Lothar BindingSPD - Paradise Papers -Steuervermeidung und Geldwäsche
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Ich bin in der glücklichen Lage, nach dem Kollegen Middelberg und nach Lisa Paus zu sprechen. Ich finde, Mathias Middelberg hat recht gehabt: Wir haben viel gemacht – sogar viel Gutes –, haben viel erreicht. Trotzdem hat Lisa Paus recht: Wir müssen noch viel machen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Danke!)
Was hat uns eigentlich veranlasst, diesen Tagesordnungspunkt zum Thema Paradise Papers heute auf die Tagesordnung zu setzen, obwohl sie überhaupt keine neuen Steuervermeidungsstrategien aufgedeckt haben? Sie haben keine neuen Erkenntnisse gebracht – null. Was regt uns also auf? Die Dimension. Die Dimension hat uns etwas gezeigt, was wir nicht wussten: Es ist zur Normalität geworden, wovon wir glaubten, es sei die Ausnahme. Das ist etwas besonders Schlimmes: diese Parallelwelt, in der sich etwas auf Kosten einzelner Staaten, auf Kosten einzelner Völker zugunsten einzelner internationaler Konzerne entwickelt.
Gegen diese Normalität müssen wir mehr tun als bisher. Deshalb gibt es den SPD-Antrag. Der beinhaltet eine Besonderheit, die wir so bisher nicht betrachtet haben, obwohl wir es schon mehrfach versucht hatten. Es handelt sich dabei um nationale Maßnahmen. Wir brauchen einzelne nationale Maßnahmen, um in diesem Sumpf einigermaßen regulieren zu können.
Wenn heute Gewinne, die in der EU erwirtschaftet werden, über Mitgliedstaaten der EU – das ist das Besondere; wir denken immer: Steueroasen sind die bösen Dritten außerhalb –, wie die Niederlande, Irland, Malta, unbesteuert in Drittstaaten durchgeschleust werden, dann geschieht das auf unsere Kosten und auch auf Kosten anderer großer Nationen, die das Geld für ihre Infrastruktur bitter bräuchten.
Also: Steueroasen gibt es nicht nur in der Karibik, sondern auch in der EU. Leute nehmen für einen kleinen Vorteil in ihrem eigenen Land große Nachteile in anderen Staaten in Kauf. Das ist eine Form des unfairen Umgangs, den wir nicht hinnehmen wollen. Deshalb glauben wir, dass wir sehr viel mehr machen müssen.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Was heißt jetzt „machen“, und was heißt „fairer Umgang“? Wir haben bereits Kriterien für unfairen Steuerwettbewerb, zum Beispiel durch Definitionen wie „Die Unternehmensbesteuerung ist intransparent“. Deshalb haben wir Transparenz gefordert. Ein weiteres Kriterium: „Wir haben Privilegien ohne wirtschaftlichen Hintergrund.“ Auch das haben wir einigermaßen eingedämmt. „ Es gibt keine effektive Amtshilfe.“ Auch da haben wir einiges erreicht.
Was aber fehlt – das ist ein Kernfehler des BEPS-Projekts; das hast du, Lisa Paus, gut beschrieben –, ist: Eine Nullbesteuerung oder eine Dumpingbesteuerung gilt überhaupt nicht als unfair. Das gilt als fairer Wettbewerb. Die FDP hat dazu etwas gesagt; ich finde, viel Falsches. Aber es ist so, dass wir mit diesem Wettbewerb etwas induzieren, was letztendlich allen Staaten schadet.
Wir brauchen unbedingt Mindeststeuersätze – oder einen Korridor –, damit Gewinne nicht mehr unbesteuert in Drittländer durchgeschleust werden können. Das ist eine minimale Angelegenheit. Dazu müssen wir die Mutter-Tochter-Richtlinie angreifen, die Lizenzschranke, die Zinsschranke, die Gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage in den Blick nehmen. Das ist nicht hochkompliziert, das müssen wir aber machen, teilweise mit nationalen Maßnahmen.
Einen weiteren Punkt hat Lisa Paus schon vorgetragen: Wir brauchen schwarze Listen in einer neuen Qualität.
(Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)
Allerdings helfen schwarze Listen allein nichts. Wir müssen uns auch überlegen, welche gemeinsamen Sanktionen wir für diejenigen haben, die auf diese schwarze Liste geraten; denn wenn es keine Sanktionen gibt – das ist klar –, stört es mich auch nicht sonderlich, dass ich auf einer schwarzen Liste stehe.
Ich will noch die beiden Maßnahmen nennen, die uns wichtig sind und die wirksam sein können. Gelegentlich wird mir dabei quittiert, ich würde Unternehmen unter Generalverdacht stellen. Es ist aber so: Ich stelle nur die Gauner unter Verdacht, alle anderen nicht.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Was wollen wir machen? Wir brauchen eine Quellbesteuerung. Das, was wir üblicherweise jedem Arbeitnehmer abverlangen, wollen wir auch dem Unternehmen abverlangen. Stellt sich hinterher heraus, die Überweisung ins Ausland war in Ordnung, sie hatte einen wirtschaftlichen Grund, wird die Steuer erstattet, wenn nicht, haben wir unser Steuersubstrat gerettet. Das ist das eine.
Zum anderen brauchen wir eine Beschränkung des Betriebsausgabenabzugs für die Gelder, die unversteuert im Ausland landen. Werden sie dort fair besteuert, so ist es wunderbar, dann kann man den Betriebsausgabenabzug zulassen. Werden sie dort nicht besteuert, dann können sie hier nicht in Abzug gebracht werden.
(Beifall bei der SPD)
Wir hätten sonst eine doppelte Nichtbesteuerung. Das ist das besonders Unfaire.
Wer für ein faires System eintritt, kommt eigentlich nicht drumherum, unseren hervorragenden Antrag zu unterstützen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Vielen Dank, Lothar Binding. – Der nächste Redner hält jetzt seine erste Rede im Deutschen Bundestag. Ich rufe für die AfD auf: Leif-Erik Holm.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7182263 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 5 |
Tagesordnungspunkt | Paradise Papers -Steuervermeidung und Geldwäsche |