18.01.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 7 / Tagesordnungspunkt 8

Gero Clemens HockerFDP - Gesunde Ernährung

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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Die landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland erzeugen weltweit die hochwertigsten Lebensmittel. Sie erfüllen dabei die allerhöchsten Umweltstandards in den Bereichen Biodiversität und Trinkwasserqualität und viele andere umweltpolitische Anforderungen. Etwa jeder siebte Erwerbstätige in Deutschland ist mittelbar oder unmittelbar im Agrarbereich tätig. Insbesondere in sogenannten strukturschwachen Regionen und in Krisenzeiten sind es häufig genug unsere mittelständischen, familiengeführten landwirtschaftlichen Betriebe, die Menschen einen sicheren Arbeitsplatz gewähren. Ich sage unumwunden: Ich bin stolz auf die Landwirte in Deutschland und die tollen Leistungen, die sie jahrein, jahraus für uns erbringen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Trotzdem fühlen sich viele Landwirte gegenwärtig von der Politik ein Stück weit im Stich gelassen, vielleicht auch, weil sie das Gefühl haben, dass sie von einem Teil der Gesellschaft – häufig genug übrigens von dem Teil, der gerade nicht auf dem Land, sondern in den Städten wohnt – sozusagen als Buhmann für eine ganze Reihe von gesellschaftlichen Herausforderungen, die wir eigentlich gemeinsam bewältigen müssten, abgestempelt werden: Boden-, Luft- und Gewässerreinhaltung, Tierschutz, MRSA, Artenvielfalt. Es ist leicht, mehr Fläche für Nutztiere zu fordern oder andere Standards erhöhen zu wollen. Wenn man aber gleichzeitig beim Discounter um die Ecke nur 99 Cent für eine Putenbrust ausgeben will, dann sind das zwei Punkte, die nicht zueinanderpassen. Wer höhere Standards fordert, muss auch bereit sein, einen höheren Preis für die entsprechenden Leistungen und Produkte zu bezahlen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Meine Fraktion wird sich in den kommenden Jahren nicht an dem Bauern-Bashing, das immer mehr die Runde macht, beteiligen. Deswegen möchte ich auch nur ganz am Rande auf die, wie ich finde und wie wir finden, unsägliche Kampagne zu sprechen kommen, die es im letzten Jahr gegeben hat, als seitens des Umweltministeriums die „neuen Bauernregeln“ – die Branchenkenner werden sich erinnern – ausgegeben wurden. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass sich jemals ein ganzer Berufszweig durch eine solche Kampagne derart gekränkt, diffamiert und dauerhaft in seiner Berufsehre verletzt gefühlt hat. Wer pauschal einen Berufszweig derart verunglimpft, der hat nie recht. Diese Kampagne seinerzeit ist unerträglich gewesen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Natürlich gibt es schwarze Schafe. Die gibt es in jedem Beruf, und die gibt es damit – das liegt in der Natur der Sache – auch unter Landwirten. Es gibt Höfe, auf denen gegen Auflagen verstoßen wird, auf denen das Tierschutzgesetz nicht eingehalten wird, auf denen gegen das Düngerecht verstoßen wird und viele andere Dinge mehr. Gegen all diese Entwicklungen muss im Einzelfall mit aller Entschlossenheit vorgegangen werden. Aber man darf kein Pauschalurteil fällen und über einen gesamten Berufsstand den Stab brechen. Ich behaupte, dass 99 Prozent aller Betriebe nicht nur akribisch alle Auflagen einhalten, sondern auch ein ganz vitales Interesse daran haben, dass das Tierwohl geachtet wird und dass Umweltschutz eine große Rolle spielt. Verstöße Einzelner für alle zu einem Bewertungsmaßstab zu machen, kann nie richtig sein. Deswegen sollten wir uns von dieser Diffamierung verabschieden.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Lassen Sie mich zum Abschluss noch zwei Worte über das Sondierungspapier von CDU, CSU und SPD und über die Rolle der Landwirtschaft, die darin formuliert ist, verlieren. Ich hätte nicht gedacht, meine Damen und Herren, dass in einem Papier, an dem die CSU beteiligt ist, das Wort „Landwirtschaft“ erst auf Seite 23 von 28 zum ersten Mal Erwähnung findet, dass Sie tatsächlich glauben, auf einer knappen DIN-A4-Seite einen so komplexen Bereich abarbeiten zu können, und vor allem, dass Sie kein einziges Wort der Wertschätzung für die Hunderttausenden von Landwirten finden.

(Beifall bei der FDP – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das hättet ihr ja besser machen können!)

Aber Sie haben ja noch die Gelegenheit, zu verhandeln. Vielleicht werden Koalitionsgespräche geführt. Dann haben Sie die Möglichkeit nachzubessern.

(Volker Kauder [CDU/CSU]: Die Gelegenheit hätten Sie auch gehabt! – Katrin Göring-­Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sind ja leider nach Hause gegangen!)

Meine Damen und Herren, was mich bei diesem Papier besonders hat aufhorchen lassen, ist eine Formulierung, die ich mit Erlaubnis des Präsidenten gerne zitieren möchte. Da steht geschrieben:

Der gesellschaftlich geforderte Wandel in der Landwirtschaft und die veränderten Erwartungen der Verbraucher bedürfen einer finanziellen Förderung – national wie europäisch.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist doch nicht die Aufgabe von Sondierungspartnern, zu definieren, was gesellschaftlich gewünscht und gefordert wird, sondern das definieren die 80 Millionen Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland.

(Zuruf von der FDP: Sehr gut!)

Ich nenne Ihnen eine Zahl als Beispiel: Im Jahr 2017 hat der Umsatz von mit dem Biokennzeichen gekennzeichneten Lebensmitteln gerade einmal 5,7 Prozent des Gesamtumsatzes ausgemacht. 95 Prozent der Lebensmittel sind auf andere Weise erzeugt worden. Hier von einem gesellschaftlichen Wunsch nach finanzieller Förderung für andere Produktionsweisen zu sprechen, geht an der Realität der Gegenwart komplett vorbei.

(Beifall bei der FDP)

Ich glaube, wir merken auch bei dieser Debatte, dass wir in den nächsten Jahren beim Thema Landwirtschaft kontroverse Diskussionen führen werden. Ich glaube, das ist gut und auch eine Bereicherung für dieses Haus. Vielleicht können wir uns aber darauf verständigen, dass wir der Landwirtschaft über alle Fraktionsgrenzen hinweg wieder mehr Wertschätzung entgegenbringen, als das in den vergangenen vier Jahren der Fall gewesen ist. Ich darf das als eine der Aufgaben meiner Fraktion und derjenigen, die sich in meiner Fraktion mit diesem Thema beschäftigen, definieren.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Da haben wir keinen Nachholbedarf!)

Es ist eine ganz zentrale Herausforderung, der Landwirtschaft in diesem Hohen Hause wieder eine Stimme zu verleihen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP)

Danke sehr. – Nächste Rednerin in der Debatte ist die Kollegin Amira Mohamed Ali von der Fraktion Die Linke. Auch für sie ist es die erste Rede im Deutschen Bundestag.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7192602
Wahlperiode 19
Sitzung 7
Tagesordnungspunkt Gesunde Ernährung
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