Benjamin StrasserFDP - Einführung umfassender Grenzkontrollen
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die AfD-Fraktion legt heute einen Antrag vor, der gleich in mehrfacher Hinsicht einen Aufruf zum Rechtsbruch darstellt.
(Widerspruch bei Abgeordneten der AfD)
Mal ganz abgesehen davon, dass Sie die Normenhierarchie und den Anwendungsvorrang europäischen Rechts zu ignorieren scheinen, behaupten Sie in Ihrem Antrag verschiedene Dinge, die einfach nicht stimmen. Sie behaupten, der Grenzschutz wäre nicht gewährleistet. Wahr ist, dass die Bundespolizei seit September 2015 auf Grundlage der Artikel 23 ff. des Schengener Grenzkodexes Grenzkontrollen an den von Flüchtlingsströmen besonders frequentierten Routen durchführt.
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Sie lassen sie rein!)
Das gilt insbesondere für die deutsch-österreichische Grenze, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
(Stephan Thomae [FDP]: Erste Rede!)
Also, die AfD-Fraktion muss es jetzt auch einmal ertragen, dass Fakten hier vorgetragen werden, ohne dass sie von ihr kommentiert werden. Wir sind nicht auf dem Parteitag, wir sind im Parlament.
(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Man mag darüber spekulieren, warum Sie diesen Antrag eingereicht haben: War es rechtliche Ahnungslosigkeit oder wurde Frau Weidel zu selten an der Grenze zur Schweiz kontrolliert? Wir wissen es nicht.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Was aber klar ist: Vollständige und effektive Grenzkontrollen oder, genauer gesagt, Abschottungen, wie sie die AfD-Fraktion hier fordert,
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Wie überall auf der Welt!)
sind rechtlich nicht haltbar und ein Verstoß gegen das Schengener Abkommen.
(Zurufe von der AfD)
Der EuGH hat jüngst in seinem Urteil vom 21. Juni 2017 bekräftigt, dass verdachtsunabhängige Kontrollen in Grenznähe, an Bahnhöfen und in Zügen nicht zu systematischen Grenzkontrollen ausarten dürfen. Was anders soll das denn sein, was Sie hier vorschlagen?
(Beifall bei Abgeordneten der FDP)
Mit Ihrem Antrag, werte Kolleginnen und Kollegen der AfD, zwingen Sie die Behörden und insbesondere die Beamtinnen und Beamten der Bundespolizei zu einem kollektiven Rechtsbruch auf deutschem Boden.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Widerspruch bei der AfD)
Das ist schon starker Tobak für eine Partei, die sich bei jeder sich bietenden Gelegenheit zur selbsternannten Hüterin des Rechts aufschwingt. Das Wort „Rechtsstaat“ sollten Sie ab heute nicht mehr in den Mund nehmen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir uns in der heutigen Zeit überhaupt mit solchen Abschottungsfantasien der AfD-Fraktion auseinandersetzen müssen, ist auch zahlreichen Versäumnissen der geschäftsführenden Bundesregierung in den letzten zwei Jahren zuzurechnen.
(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Ach nee!)
Wir reden über dieses Thema heute nur, weil es die derzeitige Große Koalition seit zwei Jahren nicht schafft, eine Antwort auf die Flüchtlingsfrage zu finden.
(Zurufe von der AfD)
Seit zwei Jahren sprechen Sie von fehlender Solidarität bei der Aufnahme von Flüchtlingen, und seit zwei Jahren finden Sie keine Verbündeten, die an der Seite der Bundesrepublik diese Solidarität in ganz Europa durchsetzen.
(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Warum sollten die? – Weitere Zurufe von der AfD)
Wo ich gerade schon dabei bin: Wie sieht es denn beim Schutz der europäischen Außengrenzen aus? Auch hier haben Sie seit zwei Jahren nichts erreicht. Es folgt Gipfel auf Gipfel, aber es gibt nach wie vor keinen wirksamen Schutz der EU-Außengrenze. Dieser Schutz ist aber eine gemeinsame europäische Aufgabe. Wenn wir an ihr scheitern, dann kehrt unser Kontinent dauerhaft zu Schlagbäumen zurück. Das wollen wir Freie Demokraten nicht!
(Beifall bei der FDP)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Antwort auf die Flüchtlingsfrage kann nicht deutsch, die Antwort auf die Flüchtlingsfrage kann nur europäisch sein.
(Beifall bei der FDP – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Das sagen Sie mal den Ungarn und den Tschechen! Die lachen Sie aus! – Weitere Zurufe von der AfD)
Deshalb muss die Grenzschutzagentur Frontex endlich zu einer europäischen Grenzpolizei ausgebaut werden, die über echte Kompetenzen, moderne Ausrüstung und ausreichend Personal verfügt. Wir brauchen mit Blick auf den afrikanischen Kontinent endlich eine gemeinsame europäische Strategie, damit die Hilfe vor Ort auch bei den Personen ankommt, die sie benötigen.
Schlussendlich gilt es, für eine gesteuerte Zuwanderung nach Europa zu sorgen. Ein erster Schritt wäre ein modernes Einwanderungsgesetz in Deutschland, das wir Freie Demokraten seit 1997 fordern.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der AfD)
Meine Damen und Herren, die FDP-Fraktion steht für ein Europa der Freiheit und des Rechts und nicht der nationalen Abschottung und der Rechtsbrüche. Deshalb stimmen wir zwar der Überweisung an den Hauptausschuss zu, lehnen Ihren Antrag inhaltlich aber ab.
(Marianne Schieder [SPD]: Wenigstens das!)
Vielen herzlichen Dank.
(Beifall bei der FDP)
Das Wort hat die Kollegin Ulla Jelpke von der Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7181863 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 5 |
Tagesordnungspunkt | Einführung umfassender Grenzkontrollen |