Stephan ThomaeFDP - Rückführung syrischer Flüchtlinge
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Beim vorhergehenden Tagesordnungspunkt haben wir uns mit der Frage befasst, wie wir qualifizierte Zuwanderer ins Land holen wollen. Ich wiederhole – sozusagen vor der Klammer –, dass es ein wichtiger Punkt ist, Regeln dafür zu schaffen, wie Menschen zuwandern können, wie sie ins Land kommen können: Asyl für persönlich Verfolgte, humanitärer Schutz für Kriegsflüchtlinge und Einwanderung qualifizierter Fachkräfte.
Mich stört nicht, dass wir uns – neben diesen drei Türen, die ins Land führen – auch mal mit der Frage befassen, welche Tür für Menschen, die vielleicht nicht auf Dauer im Land bleiben können, wieder hinausführen muss.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der AfD)
Grundsätzlich ist auch das eine Frage, mit der wir uns befassen müssen. Was mich an Ihrem Antrag stört, sind drei Dinge, die ihn rettungslos vergiften, nämlich selektive Wahrnehmung der Realität, Zynismus und Heuchelei.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der AfD)
Von all dem findet sich in diesem vergifteten Antrag reichlich.
Erstens: selektive Wahrnehmung der Realität. Sie schreiben, dass sich die Sicherheitslage in Syrien substanziell verbessert habe – was immer das genau heißen möge –, dass Kampfhandlungen und sicherheitsrelevante Störungen nur noch in einigen Teilen des Landes stattfänden.
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Wie in Afghanistan!)
Meine Damen und Herren, Guido Steinberg hat heute im „Morgenmagazin“ deutlich gemacht, dass der Krieg in Syrien alles andere als längst beendet ist, dass die Al-Nusra-Front, die Kurden und der IS jederzeit wieder den Krieg und die Gewalt in alle Teile des Landes zurücktragen können.
Ich werfe nur mal einen Blick auf die letzte Woche in Syrien: am Freitag, dem 17. November, ein Anschlag des IS in Deir al-Sor, im Osten Syriens, mit mindestens 20 Toten und 30 Verletzten, am 14. November ein Luftangriff auf einen Markt in Atareb, im Nordwesten Syriens – eigentlich eine Deeskalationszone des Landes –, mit 53 getöteten Zivilisten. So können wir den November weiter durchgehen, was ich jetzt aber nicht tun will. Selektive Wahrnehmung der Realität ist eines der Gifte Ihres Antrags.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)
Das zweite Gift ist blanker Zynismus. Sie schreiben: Der Wiederaufbau nimmt Fahrt auf.
Der syrische Präsident forderte seine ins Ausland geflohenen Bürger … öffentlich auf, in die Heimat zurückzukehren und am Wiederaufbau teilzunehmen. Eine Amnestieregelung und sichere Unterbringung wurden von der syrischen Regierung in Aussicht gestellt.
Meine Damen und Herren, der Nothilfekoordinator der Vereinten Nationen, Mark Lowcock, hat am 31. Oktober festgestellt, dass die Auswirkungen der Syrien-Krise weiterhin tiefgreifend sind. 13 Millionen Menschen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. 6,1 Millionen Binnenflüchtlinge sind in Syrien zu verzeichnen.
Eine Rückführung der bei uns befindlichen Flüchtlinge nach Syrien würde nicht etwa den Wiederaufbau eines befriedenden Landes erleichtern, sondern die humanitäre Binnenkrise des zerfurchten Landes verstärken.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Deswegen können wir mit einem Regime, das selbst Menschenrechtsverletzungen begeht – Kollege Dr. Harbarth hat es eben erläutert, 4. April Giftgasangriff auf Chan Schaichun mit 87 Toten –, kein Rückführungsabkommen, keine völkerrechtlichen Verträge auf rechtsstaatlicher Basis abschließen.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das dritte Gift ist Heuchelei. Sie schreiben, dass sichergestellt werden solle, dass die
… Rückkehrer unbeschadet wieder nach Syrien einreisen können und in die Gebiete aufgenommen werden, die befriedet sind; …
Sie wollen, dass die „humanitäre Versorgung sichergestellt ist“. Natürlich müssen Kriegsflüchtlinge irgendwann in ihre Heimat zurück – wenn der Krieg vorbei ist. So steht es auch in der Genfer Flüchtlingskonvention.
Die FDP war immer auch eine Partei der Humanität und der Menschenrechte.
(Beifall bei der FDP)
Deswegen sind wir der Meinung, dass eine genaue Abwägung erforderlich ist, wann eine Rückführung möglich ist. Sie hingegen wollen die Menschen in den Kugelhagel zurückschicken
(Lachen bei der AfD – Dr. Bernd Baumann [AfD]: Ich glaube es nicht!)
und packen ihnen in geheuchelter Fürsorge einen warmen Schal mit ein.
(Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Jürgen Braun [AfD]: Blanker Populismus!)
Das Wort hat Ulla Jelpke für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7174549 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 3 |
Tagesordnungspunkt | Rückführung syrischer Flüchtlinge |