Johann SaathoffSPD - Klimaschutz
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist eine spannende neue Debatte zur Energiepolitik, die wir heute erleben. Ich gebe offen und ehrlich zu: Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll, die Argumente aufzuräumen.
(Beifall der Abg. Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Also: Wir haben hier Energiepreisvergleiche, die hinken von hier bis nach Emden. Wir haben hier Albtraumwelten aufgezeigt bekommen, die aus meiner Sicht wirklich jeder Grundlage entbehren. Ich würde gern anfangen, das eine oder andere geradezurücken, aber das mache ich an dieser Stelle nicht. Ich will nur einen Punkt deutlich machen, der, glaube ich, jedem hier im Haus wichtig sein muss.
Wir haben internationale Vereinbarungen zum Klimaschutz unterzeichnet, für die wir alle verantwortlich sind und für die wir alle einzustehen haben.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)
Die Auswirkungen, liebe Kolleginnen und Kollegen, finden Sie nicht nur auf den Fidschis. Wenn Sie die Auswirkungen sehen wollen, dann kommen Sie einmal an die norddeutsche Küste und schauen sich das an. Fragen Sie die Küstenbewohner, wie sie es eigentlich finden, dass sie an der Küste in Gefahr geraten könnten, weil es immer noch welche gibt, die den Zusammenhang zwischen CO 2 -Ausstoß und Klimawandel infrage stellen und sich eine Studie dazu suchen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)
Ich lese die Anträge so, dass der Eindruck erweckt werden soll, dass das 2020-Ziel damit erreicht wird, und das quasi mit einer eierlegenden Wollmilchsau. Aber ich glaube – jedenfalls habe ich versucht, das nachzurechnen –: Wenn wir Ihre Anträge so beschließen würden, wie sie vorgelegt worden sind, dann würden wir das 2020-Ziel immer noch nicht erreichen; denn mit einer Abschaltung von 10 Gigawatt bei Braunkohlekraftwerken wird die Klimalücke bestenfalls zur Hälfte geschlossen – von den strukturellen Auswirkungen, die das mit sich bringt, ganz zu schweigen und von der dadurch schwindenden Akzeptanz der Energiewende auch ganz zu schweigen. Aber wenn wir diese Hälfte aus dem Antrag heraus schaffen würden,
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum macht ihr das nicht?)
dann hätten wir zusätzlich ein Problem; denn es würde noch länger dauern, die zweite Hälfte in den anderen Sektoren zu erreichen. Ich glaube, dass wir darüber intensiver im Ausschuss reden müssen. Wir sind uns aber einig, dass wir alle zusammen das 2020-Ziel ganz gern erreicht hätten; überhaupt gar keine Frage.
Das Erreichen schaffen wir aber nicht nur über einen Sektor, nämlich über die Produktion von Strom. Wir brauchen ein Gesamtpaket von Maßnahmen für die energiepolitischen Ziele quer über alle Sektoren: die Stromproduktion, den Verkehrssektor, in dem wir nicht gerade Erfolge erzielt haben, sondern in dem genau das Gegenteil eingetreten ist,
(Zuruf der Abg. Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
den Gebäudesektor und, last, but not least, Frau Staatssekretärin, auch die Landwirtschaft, die oftmals vergessen wird, wenn diese Sektoren erwähnt werden.
(Beifall bei der SPD)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, „Good inseipt is halv schkoon“, sagt man in Ostfriesland. Also: Gute Vorbereitung erleichtert die Arbeit.
Viel wichtiger als die Frage, wann welches Kohlekraftwerk stillgelegt wird, sind die folgenden Fragen: Wie werden wir die Netzentgeltsystematik energiewendetauglich machen? Wie werden wir kurzfristige Flexibilitäten anreizen können? Wie werden wir Netze intelligenter machen können? Wie werden wir in Bestandsnetzen vorhandene Potenziale nutzen können? Wie werden wir gemeinsam mit den Netzbetreibern auf allen Ebenen einen optimalen Netzbetrieb organisieren können, und wie werden wir zügig die Netzrelevanz der vorhandenen und möglichen neuen Speicher beziffern und fair anreizen können?
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum steht denn dazu nichts im Sondierungspapier, wenn das so wichtig ist?)
Mit diesen Fragen müssen wir uns gemeinsam beschäftigen und dürfen hier nicht irgendwelche Dogmendebatten führen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Ich würde gern über die Sacharbeit mit Ihnen reden.
Ich will aber nicht nur kritisieren. Uns eint das Ziel, eine gute Energiewende hinzubekommen, und ich freue mich, dass bestimmte Punkte aufgegriffen wurden, nämlich: schneller Ausbau der Erneuerbaren, Klimaschutzgesetz – das wollen wir auch, steht im Sondierungspapier. Der Antrag zur Windkraft hat ähnliche, aber nicht gleiche Ansätze.
Wir wollen die breit getragene Bürgerenergie erhalten, und dazu müssen wir nachregeln, keine Frage. Es war richtig, dass wir in der letzten Legislaturperiode die BImSchG-Befreiung für Bürgerenergieprojekte aufgehoben haben. Wenn Sie in dem Antrag jetzt nur zwei weitere Ausschreibungen aufheben, dann ist das aus meiner Sicht zu kurz gesprungen, weil die Neuregelung für die Bürgerenergie eine Zeitlang dauert, wenn wir sie denn gründlich machen wollen.
(Beifall bei der SPD)
In den nächsten drei Jahren wollen wir deutlich mehr Wind und PV ausschreiben; aber die Realisierungsfrist von 18 Monaten ist mir ehrlich gesagt zu lang. Genehmigte Projekte liegen vor und könnten eher umgesetzt werden.
Ich kann verstehen, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, dass Sie sich über das Sondierungsergebnis nicht so wahnsinnig freuen; das ist schon so. Aber das mit der Jamaika-Koalition war aus meiner Perspektive auch nicht viel ehrgeiziger.
(Beifall bei der SPD)
Sie müssen trotzdem langsam zum Schluss kommen.
Ja, Herr Präsident. Ich sage den letzten Satz. – Die Jamaika-Koalition wäre nicht ehrgeiziger gewesen. Im Grunde dürften Sie alle miteinander froh sein, dass Herr Lindner nun doch nicht regieren wollte.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7192909 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 7 |
Tagesordnungspunkt | Klimaschutz |