pflege in Deutschland verbessert.
Es gibt zwei große Problemkomplexe: die Krankenpflege und die Altenpflege. In der Krankenpflege ist es in Deutschland so, dass ungefähr eine Krankenpflegekraft auf 10 bis 15 Betten kommt. In den skandinavischen Ländern und in den USA hat man einen Standard von 1 : 3 bis 1 : 5. Das heißt, uns fehlt im Prinzip die Hälfte der Pflegekräfte, die wir bräuchten, wenn wir so pflegen wollten wie in den skandinavischen Ländern oder wie in den USA.
Wir wissen aus Studien, dass eine gute Versorgung durch Pflegekräfte die Sterblichkeit in Krankhäusern beeinflusst. Wir wissen, dass dieser Einfluss sogar größer ist als der Einfluss der Ärzte. Grob gesprochen: Wenn ich gegenüberstelle, wie viel Ärzte in einer Klinik pro Patient zur Verfügung stehen und wie viele Pflegekräfte, dann ist festzustellen: Die Rate der Pflegekräfte hat einen größeren Einfluss auf das Wohlergehen der Patienten. Das hat uns als Ärzte und auch als Wissenschaftler überrascht. Die Pflege ist tatsächlich sehr bedeutsam. Daher ist es wichtig, die Gemeinsamkeiten zu betonen. Uns fehlen in der Krankenpflege etwa 30 000 bis 100 000 Pflegekräfte. Das ist die Situation. Daran ist nichts zu drehen. Wir müssen daher jedes Jahr neue Gesetze zur Pflege verabschieden.
Die Pflege ist ein Dauerthema. Wenn wir Anschluss an die Länder finden wollen, die uns im Bereich Pflege deutlich überlegen sind, müssen wir jedes Jahr Gesetze beschließen. Das haben wir auch in der vergangenen Legislaturperiode gemacht. Ich will nicht jedes einzelne Gesetz nennen. Herr Riebsamen hat schon etwas dazu gesagt.
Man darf unsere Erfolge nicht kaputt reden, aber klar ist: Die Maßnahmen reichen noch lange nicht. Das ist ganz klar.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Deshalb müssen wir in dieser Legislaturperiode mehr unternehmen. Wir müssen das betonen, was wir gemeinsam erreichen wollen und nicht das, was noch fehlt.
Erstens. Es ist dringend notwendig, die Ausbildung zu verbessern. Hier haben wir einen wichtigen Schritt gemacht, aber eine entsprechende Ausbildungsordnung fehlt noch. Sie muss noch kommen.
Zweitens. Wir müssen die Tarife voll weitergeben. Wenn also die Tarife in der Pflege steigen, dann muss sich das in den Budgets der Krankenhäuser vollumfänglich wiederfinden.
(Beifall des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])
Das war einer der wenigen positiven Sozialaspekte in den Sondierungsergebnissen. Das muss hier gewürdigt werden. Das sollten wir gemeinsam weiterverfolgen.
In den Fallpauschalen muss die Pflege gesondert ausgewiesen werden.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)
Der springende Punkt ist, dass die Pflege nur dann abgerechnet werden kann, wenn sie auch nachgewiesen wird. Die Krankenhäuser, die Pflegestandards nicht nachweisen, dürfen die komplette Fallpauschale nicht abrechnen. Das ist der richtige Weg.
Schließlich brauchen wir auf die Fachabteilungen bezogene Pflegeschlüssel. Mit dem, was Herr Weinberg eben vorgeschlagen hat, hat er sich auf Kalifornien bezogen. Diesen Schlüssel hat Kaiser Permanente für Kalifornien entwickelt. Es hat zehn Jahre gedauert, bis dieser Anhaltsschlüssel stand. Das ist kein verbindlicher Schlüssel, sondern der Schlüssel, nach dem die Krankenhäuser in Kalifornien miteinander verglichen werden: Wer erfüllt die Quote und wer nicht? Das ist aber kein verbindlicher Mindeststandard. Das heißt, wenn ich den Standard nicht einhalte, gibt es keine Sanktionierung. Das ist aus meiner Sicht der falsche Weg. Wir brauchen einen sanktionierbaren Weg. Wir brauchen tatsächlich einen Mindeststandard. Obwohl das nach weniger klingt, ist es mehr; denn wer den Mindeststandard nicht einhält, dem kann ich wegen eines Qualitätsproblems die Fallpauschale kürzen. Somit ist das, was nach weniger klingt – Mindeststandards –, in der Umsetzung mehr. Und das sagt jemand, der zehn Jahre in den USA gelebt hat. Wir müssen daher für einen Mindeststandard kämpfen, der verbindlich ist und eingehalten werden muss, wenn man die volle Pauschale abrechnen will.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Vielen Dank, Karl Lauterbach. – Das Wort zu seiner ersten Rede im Bundestag hat Dr. Axel Gehrke für die AfD.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7174366 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 2 |
Tagesordnungspunkt | Personalbemessung in Krankenhäusern |