Konstantin KuhleFDP - Gesetz zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kaum ein anderes Thema hat die Menschen und die politischen Parteien in den letzten Wochen und Monaten so sehr beschäftigt wie die Frage des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte. Dass das so ist, liegt daran, dass wir als nationaler Gesetzgeber in dieser Frage einen eigenen Ausgestaltungsspielraum haben. Anders als beim Familiennachzug zum anerkannten Flüchtling im engeren Sinne müssen wir uns hier in der Sache damit befassen und können eine Regelung auf den Weg bringen, bei der wir natürlich Artikel 6 des Grundgesetzes berücksichtigen müssen, bei der wir aber auch berücksichtigen müssen, was die zuständigen Kreise – diejenigen, die sich tagtäglich in der Flüchtlingspolitik und Flüchtlingshilfe engagieren – dazu sagen. Nach Einschätzungen des Deutschen Städte- und Gemeindebundes fehlt es auch weiterhin an ausreichend Kinderbetreuungs- und Schulplätzen sowie an ausreichend Wohnraum für Geflüchtete. Neben der Personengruppe, um die es heute gehen soll, nehmen die Kommunen auch die Flüchtlinge im engeren Sinne und deren Familienangehörige auf.
Aus diesen Gründen ist die FDP-Fraktion dafür, die Übergangsregelung zur Aussetzung des Familiennachzugs bei subsidiär Schutzberechtigten zu verlängern,
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
allerdings mit zwei Änderungen.
Erstens. Es gibt bestimmte Härtefälle, in denen aufgrund der besonderen Situation der Familie oder desjenigen, der nachziehen soll, oder der Situation im Heimatland ein Nachzug möglich sein soll. Meine Damen und Herren der CDU/CSU und der SPD, es ist überhaupt nicht einzusehen, warum diese Zahl der Härtefälle willkürlich auf 1 000 beschränkt sein soll.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Zweitens. Wir sind für eine Veränderung dieser Übergangsregelung, weil es Menschen gibt, die, obwohl sie hier nur vorübergehend einen Schutzstatus genießen, nämlich denjenigen des subsidiären Schutzes, sich trotzdem integrieren, zum Beispiel indem sie eine Arbeit aufnehmen und für ihren Lebensunterhalt und den ihrer Familie sorgen. Meine Damen und Herren von der AfD: Warum sollen denn diese Menschen nicht auch ihre Familien nach Deutschland nachziehen lassen? Das ist schlichtweg nicht einzusehen.
(Beifall bei der FDP – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Weil sie dann nicht mehr weggehen! Das ist doch das Dilemma!)
Aus diesen Gründen hat die FDP-Fraktion einen eigenen Gesetzentwurf zu diesem Thema eingebracht. Wir werden der Überweisung des Gesetzentwurfs der AfD in den Innenausschuss zustimmen. Er ist aber in der Sache abzulehnen, weil er eine solche Härtefallregelung nicht umfasst und davon ausgeht, es handele sich beim Syrienkonflikt – ich zitiere – um einen „allmählich abflauenden Krieg“ und gar „Befriedung“.
Dass Sie angesichts der Ereignisse in Syrien – erst gestern, erst in dieser Woche haben die Vereinten Nationen von einer Intensivierung der Kampfhandlungen in bestimmten Gebieten und von über 200 000 Vertreibungen gesprochen; am 7. Januar gab es 23 Tote bei einem Bombenanschlag in Idlib – von einer Befriedung sprechen, ist doch der blanke Hohn. Deswegen ist dieser Gesetzentwurf in der Sache abzulehnen.
(Beifall bei der FDP)
Der subsidiäre Schutz wird in der Regel für ein Jahr verliehen und kann auf zwei Jahre verlängert werden. Der Syrienkonflikt dauert aber seit 2011 an. Deswegen gibt es Menschen, die dauerhaft, länger als zwei oder drei Jahre, von ihren Familien getrennt sind. Wenn man hier das Kindeswohl besonders berücksichtigt, dann muss in solchen Fällen der Familiennachzug möglich sein. Ein Härtefall kann auch vorliegen, wenn Menschen, die nachziehen sollen, bei einem Aufenthalt in Deutschland selber Anspruch auf subsidiären Schutz hätten. Es ist doch sinnlos, für diese Menschen den Familiennachzug nicht zu öffnen. Auch hier bedarf es einer Härtefallregelung.
Meine Damen und Herren, wir sind dafür, dass es eine weitere Übergangsregelung gibt. Zwei Jahre müssen genug sein, um endlich ein kohärentes Flüchtlings- und Einwanderungsrecht in Deutschland zu schaffen, mit einem Punktesystem für die Einwanderung, aber auch mit neuen Regelungen zu Bürgerkriegsflüchtlingen. Dann kann auch jemand hierbleiben, der als Flüchtling gekommen ist, aber dann die Kriterien des Einwanderungsgesetzes erfüllt.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)
Auch diese Menschen müssen eine Möglichkeit haben, hierzubleiben.
Ihre pauschale Lösung, meine Damen und Herren von der AfD, trifft nicht die Komplexität der Einzelfälle. Dieser Gesetzentwurf ist zu überweisen, aber dann final abzulehnen, weil Ihre Ressentiments leider die Sicht auf die Komplexität vernebeln, die aber gebraucht wird, um die Einzelfälle zu bewerten.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP)
Nächste Rednerin ist Ulla Jelpke für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7192651 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 7 |
Tagesordnungspunkt | Gesetz zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes |