Karl LauterbachSPD - Glyphosat
Vielen Dank. – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich versuche in der kurzen Zeit, die Lage so neutral wie möglich darzustellen. Ich bin selbst von der Ausbildung her Epidemiologe. Das heißt, ich beschäftige mich mit den Ursachen von Krebsentstehung. Ich trage die Entscheidung der IARC, dass glyphosathaltige Substanzen in Herbiziden krebserregend sind, klar mit. Ich will das hier kurz begründen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)
Der erste Punkt ist ganz klar: Es ist zwar richtig, dass die Synthetase im Menschen gehemmt wird und in den Wirbelsäulentieren nicht vorkommt, aber deren Abbauprodukte sehr wohl. Diese finden wir im menschlichen Gewebe, und der Stoffwechsel wird beeinflusst. Das heißt, auch wenn das Enzym nicht da ist, wirkt es im Körper. Wir können es im Blut nachweisen. Wir sehen es im Weizen, in Sojaprodukten. Wir sehen es im Bier. Die Verstoffwechselung findet statt.
Der zweite Punkt: Es ist auch so, dass die Kombination mit Produkten, mit denen Glyphosat verwendet wird – es wird so gut wie nie alleine verwendet, sondern immer mit Anhaftungsmitteln oder Mitteln, die es in die Zelle bringen –, die Krebserregung hervorruft. Diese Kombination ist es.
Das ist auch der Unterschied zu ECHA und EFSA: Die IARC hat auf der Grundlage von wissenschaftlichen Studien, im Wesentlichen der Uni-Institute, diese Kombinationen, die im Einsatz sind, untersucht und nicht das Glyphosat alleine. Das Glyphosat alleine ist von ECHA und EFSA untersucht worden. Aber es kommt ja alleine nie zum Einsatz. Es kommt nur in der Kombination mit den Mitteln zum Einsatz, die es überhaupt wirksam machen. Somit muss ich mich hier ehrlich machen: In der Art, wie es immer eingesetzt wird, ist es krebserregend.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ein weiterer Punkt ist: Wir wissen mittlerweile auch, wie es wirkt. Ich selbst habe sehr viel darüber publiziert. Wir wissen Gott sei Dank mittlerweile, wie Krebs entsteht. Wir kennen die Schritte zur Krebsentstehung. Das sind im Wesentlichen die Schritte, in denen, sagen wir mal, genetische Zellmechanismen beschädigt oder aufgehalten werden. Dadurch wird das Wachstum von Tumoren aufgehalten, oder ihr Wachstum wird beschleunigt.
Diese Zellmechanismen werden zweifelsfrei – zweifelsfrei! das ist im Tierexperiment, im Menschenexperiment und im Zellexperiment nachgewiesen – angeregt. Das heißt, es wäre eine Überraschung gewesen, wenn wir auf dieser Grundlage nicht auch bei denjenigen, die Glyphosat viel anwenden, mehr Krebserkrankungen gesehen hätten. Das wäre eine Überraschung gewesen. Leider gab es diese Überraschung nicht.
Wir wissen, dass diejenigen, die viel Glyphosat einsetzen, vermehrt Non-Hodgkin-Lymphome, also schwer behandelbare Krebserkrankungen, die wir kaum in den Griff bekommen, bekommen. Die Studien von der IARC, aber auch von der WHO selbst, die dazu vorliegen – auch nach 2015 wurden neuere Studien publiziert –, sind einschlägig. Wir müssen uns ehrlich machen.
Ich wünschte übrigens, es wäre anders; denn Sie haben ja recht, dass es schwer zu ersetzen ist. Aber es ist eine Lüge und eine Verharmlosung, zu sagen, dass dieser Stoff ungefährlich ist. Er ist sehr gefährlich. Wenn ich bedenke, wie viel davon eingesetzt wird: Auf jeden in Deutschland hochgerechnet – vom Kind bis zum Greis – setzen wir pro Tag 60 Gramm Glyphosat ein. Das kann ich nicht mit Weinkonsum oder ähnlichen Schwänken abtun. Das wird dem Ernst dieser Debatte in keiner Weise gerecht.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Selbst wenn nur 1 Prozent der Krebserkrankungen dadurch bedingt wäre, dann wären das 5 000 bis 6 000 zusätzliche Krebserkrankungen in Deutschland. Wer von uns will das verantworten? Ich nicht.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Schmidt! – Ulli Nissen [SPD]: Herr Schmidt!)
Daher finde ich es bestürzend, dass der Landwirtschaftsminister das über unsere Köpfe hinweg entschieden hat, ohne dass er jemals den fachlichen Rat der Gesundheitspolitiker auch nur gesucht hätte.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Alice Weidel [AfD])
Er hat uns nie angesprochen. Er hat uns nie eingeladen. Er ist über uns hinweggegangen. Das halte ich für falsch.
Ehrlich gesagt zeigen Ihre nicht übermäßig komplexen Einlassungen zum Thema auch, dass das Thema aus meiner Sicht breiter aufgestellt werden muss. Es muss auch ein Bestandteil der Gesundheitspolitik sein.
(Gitta Connemann [CDU/CSU]: Ich höre Sie zum ersten Mal zu diesem Thema!)
Daher ist der Antrag, den wir heute stellen, ohne Wenn und Aber richtig. Alles andere wäre verantwortungslos.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vielen Dank. – Als Nächster für die Fraktion der AfD Stephan Protschka. Es ist seine erste Rede im Hohen Hause.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7181130 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 4 |
Tagesordnungspunkt | Glyphosat |