21.11.2017 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 2 / Zusatzpunkt 3

Barbara Hendricks - Ausstieg aus der Kohle

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, in Ihrem Antrag geht es ja um das Verhalten Deutschlands auf der UN-Klimakonferenz, die in den vergangenen zwei Wochen in Bonn stattgefunden hat. Bitte gestatten Sie mir vorweg eine Bemerkung zu der Rolle als technischer Gastgeber, die Deutschland innehatte.

Die COP 23 war die bislang größte zwischenstaatliche Konferenz, die es je auf deutschem Boden gegeben hat. Sie wurde in nur elf Monaten geplant und realisiert, was weniger als die Hälfte des Zeitraums ist, der normalerweise für solche Planungen zur Verfügung steht. Trotzdem ist die Konferenz mit ihren rund 25 000 Teilnehmern absolut einwandfrei verlaufen. Wir sind dabei im Kosten- und Zeitrahmen geblieben. Alle Demonstrationen waren friedlich. Die Rückmeldungen aus der Staatengemeinschaft waren wirklich über alle Maßen positiv; diejenigen, die dabei waren, wissen das. Ich denke, die erfolgreiche Organisation sollte bei allem Interesse an der Sache ruhig einmal erwähnt werden dürfen – nicht zuletzt als ein großes Kompliment an die vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die das in einem gewaltigen Kraftakt möglich gemacht haben. Sie alle und nicht zuletzt die Bonnerinnen und Bonner haben dazu beigetragen, dass sich Bonn als UN-Stadt großartig präsentiert hat. Ihnen allen also ein herzliches Dankeschön!

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, im Ergebnis ging von Bonn ein großes Signal der Einigkeit und Gemeinsamkeit aus, was auch schon ein Erfolg ist für die erste Klimakonferenz, die nach der Ankündigung der Vereinigten Staaten, aus dem Übereinkommen von Paris aussteigen zu wollen, stattgefunden hat. Aber in der Tat sind in Bonn auch die klimapolitischen Erwartungen an Deutschland deutlich geworden. Die Lücke zu unseren eigenen Klimaschutzzielen für das Jahr 2020 wird international wahrgenommen, wenngleich durchaus noch ohne Häme, weil jeder weiß, dass Transformationsprozesse überall auf der Welt schwierig sind.

Aber es ist richtig: Ein zentraler Teil des notwendigen Weges hin zu einer treibhausgasneutralen Welt ist der Ausstieg aus Kohle, aus Öl und aus fossilem Gas. In Bonn hat sich eine bemerkenswerte Allianz aus Kohleausstiegsstaaten präsentiert. Es sei allerdings bemerkt, dass es sich fast durch die Bank um Atomenergiestaaten handelt, die einen verhältnismäßig geringen Kohleanteil bei ihrem Energiemix haben, und dass in Kanada weiter Ölsande abgebaut werden. Darauf hätten die anwesenden Vertreter von NGOs durchaus hinweisen können.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Ich will vor diesem Hintergrund auf den Konsens im Deutschen Bundestag in den letzten Legislaturperioden hinweisen, dass Atomkraft keine verantwortbare und nachhaltige Energieversorgung ist.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

An diesem Konsens haben Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, durchaus einen bedeutenden Anteil. Von daher würde ich Sie bitten, diesen Teil der Wahrheit hier nicht unter den Tisch fallen zu lassen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben wir doch gar nicht! Würden wir nie tun!)

Ich kann vor diesen Spielchen nur warnen, die übrigens schon jetzt in die Forderung münden – da sind viele Lobbyisten am Werk –, Atomenergie als Klimaschutztechnologie über den Green Climate Fund fördern zu wollen. Ich warne Neugierige. Da müssen wir ganz vorsichtig sein. Das ist definitiv der falsche Weg.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Gleichwohl will ich hier deutlich machen, dass auch ich mir wünschen würde, dass Deutschland dieser Allianz beitritt,

(Beifall des Abg. Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

um zu zeigen, dass der richtige Umstieg der von Kohle hin zu einer vollständigen Versorgung aus erneuerbaren Energien ist und eben nicht Atomenergie.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Aus den Verhandlungskreisen war zu vernehmen, dass die Union zuletzt angeboten hatte, 7 Gigawatt Kohlekapazitäten bis 2020 vom Netz zu nehmen. Das ist meines Erachtens eine vernünftige Größenordnung, die eine Basis für eine deutlich bessere Klimabilanz 2020 legen würde und von der aus wir einen stetigen Pfad für das Erreichen der Klimaschutzziele 2030 legen können.

Was in den gescheiterten Jamaika-Gesprächen anscheinend überhaupt keine Rolle gespielt hat, war allerdings die soziale Absicherung.

(Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt doch gar nicht! – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Woher wissen Sie das denn?)

Wenn man auch nur ein bisschen soziale Verantwortung übernimmt, muss doch die erste Aussage sein: Wir müssen einen Plan haben, der jedem Einzelnen eine vollständige soziale Absicherung gibt. Verdi hat dazu übrigens gute Vorschläge vorgelegt. Offensichtlich hat von den beteiligten Parteien niemand diese soziale Dimension gesehen. So kann das nicht gehen.

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist falsch! Das wissen Sie doch! Das ist nicht richtig, Frau Hendricks! Es wird nicht besser, wenn Sie es wiederholen!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, was wir brauchen, ist ein Plan für die soziale und regionalwirtschaftliche Ausgestaltung des weiteren Kohleausstiegs in den nächsten Dekaden.

(Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist denn Ihr sozialverträglicher Kohleausstieg? – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Damit sind Sie ja weit gekommen!)

Ich meine, dass dazu auch eine geschäftsführende Bundesregierung jetzt die Vorarbeiten treffen muss.

Im Klimaschutzplan haben wir verabredet, eine Strukturwandelkommission einzusetzen, wozu ich selbstverständlich stehe. Das macht aber nur Sinn, wenn es dazu eine klare Richtungsentscheidung der gesamten geschäftsführenden Bundesregierung gibt. Ich halte es für sinnvoll und zielführend, in Kürze die Mitglieder der Kommission zum Kohleausstieg zu berufen und den zeitlichen und inhaltlichen Rahmen der Kommission zum Kohleausstieg abzustecken. Ich bin dazu selbstverständlich auch als geschäftsführende Ministerin bereit. Politische und gesetzgeberische Schlussfolgerungen müssen selbstverständlich von der nächsten Bundesregierung und von diesem Parlament gezogen werden.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Barbara Hendricks. – Das war zwar deutlich zu lang, aber das Lob an Bonn rechne ich jetzt einmal nicht mit, weil das, glaube ich, alle nachvollziehen konnten.

Bevor der nächste Redner kommt, wollte ich eigentlich Reinhold Robbe begrüßen. Jetzt ist er weg. Es war aber kein Phantom.

Der nächste Redner hält seine erste Rede im Deutschen Bundestag. Es ist Karsten Hilse für die AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7174384
Wahlperiode 19
Sitzung 2
Tagesordnungspunkt Ausstieg aus der Kohle
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta