Susann RüthrichSPD - Aktuelle Stunde zu linksextremen Gewalttaten gegen demokratische Parteien
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Jede Gewalt als Mittel politischer Auseinandersetzungen lehnen wir entschieden ab. Wenn das im Bundestag alle so sehen würden, hätte diese heutige Aktuelle Stunde einen anderen Titel.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der AfD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Sie, die Sie ganz rechts im Plenum sitzen, haben laut Tagesordnung noch am Montag nur sich selbst als Opfer gesehen. Später haben Sie dann immerhin – zumindest kosmetisch – anerkannt, dass die Betroffenen politischer Gewalt nicht nur Sie selbst sind. Wenn wir aber von Gewalt gegen Politikerinnen und Politiker reden, dann können wir nicht schweigen über Henriette Reker in Köln, über Andreas Hollstein in Altena, über Markus Nierth aus Tröglitz oder über Thomas Purwin aus Bocholt. Das ist nur eine Auswahl.
(Armin-Paulus Hampel [AfD]: Ich kann Ihnen mal unsere Liste zeigen! Die ist länger!)
Das ist die Spitze des Eisbergs; denn Bedrohungen erleben viele, gegen sich selbst und sogar gegen ihre Familienangehörigen, gegen ihre Kinder.
Bedroht werden aber nicht nur Politikerinnen und Politiker, sondern auch Journalistinnen und Journalisten, die einfach ihren Job machen – etwa montags in Dresden –, oder diejenigen, die sich engagieren, damit Geflüchtete hier ein Teil der Gesellschaft werden können und ein Dach über dem Kopf haben.
Reker, Hollstein, Nierth, Purwin – was haben die Morddrohungen und Anschläge gegen diese Menschen gemeinsam? Richtig, diese Menschen wurden angegriffen, weil sie Geflüchteten eine anständige Unterkunft in ihren Kommunen organisieren wollten. Ich höre und erkenne bei Ihnen, die hier rechts sitzen, keinerlei Bedauern über diese Taten.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Konstantin Elias Kuhle [FDP] – Armin-Paulus Hampel [AfD]: Da haben Sie nicht zugehört!)
Auch höre ich nichts von Ihnen, wenn Jahr für Jahr mehr als tausend Angriffe auf Geflüchtete und deren Unterkünfte stattfinden.
(Beifall bei der SPD)
Sie erwarten von uns, dass wir uns von den Angriffen auf Sie distanzieren. Das tun wir, weil wir jede Gewalt ablehnen.
(Beifall bei der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Sie aber verurteilen Gewalt selten, wenn Sie nicht selbst betroffen sind. Stattdessen schieben einige von Ihnen sogar den Angegriffenen selbst die Schuld in die Schuhe; die Täter seien provoziert worden. So berichten Teilnehmende einer Veranstaltung, dass eines Ihrer heutigen Fraktionsmitglieder quasi die gesellschaftlichen Umstände in einer offenen Gesellschaft verantwortlich dafür macht, dass 77 sozialdemokratische Jugendliche von Anders Breivik in Norwegen umgebracht wurden. Der betreffende Kollege bestreitet, das gesagt zu haben. Nehmen wir also ein anderes Beispiel; das wurde heute schon erwähnt. Da tweetet eines Ihrer Fraktionsmitglieder vor wenigen Tagen ein Bild von einer Machete und belustigt sich dann darüber, dass sich die Angesprochenen bedroht fühlen. Das ist nicht lustig. Das ist einfach nur infam. Die Liste mit solchen Beispielen ließe sich beliebig fortsetzen.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Sie haben die Schaufel in der Hand, mit der Sie den Graben in der Gesellschaft immer tiefer graben. Sie wollen die provokante Schlagzeile, um Aufmerksamkeit zu erregen. Sie heizen die Debatte an, in der ein Klima der Angst entsteht. Und am Ende stellen Sie sich als Opfer hin? Nein! Wissen Sie, wie ich so etwas nenne: den Wolf im Schafspelz.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Sie nutzen die Schaufel in der Hand, um Gräben zu vertiefen. Wir dagegen bauen damit Häuser. Wir haben mit dem Integrationsgesetz das Zusammenleben hier organisiert. Wir wollen mit einem Einwanderungsgesetz für Klarheit sorgen, wer hierherkommen kann, Klarheit für die hiesige Bevölkerung genauso wie für die Menschen, die kommen wollen. Wir stehen an der Seite derer, die Tag für Tag den Zusammenhalt der demokratischen Gesellschaft organisieren und dafür einstehen, und zwar indem wir die Bundesprogramme „Demokratie leben!“ und „Zusammenhalt durch Teilhabe“ ordentlich ausgestattet haben. Wir wollen ein Gesetz, das dafür sorgt, dass genau diese Engagierten endlich eine dauerhafte Perspektive bekommen.
Auch sozialpolitisch spielen Sie Menschen gegeneinander aus, weil Sie von der Spaltung leben und nicht von gelösten Problemen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Wir haben den Mindestlohn eingeführt, als Sie noch dagegen waren. Wir haben ein Rentenkonzept, Sie nicht.
(Armin-Paulus Hampel [AfD]: Doch!)
Wir sorgen mit dem Teilhabegesetz für Inklusion, während Mitglieder aus Ihren Reihen abfällig von den Menschen reden, deren Rechte wir damit stärken.
(Beifall bei der SPD – Armin-Paulus Hampel [AfD]: Das Gegenteil ist der Fall!)
Viele von uns wollen die Kindergrundsicherung, während mein AfD-Gegenkandidat meinte, wir seien immer noch eine Leistungsgesellschaft,
(Armin-Paulus Hampel [AfD]: So ist es!)
und Kinderarmut gäbe es gar nicht in Deutschland.
(Zurufe von der SPD: Hört! Hört!)
Wir wollen, dass sich alle in unserer offenen Gesellschaft wohl und sicher fühlen. Wir wollen Probleme lösen, Sie nicht.
(Beifall bei der SPD – Armin-Paulus Hampel [AfD]: Doch, klar! Wir wollen sie nur richtig lösen!)
Und übrigens: Wenn Sie – freundlich formuliert – kontroverse Positionen beziehen, dann müssen Sie mit Kritik auch umgehen können. Friedliche Gegenproteste vor Parteitagen kennen wir alle. Das müssen Sie aushalten. Das nennt man Demokratie.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Armin-Paulus Hampel [AfD]: Ja, genau! G 20 war auch friedlich!)
Niemand verbietet Ihnen den Mund. Viele sind einfach anderer Meinung, und die sagen das auch. Das ist deren und unser gutes Recht in diesem Land.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich fordere Sie also auf: Verurteilen Sie wie wir jede Gewalt in der politischen Auseinandersetzung und nicht nur die, bei der Sie sich selbst als Betroffene sehen. So viel Anstand dürfen wir von Mitgliedern des Deutschen Bundestags erwarten.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)
Der letzte Redner in der Aktuellen Stunde ist Dr. Hendrik Hoppenstedt von der CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7181831 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 5 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde zu linksextremen Gewalttaten gegen demokratische Parteien |