Alexander GaulandAfD - Aktuelle Stunde zur Lage im Nahen- und Mittleren Osten
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Manchmal staunt man, dass einer Rede schon etwas vorweggenommen wird, wie es der sozialdemokratische Kollege gerade getan hat.
(Dr. Rolf Mützenich [SPD]: Ich kenne Sie!)
Die Union hat eine Aktuelle Stunde zum Nahen Osten beantragt. Die Anmeldung dieser Aktuellen Stunde erfolgte kurzfristig, um die von der AfD gewünschte Debatte über das Scheitern der Jamaika-Sondierungen zu verhindern.
(Beifall bei der AfD)
Dass die nicht zu bestreitenden Probleme des Nahen Ostens als parlamentarischer Schutzschild gegen eine die Menschen bewegende aktuelle Debatte herhalten müssen, ist ein trauriger Beleg für den Fehlgebrauch parlamentarischer Möglichkeiten genauso wie für den Stellenwert deutscher Nahostpolitik.
(Beifall bei der AfD)
Denn eine solche Debatte wie heute, lieber Herr Röttgen, hätte man aus den gleichen Gründen 2007, 1997, 1987, 1977 und sogar vor 100 Jahren, im Jahre 1917 im Reichstag, führen können.
Immer wären die Aktualität gegeben und die Probleme gleich dringend gewesen – nur dass 1917 statt des Bundestages der Reichstag in diesem Haus debattiert hätte. Und obwohl zwischen dem Kaiserreich und der Bundesrepublik einige gravierende Unterschiede bestehen, hatte das Deutsche Reich 1917 genauso viel Einfluss auf die Konflikte des Nahen Ostens wie heute die Bundesregierung.
(Beifall bei der AfD)
Die wirklich machtpolitischen Spieler in dieser Region sind Amerika, Russland – das wurde schon erwähnt –, Saudi-Arabien und der Iran sowie die immer stärker in osmanische Fahrwasser steuernde Türkei, am Rande auch noch Großbritannien und Frankreich und, nicht zu vergessen, das immer einflussreicher werdende China. Deutschland spielt dabei keine Rolle. Und unsere Debatte hier hat nicht den geringsten Einfluss auf die Entscheidungen in dieser konfliktbeladenen Region.
(Beifall bei der AfD)
Darüber bin ich nicht einmal traurig. Denn die Krisen von heute – sei es der Konflikt zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarn, sei es der zwischen Sunniten und Schiiten, also zwischen Saudi-Arabien und dem Iran, sei es die Heimatlosigkeit der Kurden oder der Zerfall des Irak, Syriens und des Libanon – haben Gründe in den fehlgeleiteten Interventionen westlicher Mächte.
(Beifall bei der AfD)
Diese haben immer nur dazu geführt, die Stabilität der Region weiter zu schwächen. Das reicht von der Aufteilung des Nahen Ostens in Einflusssphären – der Name wurde schon erwähnt – zwischen Großbritannien und Frankreich während des Ersten Weltkrieges durch das Sykes-Picot-Abkommen über die Unvereinbarkeit der britischen Zusicherung an die Araber auf ein großes Reich und die Balfour-Deklaration zu einer jüdischen Heimstatt bis hin zu dem friedlosen Teilungsplan für Palästina durch die UN im Jahre 1948. Es geht weiter mit der anglo-französischen Suez-Intervention 1956 und dem grundlosen zweiten Irakkrieg, mit dem nicht vorhandene Massenvernichtungswaffen aufgespürt und zerstört werden sollten.
(Beifall bei der AfD)
Fast immer waren fehlgeleitete imperiale Eigeninteressen und eine westlich verblendete Fehleinschätzung arabisch-islamischer Gesellschaften Grund für das Scheitern der Interventionen.
(Beifall bei der AfD)
Wir Deutschen hatten kaum die Möglichkeit, die Fehler der anderen mit- oder nachzumachen – zu unserem Glück. Der Nahe und der Mittlere Osten waren immer die Einflusssphäre der anderen – mit einer Ausnahme: Unsere historische Schuld hat uns bewogen, die Existenz Israels zu einem Teil unserer Staatsräson zu erklären. Das ist moralisch richtig, enthält aber eine über das bloße Bekenntnis hinausgehende Verpflichtung: im Ernstfall einer existenziellen Bedrohung Israels an dessen Seite zu kämpfen und unter Umständen auch zu sterben. Ich bin mir nicht sicher, ob alle in Deutschland wissen, was diese Verpflichtung wirklich bedeutet.
Ich bedanke mich.
Vielen Dank. – Als Nächster für die Fraktion der Freien Demokraten: Alexander Graf Lambsdorff.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7174496 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 3 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde zur Lage im Nahen- und Mittleren Osten |