Johannes FechnerSPD - Gesetz zur Stärkung der Bürgerrechte
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuhörerinnen und Zuhörer auf den Tribünen! Liebe Geburtstagskinder! Wir haben eben schon intensiv über das Netzwerkdurchsetzungsgesetz diskutiert. Insofern sei es auch in dieser Debatte, aber nur in Kürze gesagt: Weil es in den sozialen Netzwerken viel zu viel Hass und Hetze gibt, weil dort aufs Übelste beleidigt und bedroht wird – bis hin zum Mordaufruf –, können wir nicht zuschauen, wenn Bürgerinnen und Bürger in sozialen Netzwerken derart heftig und oft auf strafbare Weise angegriffen werden. Hier haben die sozialen Netzwerke eine Verantwortung, und es war richtig, dass wir in der vergangenen Legislaturperiode das Netzwerkdurchsetzungsgesetz beschlossen haben, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Dass nun ausgerechnet die FDP, genauso wie die AfD, wesentliche Teile dieses wichtigen Gesetzes abschaffen will, ist bemerkenswert.
(Beifall der Abg. Ulli Nissen [SPD] – Zurufe von der FDP)
Da befinden Sie sich nicht nur in schlechter Gesellschaft, sondern es verwundert auch, weil Sie ja einmal eine Partei waren, die sich für Bürgerrechte eingesetzt hat.
(Beifall der Abg. Ulli Nissen [SPD] – Nicola Beer [FDP]: Eben!)
– Lang ist es her. – Mit Ihrer Initiative schützen Sie aber nicht die Bürgerrechte, sondern Sie verhindern, dass Bürgerinnen und Bürger vor Bedrohungen, vor Beleidigungen, vor Hetze und vor Hass geschützt werden.
(Dr. Marco Buschmann [FDP]: Bürgerrechte sind Abwehrrechte gegen den Staat, Herr Kollege!)
Den Schutz, den wir gesetzlich normiert haben, wollen Sie abschaffen, und das geht nicht. Wenn soziale Netzwerke Milliardengewinne machen, dann ist es den entsprechenden Konzernen zumutbar, strafbare Inhalte zu löschen,
(Nicola Beer [FDP]: Ach! Ich dachte, sie sollen privat gelöscht werden!)
anstatt sie einfach stehen zu lassen und so unbehelligten Bürgerinnen und Bürgern zu schaden.
Liebe Kollegen und Kolleginnen von der FDP, Sie weisen zu Recht darauf hin, dass die Betreiber von sozialen Netzwerken schon heute zu „Notice and take down“ verpflichtet sind. Das allein hat sich aber nicht als ausreichend erwiesen. Ich verweise auf die Berichte von jugendschutz.net, in denen die Defizite ganz klar benannt werden.
Insofern haben wir eine vernünftige Regelung gefunden: Offensichtlich rechtswidrige Inhalte müssen innerhalb von 24 Stunden gelöscht werden. Gerade weil die Meinungsfreiheit für uns ein so hohes Gut ist und im Zweifel in ihrem Sinne entschieden werden muss, gibt es bei nicht eindeutigen Fällen diese Verpflichtung nicht. Hier greift die regulierte Selbstregulierung. Das von Ihnen befürchtete Overblocking ist also vom Tisch.
(Nicola Beer [FDP]: Das sieht die Praxis anders!)
Das wird es mit unserer Regelung gerade nicht geben.
Sie wollen diese Regelung allen Ernstes aufgeben. Ich finde, Sie müssen hier Verantwortung übernehmen. Dass Sie hier die Bürger im Stich lassen
(Nicola Beer [FDP]: Das sehen die Bürger auch anders!)
und dieses Im-Stich-Lassen auch noch als Bürgerrechtestärkungs-Gesetz bezeichnen, ist der Scherz der Woche.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Eines haben wir in der Tat nicht geregelt – da müssen wir noch nachlegen –: Wenn ein soziales Netzwerk einen Inhalt löscht und sich hinterher herausstellt, dass dies zu Unrecht erfolgt ist, dann muss der Nutzer einen Rechtsanspruch darauf haben, dass sein Inhalt wiederhergestellt wird. Die Einführung eines solchen Wiederherstellungsanspruchs müssen wir uns für die kommende Legislaturperiode vornehmen – in welcher Regierungskonstellation auch immer.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, im Wahlkampf lautete einer der Werbeslogans der FDP: „Die Sicherheit muss besser organisiert sein als das Verbrechen.“
(Beifall bei der FDP)
Da hätte man meinen können, Sie setzten sich jetzt für die Belange der Polizei ein. Aber weit gefehlt: Gleich mit Ihrem ersten Gesetzentwurf wollen Sie die Vorratsdatenspeicherung abschaffen, obwohl deren Anwendung eine der zentralen Forderungen von Polizei und Ermittlungsbehörden ist. Gerade weil die Polizei, wie ich finde, in ihren technischen Ermittlungsmöglichkeiten auf Augenhöhe mit organisierter Kriminalität agieren muss, sollten wir diese Regelung beibehalten und nicht, wie Sie es fordern, abschaffen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
In meinem Wahlkreis gab es einen schrecklichen Mord. Der Täter konnte nur deshalb überführt werden, weil sein Handy über die Funkzelle am Tatort zu orten war. Das Telekommunikationsunternehmen wäre nach der heutigen Rechtslage, insbesondere nach der Entscheidung der Bundesnetzagentur infolge der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes Münster, nicht verpflichtet gewesen, diese Daten zu speichern.
(Nicola Beer [FDP]: Eben!)
Wenn die Daten nicht vorhanden gewesen wären, dann hätte der Mörder wahrscheinlich nicht überführt werden können und wäre heute noch auf freiem Fuß. Ich finde, das ist kein haltbarer Zustand.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit dem Gesetz zu den Höchstspeicherfristen hat Justizminister Maas einen ausgewogenen Vorschlag vorgelegt, der einerseits der Polizei ein wichtiges Ermittlungsinstrument an die Hand gibt und andererseits die Rechte der Bürgerinnen und Bürger wahrt. Wir haben gerade im internationalen Vergleich sehr kurze Speicherfristen, wir speichern nicht die Inhalte, sondern nur die Daten, und das Ganze steht auch noch unter Richtervorbehalt.
Wichtig ist, dass der EuGH die Vorratsdatenspeicherung in einer Entscheidung, deren Begründung ich mir, ehrlich gesagt, präziser gefasst gewünscht hätte, für nicht vereinbar mit europäischem Recht gehalten hat. Die estnische Ratspräsidentschaft hat deshalb in der vergangenen Woche einen, wie ich finde, interessanten Vorschlag unterbreitet, wie eine Neuregelung unter Wahrung der Bürgerrechte und unter Beachtung der Hinweise des EuGH möglich ist.
Auf europäischer Ebene wird eine Rechtsgrundlage erarbeitet. Solange die Verfassungsgerichtsentscheidungen, die aufgrund entsprechender Klagen anstehen, nicht vorliegen, sollten wir dieses wichtige Instrument nicht vorschnell aus der Hand geben.
(Nicola Beer [FDP]: Wir haben es gar nicht! Es ist doch ausgesetzt!)
In diesem Sinne können wir Ihrem Vorschlag nicht folgen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Herzlichen Dank, Herr Kollege Dr. Fechner. – Als Nächster für die AfD mit seiner ersten Rede im Hohen Haus: Kollege Brandner.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7181086 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 4 |
Tagesordnungspunkt | Gesetz zur Stärkung der Bürgerrechte |