Sonja SteffenSPD - Aktuelle Stunde - Freiheit und Gleichheit von Frauen
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir alle bedauern den Mord in Kandel sehr. Ich selber bin Mutter von drei Töchtern im Alter von 16, 17 und 23 Jahren.
(Tino Chrupalla [AfD]: Wir haben auch Kinder!)
Ich kann mir vorstellen, wie schrecklich das für die Familie ist. Deshalb möchte ich an dieser Stelle mein aufrichtiges Beileid aussprechen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der AfD, der FDP und der LINKEN)
Aber, meine Kollegin von der AfD, wenn Sie über den Mord in Kandel reden wollen, dann bezeichnen Sie bitte Ihre Aktuelle Stunde auch entsprechend. Verstecken Sie sich nicht hinter einem anderen Titel. Instrumentalisieren Sie nicht die Frauenrechte für ein völlig anderes Anliegen. Das gehört sich nicht.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Aber ich muss gleichzeitig sagen: Wir haben auf diesem sehr schludrigen und komischen Weg die Möglichkeit gehabt, eine sehr gute Debatte zum Thema Frauenrechte zu führen. Immerhin kann man dem Ganzen etwas Gutes abgewinnen.
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nur zwischen fünf Fraktionen! Die anderen haben nichts zu Frauenrechten gesagt!)
Dabei habe ich allerdings mit Unbehagen festgestellt, dass die AfD – Thema Parallelgesellschaft – in ihrer eigenen Partei eine Parallelgesellschaft konstruieren will, die die Freiheit und die Gleichheit der Frauen – Thema der Aktuellen Stunde – extrem beeinträchtigt.
Wie hat Ihr Kollege vorhin bei der Debatte zum Klimaschutz gesagt? Wir bleiben in unserer Welt. – Ja, das merkt man auch in der Frauenpolitik.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)
„Freiheit und Gleichheit von Frauen stärken“ – so ein Anliegen kommt ausgerechnet von Ihrer Fraktion mit einem Anteil von zehn Frauen bei 82 Männern.
(Tino Chrupalla [AfD]: Bei uns gibt es keine Quote!)
Schon in Ihrem Wahlprogramm haben Sie zum Thema Quote – ich zitiere einmal – die „Gender-Ideologie“ für verfassungsfeindlich erklärt.
(Beifall bei der AfD – Tino Chrupalla [AfD]: Ist sie auch!)
Denn diese würde – ich zitiere – „die naturgegebenen Unterschiede“ zwischen Männern und Frauen infrage stellen. O-Ton Ihrer Partei:
Wir lehnen daher Bestrebungen auf nationaler wie internationaler Ebene ab, diese Ideologie durch Instrumente wie Gender-Studies, Quotenregelungen … den „Equal Pay Day“ … umzusetzen.
(Beifall bei der AfD)
Ich sage Ihnen einmal etwas: Es ist kein naturgegebener Unterschied zwischen Männern und Frauen, wenn Frauen in Deutschland immer noch um 22 Prozent geringere Löhne als Männer haben.
(Tino Chrupalla [AfD]: Das hat doch damit nichts zu tun!)
Wie gut, dass wir von der SPD in der letzten Legislatur das Lohntransparenzgesetz durchsetzen konnten.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Tino Chrupalla [AfD]: Deswegen haben Sie die Wahl gewonnen!)
Und noch etwas: Wir werden nicht aufhören, weiter für die Verbesserung der Löhne der Frauen zu kämpfen, und ja, der Equal Pay Day ist ein wichtiger, inzwischen bundesweit bekannter Mahntag für diesen Kampf.
Es ist übrigens auch kein naturgegebener Unterschied zwischen Männern und Frauen, wenn im Jahr 2017 nicht einmal 7 Prozent der Frauen in Deutschland Führungspositionen besetzten. Wie gut, dass die SPD das Gesetz zur Frauenquote in der letzten Legislatur durchsetzen konnte.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Tino Chrupalla [AfD]: Was ist daran gut?)
Auch hier sage ich Ihnen: Wir werden weiter kämpfen und hoffentlich damit erfolgreich sein, die Frauenquote auch in Vorständen durchzusetzen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Tino Chrupalla [AfD]: Niemals!)
Ein Recht auf Abtreibung und das geltende Recht auf Scheidung steht übrigens ebenso auf der Abschussliste Ihrer Partei wie das gerade errungene und sehr mühsam und lange umkämpfte Recht auf die Ehe für alle.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend möchten Sie – das hat Frau Schön bereits gesagt – in ein Bundesministerium für Familie und Bevölkerungsentwicklung umgestalten.
Wenn ich – zugegeben widerwillig – Ihr Programm lese, stelle ich fest, meine Herren von der AfD, dass Sie die Frauen am liebsten als den Männern unterstellte Gebärmaschinen betrachten würden.
(Lachen bei der AfD – Dr. Bernd Baumann [AfD]: Sie verwechseln da etwas! – Jürgen Braun [AfD]: Das ist Populismus!)
– Genau das lese ich in Ihrem Programm. – Sie reduzieren die Rolle der Frau auf das kindergebärende Heimchen am Herd. So hätten Sie es am liebsten. Sieht so Freiheit für die Frau aus?
(Ulli Nissen [SPD]: Nein! – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Wenn Sie nicht lesen können, können wir nichts dafür!)
Was ist mit dem Recht der Frau auf Selbstbestimmung? Was ist mit dem Recht der Frau auf freie Berufswahl, mit den Karrierewünschen, die wir Frauen haben? Was ist mit dem hart erkämpften Recht auf Vereinbarkeit von Familie und Beruf? Was ist mit den vielen Alleinerziehenden, denen Sie die Mittel streichen wollen? Wissen Sie was? Alleinerziehende müssen arbeiten gehen, um sich und ihre Kinder zu versorgen.
(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Blödsinn! – Weitere Zurufe von der AfD – Gegenruf des Abg. Dr. Christian Jung [FDP]: Seien Sie doch mal leise!)
Was reden Sie in Ihrem Wahlprogramm? Sie leben immer noch in der heilen Welt von Vater, Mutter, Kind. Papa geht arbeiten, Mutter ist zu Hause und versorgt das Kind und den Herd. Das ist aber nicht mehr so. Die Zeiten haben sich geändert. Aufgewacht, meine Herren!
(Beifall bei der SPD)
Ja, es gibt bei uns in Deutschland Familien und Gruppen, die andere Werte leben und vermitteln, als es dem Grundgesetz entspricht. Aber man bekämpft das nicht mit Ausgrenzung, sondern indem man Integration lebt.
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Funktioniert die?)
Genau das tun Sie nicht.
Es ist Aufgabe unseres Rechtsstaates, dafür zu sorgen, dass sich jeder, der hier lebt, an das Grundgesetz hält – das ist selbstverständlich – und dass Übergriffe gegen Frauen verfolgt und bestraft werden. Aber, meine Damen und Herren von der AfD, wir Frauen brauchen Ihre Unterstützung nicht;
(Ulli Nissen [SPD]: Bestimmt nicht! Darauf können wir bestens verzichten, wenn ich an diesen verlogenen Antrag denke!)
denn da blüht uns bestimmt nichts Gutes.
(Beifall bei der SPD – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Wir sprechen für die Wähler, die Sie verloren haben!)
Zu seiner ersten Rede im Deutschen Bundestag hat der Abgeordnete Martin Reichardt aus der AfD-Fraktion das Wort.
(Beifall bei der AfD)
Source | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
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Electoral Period | 19 |
Session | 7 |
Agenda Item | Aktuelle Stunde - Freiheit und Gleichheit von Frauen |