21.11.2017 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 2 / Tagesordnungspunkt 10

Axel GehrkeAfD - Personalbemessung in Krankenhäusern

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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im vorliegenden Antrag wird im Zusammenhang mit dem Pflegenotstand in der Headline dazu aufgefordert, Wahlkampfversprechen zu erfüllen. Herr Kollege Riebsamen, Sie haben gerade das Wahlprogramm der CDU angesprochen. Darin findet sich der bemerkenswerte Satz – ich zitiere –:

Die vergangenen Regierungsjahre waren gute Jahre für Gesundheit und Pflege.

Na ja, bei der Einschätzung, fürchte ich, wird sich da nicht allzu viel ändern. Das spiegelt bereits die eklatante Verkennung der Sachlage wider.

(Beifall bei der AfD – Anja Karliczek [CDU/CSU]: Das ist eine Unterstellung!)

Nein, meine Damen und Herren, das waren keine guten Jahre für die Gesundheit und schon gar nicht für die Pflege. Im Gegenteil: Wir haben zwölf Jahre mit Fehlanreizen, Ökonomisierung, Bürokratisierung und patientengefährdender Gesetzgebung hinter uns.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Die Humanitas wurde verschoben in Richtung Dienstleistungsbetrieb, in dem reguliert, industrialisiert und vor allem reglementiert wurde. Bilanz, Effizienz und Produktivität im Sinne betriebswirtschaftlicher Vorgaben sind das Mantra der heutigen Medizin.

(Beifall bei der AfD)

Selbst der Deutsche Ethikrat hat 2016 gefordert, das Patientenwohl wieder als einzige und ethische Grundlage für die medizinische Arbeit zu sehen.

Nun, meine Damen und Herren, stehen wir vor den Kollateralschäden: Ja, es gibt ganz eindeutig einen Pflegenotstand, im ambulanten Bereich, im Krankenhaus und besonders gravierend in der Altenpflege. Darauf geht der nachfolgende Antrag zu Recht ein.

Es ist schon bemerkenswert, dass die Regierung zwölf Jahre lang mit stoischer Ruhe dem ökonomisch bedingten Personalabbau und der daraus folgenden Arbeitsverdichtung zugeschaut hat, und das trotz zunehmender Warnungen praktisch aller im Gesundheitsbereich tätigen Verbände, bis hin zu den Gewerkschaften. Auch der große Befreiungsschlag vor zwei Jahren, das Krankenhausstrukturgesetz, hat nicht viel gebracht. Im Gegenteil: Der Pflegenotstand hat sich weiter verschärft. Das wurde im erst kürzlich vorgelegten Gutachten des Sachverständigenrates bestätigt. Dort heißt es – ich zitiere –:

Die am deutlichsten ausgeprägten Engpassberufe für Spezialisten waren mit der Fachkrankenpflege und der Aufsicht der Krankenpflege im Gesundheitssektor zu finden.

Als Lösung kommt nun wieder die Methode der langen Bank: Expertinnen und Experten sollen erst einmal Personalbemessungszahlen entwickeln. Wir haben ja gerade gelernt, Frau Kollegin Hagedorn, dass sich dazu jeder den Experten einlädt, den er braucht. Nein, so wollen wir das nicht machen.

(Beifall bei der AfD)

Nein, meine Damen und Herren, es muss sofort gehandelt werden. Niemand muss auf etwas warten, was längst vorhanden ist. In der internationalen Literatur liegt der Schlüssel in den USA bei 5,3 Patienten pro Pflegekraft, in Schweden bei 7,7, in der Schweiz bei 7,9 und in Deutschland bei 13,0 wobei es durchaus ernstzunehmende Schilderungen gibt – wir haben gerade eben ein Beispiel gehört –, dass nachts auf den Stationen eine Pflegekraft locker 30 bis 50 und mehr Patienten versorgt.

Eine ganz einfache Rechnung – das geht auch ohne Studium –: Wenn wir wenigstens den Schlüssel der Schweiz erreichen wollen, müssen wir das Personal in den pflegesensitiven Bereichen um mindestens 50 Prozent aufstocken.

(Beifall bei der AfD)

Wer gar nicht rechnen möchte, reaktiviert einfach die Personalpflegeverordnung, die 2005 mit der Einführung der Fallpauschalen abgeschafft wurde, weil es ja nun die Ökonomie regeln sollte – mit dem Erfolg, den wir heute beklagen. Nein, meine Damen und Herren, es liegt alles vor. Da muss man nichts auf die lange Bank schieben. Im Gegenteil: Wir müssen jetzt und sofort handeln. Das sind wir den betroffenen Menschen schuldig, und zwar sowohl den Patienten als auch dem Pflegepersonal.

(Beifall bei der AfD)

Wenn etwas überprüft werden muss, dann sind es die Arbeitsbedingungen. So ist der Pflegenotstand in Berlin etwa 25‑mal höher als im Saarland, beide Male pro 1 Million Einwohner. Offensichtlich geht man das Problem regional sehr unterschiedlich an. In einem Memorandum forderte die Deutsche Krankenhausgesellschaft, den bürokratischen Aufwand der Dokumentationslast um mindestens 50 Prozent zu reduzieren und den Anteil der Arbeitszeit von Ärzten und Pflegepersonal für Dokumentation und Bürokratie auf maximal 20 Prozent zu begrenzen. Wie hoch muss wohl die derzeitige Überlastung sein, wenn die Reduzierung der Bürokratie um die Hälfte und der Leistungslast auf 20 Prozent der Gesamtarbeitszeit eine Wunschvorstellung ist?

Eine weitere Falle ist die Planung einer rein tariflichen Aufwertung, Herr Professor Lauterbach, da diese wahrscheinlich nur wieder bei den Krankenhäusern ankommt, und zwar bei den Krankenhäusern, die schon jetzt Investitionsstaus in Milliardenhöhe vor sich herschieben.

Darf ich Sie an die Redezeit erinnern?

Ich bin gleich fertig.

Bitte.

Wir schlagen daher vor, besser die Fallpauschalen in ihrer Normierung zumindest in den pflegeintensiven Bereichen neu zu kalkulieren.

Meine Damen und Herren, dieser Antrag hat ein sehr wichtiges Thema aufgenommen, bedarf aber dringend weiterer Konkretisierung. Wir plädieren daher für Überweisung an den Hauptausschuss.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Danke schön. – Nächste Rednerin: Christine Aschenberg-Dugnus für die FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7174367
Wahlperiode 19
Sitzung 2
Tagesordnungspunkt Personalbemessung in Krankenhäusern
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