Elisabeth Winkelmeier-BeckerCDU/CSU - Gesetz zur Stärkung der Bürgerrechte
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Man hat den Eindruck, dass sich die kleinen Parteien rechts und links der Mitte dieses Hohen Hauses übertrumpfen wollen, was den stärksten Ausschlag angeht. Lieber Kollege Stephan Thomae, man hört ein bisschen heraus, dass es hier vor allem um Symbolik geht
(Manuel Höferlin [FDP]: Es geht um Bürgerrechte!)
und dass ihr euch sehr stark selbst unter Druck setzt, hier irgendetwas zu liefern, egal ob es dürftig ist oder inhaltlich etwas bringt.
Ihr beginnt den Gesetzentwurf mit der Behauptung, dass Freiheit und Rechte der Bürger zugunsten der Sicherheit unverhältnismäßig eingeschränkt worden seien. Richtig ist sicherlich, dass Sicherheit und Freiheit in einem Spannungsverhältnis stehen. Ein Zuviel an Sicherheit kann auf Kosten der Freiheit gehen. Es gibt aber auch einen anderen Zusammenhang: Freiheit und Sicherheit bedingen sich gegenseitig. Freiheit ohne Sicherheit ist nichts wert. Wenn ich die Freiheit habe, aus dem Haus zu gehen, aber befürchten muss, dass in der Zeit ein Einbruch geschieht oder ich einem Raub zum Opfer falle, dann ist die Freiheit nicht so viel wert.
(Lachen bei Abgeordneten der AfD)
Das heißt, es geht um ein ausgewogenes Verhältnis von Freiheit und Sicherheit.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ob diese in der Balance sind, wird von der FDP infrage gestellt. Wenn ich im Wahlkreis unterwegs bin, höre ich das eher andersherum. Mir wird eher gesagt, dass die Sicherheit zu kurz kommt. Wenn ich die Bürger frage: „Was liegt euch am Herzen?“, dann höre ich eher die Sorge, dass es Einbruchdiebstähle gibt, dass der Enkeltrick angewendet wird.
(Dr. Marco Buschmann [FDP]: Das wollen Sie mit der Vorratsdatenspeicherung bekämpfen? Das ist ja grotesk, Frau Kollegin!)
Denn dadurch entstehen Schäden, die weit über den materiellen Verlust hinausgehen. Die Leute sind zutiefst verunsichert und fühlen sich in der eigenen Wohnung nicht mehr sicher.
Es gehört zu den ureigenen Aufgaben des Staates, für die Sicherheit seiner Bürger zu sorgen,
(Christian Lindner [FDP]: Da ist die Vorratsdatenspeicherung völlig unverhältnismäßig! Da wird sie doch gar nicht eingesetzt! Wir reden hier über etwas ganz anderes!)
natürlich in der Balance mit der Freiheit. Aber hier finde ich es schon bedenklich, dass Sie die Gefahren, die den Bürgern durch Kriminalität, durch Terrorismus drohen, in Ihrem Gesetzentwurf überhaupt nicht erwähnen. Dass Sie ausgerechnet unseren demokratisch legitimierten Rechtsstaat als die größte Gefahr für die Bürger darstellen wollen, geht an der Sache klar vorbei.
Liebe Kollegen, Sie formulieren hier – ich weiß nicht, ob bewusst oder unbewusst – sehr missverständlich, sehr ungenau in Ihrem Gesetzentwurf. Da heißt es:
Der Gesetzgeber hat in den letzten Jahren die Sammlung von Informationen über seine Bürgerinnen und Bürger immer mehr ausgeweitet.
Hier entsteht ein Bild von großen Speichern im Keller des Innenministeriums – als würde der Staat Daten sammeln. Das ist doch nicht so. Der einzige Gegenstand des Gesetzes ist, dass wir regeln, dass die Daten dort, wo sie anfallen – bei den Anbietern, bei den Providern –, nicht unmittelbar gelöscht werden dürfen, sondern einige Wochen vorgehalten werden, nicht mehr und nicht weniger. Kein Staat geht hin und sammelt diese Daten.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage aus der FDP-Fraktion?
Ja.
Bitte.
Frau Kollegin, mir ist nicht ganz klar geworden – vielleicht können Sie das aufklären –, wodurch aus Ihrer Sicht bei der Anwendung des Enkeltricks bei älteren Menschen zu Hause die Vorratsdatenspeicherung präventiv oder auch später in der Strafverfolgung wirksam eingreifen kann.
(Beifall bei der FDP und der AfD sowie der Abg. Niema Movassat [DIE LINKE] und Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Das wäre ein wertvoller Hinweis.
Wenn Sie genau zugehört hätten,
(Manuel Höferlin [FDP]: Habe ich!)
hätten Sie mitbekommen, dass ich dieses Beispiel im Zusammenhang mit dem genannt habe, was den Bürgern auf dem Herzen liegt, und dass es bei der Balance von Freiheit und Sicherheit eher um diese Dinge geht. Denn die Bürger fragen mich: Wann tut der Staat etwas dagegen? Wieso ist der Staat da nicht durchsetzungsfähiger? In diesem Zusammenhang habe ich das gesagt. Wenn Sie das Gesetz lesen, dann sehen Sie, dass der Enkeltrick nicht zu den Straftaten gehört, bei denen auf Vorratsdaten zurückgegriffen werden kann. Das habe ich auch mit keinem Wort behauptet.
(Beifall bei der CDU/CSU – Manuel Höferlin [FDP]: Ah, okay!)
Wir kommen zurück zu den Daten, um die es geht. Es geht um Daten bei Festnetz- und Handynummern, wie sie auch für Rechnungszwecke der Anbieter gespeichert werden. Diese sollen bei den Anbietern für zehn Wochen gespeichert werden. Bei Daten aus Funkzellen – dies bezieht sich auf jeweils die Funkzelle, in der sich ein Mobiltelefon im Moment des Beginns der Verbindung befunden hat – sind es vier Wochen. Es werden keine Namen und keine Inhalte gespeichert. Und dies tut auch nicht der Staat, sondern der Vertragspartner, den sich die Kunden selber aussuchen.
Sie wollen nun die Regelungen streichen, in denen den Anbietern die Speicherung vorgeschrieben wird. Sie haben aber nichts dagegen, dass Daten, die zu geschäftlichen Zwecken vorgehalten werden, der strafrechtlichen Verfolgung zugänglich gemacht werden. Das zeigt aus meiner Sicht, dass Sie selber nicht davon ausgehen, dass es um hochsensible Daten geht. Denn für die Bürger ist es doch egal, ob ihr Anbieter dies nun freiwillig oder wegen der Regelung der Mindestspeicherfrist tut. Hier ist der Eingriff in gleicher Weise zu bewerten. Das eine wollen Sie zulassen, das andere nicht. Das ist aus meiner Sicht nicht plausibel.
Liebe Kollegen, mich hätte auch interessiert, welchen konkreten Schaden Sie bei Anwendung der Regeln sehen und welchen Missbrauch Sie sich da überhaupt vorstellen. Wir können einmal dahingestellt sein lassen, wie hochsensibel die Daten, um die es hier geht – zwei Telefone, die zu einem bestimmten Zeitpunkt miteinander in Verbindung waren –, eigentlich sind. Aber es ist doch so geregelt, dass niemand an diese Daten herankommt. Die Ausnahme sind die Staatsanwaltschaft und die Gerichte, wenn es um einen Fall schwerer Kriminalität geht. Ein Gericht muss vorher darüber entscheiden, und jeder Betroffene wird hinterher transparent informiert. Ich weiß wirklich nicht, wo an dieser Stelle ein Missbrauch möglich ist oder worin Sie den großen Schaden sehen.
Ich glaube eher, viele meinen, bedroht zu sein und beobachtet zu werden, und wissen gar nicht, dass sie im Fall des Falles informiert würden. Im Umkehrschluss heißt das nämlich: Wer nicht darüber informiert wird, dass er betroffen war, der war auch niemals betroffen. Der muss sich damit abfinden, dass seine Daten niemanden interessiert haben. Viele nehmen sich da auch zu wichtig und halten sich für bedroht, obwohl überhaupt niemand ihre Daten haben will.
Wir halten diese Mindestspeicherpflichten für erforderlich, weil sie wichtige Hinweise geben, die dabei helfen, Straftaten aufzuklären, Täter- und Bandenstrukturen zurückzuverfolgen oder auch Zeugen zu finden. Dabei steht nicht jeder automatisch selbst in Verdacht, sondern kann einfach derjenige sein, der in Kontakt mit einem Opfer oder einem möglichen Verdächtigen gestanden hat.
Liebe FDP, noch ein Wort zum Netzwerkdurchsetzungsgesetz, über das wir eben gesprochen haben. Ein paar Punkte bedürfen noch der Klarstellung.
Wenn im Rahmen der regulierten Selbstregulierung die Fälle an eine Plattform abgegeben werden, dann besteht an dieser Stelle überhaupt kein Zeitdruck. Es geht nur um die Abgabe an die Plattform; diese muss innerhalb von sieben Tagen erfolgen. Aber wenn der entsprechende Fall einmal dort ist, gibt es überhaupt keinen Zeitdruck. Es gibt überhaupt kein Risiko, kein Bußgeld, das die Selbstregulierung nach sich ziehen könnte. Es gibt also an der Stelle auch überhaupt keine Beeinflussung. Es ist im Übrigen auch kein Präjudiz für eine spätere gerichtliche Entscheidung darüber, ob etwas strafbar ist.
(Nicola Beer [FDP]: Das wird ja der gerichtlichen Entscheidung zugeführt!)
Die Selbstregulierung führt doch nicht zu einer Entscheidung über die Strafbarkeit in dem Sinne, dass strafrechtliche Sanktionen verhängt werden können.
Wir sehen durchaus positiv, dass der Gesetzentwurf vorsieht, einige Aspekte des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes zu erhalten. Wir wären an den Stellen für eine sinnvolle Weiterentwicklung offen. Der Richtervorbehalt und die hohen Kosten sind möglicherweise Punkte, die es für die Betroffenen unattraktiv machen, den Auskunftsanspruch geltend zu machen. Wir halten es aber für falsch, dass ihr euch von den Multis der Meinungsindustrie vor den Karren spannen lasst, wenn es darum geht, die Standards zu deregulieren. Wir glauben, es ist besser, dass wir bei dem bisherigen Standard bleiben. Wir lassen es besser, wie es ist.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Dagmar Ziegler [SPD])
Herzlichen Dank, Frau Kollegin Winkelmeier-Becker.
Bevor ich den Kollegen Dr. Fechner aufrufe, möchte ich eine Unzulänglichkeit gestehen. Die überaus effiziente Bundestagsverwaltung hat mich darauf hingewiesen, dass aufgrund eines Präsidiumsbeschlusses aus dem Jahre 1967 nur runde Geburtstage und Geburtstage über 60 aufgerufen werden. Da vier weitere Personen im Hohen Hause Geburtstag haben – drei von der AfD, einer von der FDP –, gratuliere ich den Personen von hier aus recht herzlich persönlich. Ansonsten wird künftig so verfahren, wie 1967 beschlossen.
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)
Herr Kollege Dr. Fechner, Sie haben für die SPD das Wort.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
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Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 4 |
Tagesordnungspunkt | Gesetz zur Stärkung der Bürgerrechte |