13.12.2017 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 5 / Tagesordnungspunkt 6

Lars CastellucciSPD - Einführung umfassender Grenzkontrollen

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Danke, Herr Präsident. – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe Sie, werte Kollegen von der AfD, überwiegend breit grinsend sitzen sehen.

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Empört über Ihre Äußerungen!)

Das erweckt bei mir den Eindruck, dass sich das an das anschließt, was Sie, Herr Gauland, einmal gesagt haben,

(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Jetzt kommt wieder das falsche Zitat! Das habe ich nie gesagt! Unsinn!)

nämlich dass Sie in Wahrheit froh sind, dass so viele Flüchtlinge gekommen sind, weil Sie parteipolitischen Nutzen davon haben.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)

Ich halte das für sehr durchschaubar und für ein sehr perfides Spiel, das Sie hier treiben.

Herr Schuster hat das Notwendige schon gesagt. Ihr Antrag auf Einführung umfassender Grenzkontrollen ist schlicht überflüssig. Im Übrigen sind über 20 000 Menschen, die sich unberechtigterweise an den Grenzen aufgehalten haben, in den letzten Jahren zurückgewiesen worden. Wir tun also bereits das, was Sie in Ihrem Antrag fordern.

(Widerspruch bei der AfD)

Was wir nicht machen, sind die schon im Titel Ihres Antrags geforderte Einführung umfassender Grenz­kontrollen und die Gewährleistung eines vollständigen Schutzes. So etwas gibt es gar nicht.

(Beifall des Abg. Benjamin Strasser [FDP]: – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Aha!)

Wenn wir das machen wollten, müssten wir eine Mauer hochziehen und uns dahinter verbarrikadieren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Immer diese DDR-Nostalgie!)

Wir müssten Türme aufstellen, einen Todesstreifen einrichten und Gewehre auf die Menschen an den Grenzen richten.

(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Wenn Ihnen nichts Besseres einfällt!)

Wissen Sie, wo wir dann sind? Dann sind wir nicht mehr in Deutschland, sondern in Nordkorea.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich will Ihnen noch eines sagen: Der Typ in Nordkorea reicht mir. Auf Kim Jong Gauland kann ich verzichten.

Bedeutet das, dass alles gut ist? Natürlich nicht. Wir dürfen nicht erst anfangen, wenn die Menschen an unseren Grenzen angekommen sind. Wir müssen früher ansetzen, und zwar bei den Fluchtursachen. Das ist der erste Punkt.

(Beifall bei der SPD)

Wenn nun Ihre Rednerinnen und Redner in diesem Haus den Klimawandel leugnen, dann können Sie gleich Freifahrtscheine für eine weitere Million Flüchtlinge ausstellen; denn dann werden die Nächsten kommen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir brauchen ein gemeinsames europäisches Asylsystem. Aber Ihre Leute posten Solidarität mit Ungarn, Polen und Tschechien,

(Beifall bei der AfD)

also mit Ländern, die überhaupt nicht in der Lage sind, Solidarität zu üben. Das, was Sie hier betreiben, ist doch scheinheilig.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Da Sie der Meinung sind, dass sich nur die Starken durchsetzen, Herr Gauland, biete ich Ihnen an, gemeinsam ein Programm für die Schwachen aufzulegen, um sie nach Deutschland zu holen, zum Beispiel die Vergewaltigten und diejenigen, die bedroht sind und deren Familien schon ausgelöscht wurden. Wir werden dafür sorgen, dass sie auf sicheren und legalen Wegen nach Deutschland kommen. Sind Sie für ein solches politisches Vorhaben zu gewinnen?

(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Wenn Sie dieses Gesetz machen, überhaupt nicht!)

Wenn Sie sich dafür nicht gewinnen lassen, dann haben Sie das, was Sie gerade gesagt haben, nicht ernst gemeint.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Schuster, der vor mir gesprochen hat, kommt aus Südbaden. Ich komme aus Nordbaden. Was Herrn Schuster und mich verbindet, ist die Grenze zu Frankreich. Sie ist offen. So bin ich groß geworden. Ich möchte das bewahren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich komme aus einer kleinen Stadt.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Nolte?

Ja, natürlich. Herr Nolte gehört schließlich zu denjenigen, die den angesprochenen Unsinn posten. Er darf natürlich etwas fragen.

Herr Kollege, 2050 rechnet man mit mehreren Hundert Millionen migrationswilligen Menschen aus Afrika und weltweit mit bis zu 800 Millionen.

(Uli Grötsch [SPD]: 2050! Völlig irre!)

Wie sieht Ihr Konzept aus? Was wollen Sie mit all diesen Menschen machen, wenn Sie sie aufgenommen haben?

Mein Konzept ist, dass Sie allerspätestens 2050 nicht mehr in diesem Parlament sind

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Lachen des Abg. Dr. Alexander Gauland [AfD] – Dr. Alice Weidel [AfD]: Frage beantworten!)

und dass wir dann für eine Politik hier sorgen, die das verhindert, was Sie herbeireden.

(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Sie sind da nicht mehr in diesem Parlament! Mit dieser Politik ist Ihre Partei dann nicht mehr hier! – Dr. Alice Weidel [AfD]: Beantworten Sie bitte die Frage!)

– Wissen Sie, worauf es ankommt? Es kommt auf etwas an, womit ich schließen möchte. Es kommt auf globale Gerechtigkeit an. Das ist für Sie natürlich ein Fremdwort.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Zurufe von der AfD: Antwort!)

Aber Sie haben ja in den nächsten vier Jahren Gelegenheit, vielleicht auch noch etwas dazuzulernen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Damit komme ich jetzt auch zum Schluss. Ich habe erzählt, dass ich aus einer kleinen Stadt in Nordbaden komme. Ich mag die Menschen dort. Ich bin da aufgewachsen. Ich setze mich mit vollem Herzen für sie ein.

(Dr. Alice Weidel [AfD]: Kennen wir schon! Haben Sie schon einmal erzählt!)

Ich komme aus Deutschland,

(Dr. Alice Weidel [AfD]: Ach so?)

und ich liebe mein Vaterland, das mir viel ermöglicht hat. Aber, meine Kolleginnen und Kollegen, wir sind nicht alleine hier auf dieser Welt, und wir können nicht überallhin exportieren und überallhin reisen, aber mit den Problemen dieser Welt nichts zu tun haben wollen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Lassen Sie mich deswegen, weil es in diesem Raum so laut geworden ist, seitdem Sie da sind, und manchmal unerträglich laut,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Zuruf von der AfD: Weil vorher nie gestritten wurde! Weil alle einer Meinung waren!)

leise schließen:

Vergesst nicht  Freunde  wir reisen gemeinsam

besteigen Berge  pflücken Himbeeren

(Lachen bei Abgeordneten der AfD)

lassen uns tragen  von den vier Winden

Vergesst nicht  es ist unsre  gemeinsame Welt  die ungeteilte  ach die geteilte

die uns aufblühen lässt  die uns vernichtet  diese zerrissene  ungeteilte Erde  auf der wir  gemeinsam reisen

Rose Ausländer.

Ich wünsche Ihnen frohe Weihnachten.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und der LINKEN)

Zu seiner ersten Rede im Deutschen Bundestag rufe ich auf: Benjamin Strasser von der FDP.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7181862
Wahlperiode 19
Sitzung 5
Tagesordnungspunkt Einführung umfassender Grenzkontrollen
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