19.01.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 8 / Zusatzpunkt 4

Ulla JelpkeDIE LINKE - Änderung des Aufenthaltsgesetzes

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr de Maizière, aber auch andere Kollegen, ich denke, wer hier das Grundrecht auf Familienschutz infrage stellt, spaltet nicht nur unsere Gesellschaft, sondern macht auch jegliche Integration kaputt, und das geht gar nicht.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Thomae, ich teile Ihre grundlegende Einschätzung, was die Verfassung und das Grundrecht auf Familie angeht. Aber ich möchte allen hier im Hause einmal an einem Beispiel vorführen, was es eigentlich für einen minderjährigen jugendlichen Flüchtling aus Syrien bedeutet, wenn er oder sie keinen Familiennachzug bekommt: 2013 in den Kriegswirren von der Familie getrennt, nach langer Flucht 2015 endlich in Deutschland angekommen, dann ein Jahr warten auf eine Asylentscheidung, um dann die Familie nachholen zu können, dann die Entscheidung: subsidiärer Schutz, also vorübergehend für ein Jahr. Wir haben hier schon gehört: Gerade die Flüchtlinge aus Syrien werden über lange Zeit bleiben. Das ist auch unsere Einschätzung. Für unseren Flüchtling folgt dann die Aussetzung des Familiennachzugs im März 2016 für zwei Jahre. Härtefälle scheitern in der Regel. Dann, im Jahre 2018 – das Kind ist schon fünf Jahre von der Familie getrennt –, soll eine weitere Familienzusammenführung nicht folgen.

Meine Damen und Herren, das heißt: weiter warten, hoffen auf die Staffelung aus den Sondierungsgesprächen. Inzwischen naht der 18. Geburtstag. Das Recht auf Familiennachzug ist dann verwirkt, und wahrscheinlich wird dieser Jugendliche seine Familie über lange Jahre nie wiedersehen. An diesem Punkt kann ich nur sagen: Jedes Kind, jeder Jugendliche braucht seine Eltern, und die Eltern brauchen ihre Kinder, wenn sie wirklich integriert werden sollen. Dafür müssen wir hier kämpfen.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Übrigen: Wie soll dabei überhaupt funktionieren, ein Kriegstrauma – Schutzsuchende werden mental dadurch zerstört – zu behandeln?

Frau Kollegin, ich bitte um Entschuldigung. Gestatten Sie eine Zwischenfrage aus den Reihen der AfD-Fraktion?

(Lachen bei der AfD)

Nein. – Die Konsequenz Ihrer Politik ist eben, dass Familien zerrissen werden, Flüchtlinge auch schon in den Tod getrieben wurden. Ich habe hier einmal das Beispiel angeführt, wie Frau und Kinder im Mittelmeer ertrunken sind, weil eine Familie es nicht mehr ausgehalten hat. Es ist meines Erachtens auch von vielen Studien belegt worden, wie wichtig gerade die Familienzusammenführung für die Integration ist. Sie gehört ganz eindeutig dazu. Kirchen, NGOs fordern: Bitte, macht endlich die Familienzusammenführung wieder möglich. – Das wird hier einfach ignoriert.

Die Menschen, die helfen, haben mit der Bürokratie in Deutschland größte Schwierigkeiten. Sie sind frustriert und werden abgeschreckt, sodass sich manche nicht weiter engagieren. Auch das ist nicht hinnehmbar.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Innenminister, wir reden hier über 60 000 Menschen, die zuziehen würden. Das Ergebnis der Sondierungsgespräche für die GroKo ist, dass die Familien weiterhin fünf Jahre warten müssen, bis sie hierherkommen können. Ich halte das ganz klar für verfassungswidrig. Damit missachten Sie den Grundsatz des Schutzes der Familie ganz eindeutig.

(Beifall bei der LINKEN)

Da möchte ich auch noch einmal an die SPD appellieren. Wie kann es sein, dass Sie sich auf einen so faulen Kompromiss einlassen? Sie wissen ganz genau, wie die Zahlen aussehen, und Sie wissen auch ganz genau, was das im Einzelnen bedeutet.

Zum Schluss möchte ich noch ganz kurz darauf eingehen, dass die Union nicht einmal den Fachausschuss beraten lassen will,

(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: So ein Quatsch! Es gibt eine Anhörung im Ausschuss!)

sondern im Hauruckverfahren am Montag der nächsten Sitzungswoche eine Anhörung im Hauptausschuss durchführen will, also nicht im Fachausschuss. Ich finde diese Durchzockerei unmöglich. Wir brauchen eine vernünftige Beratung mit Sachverständigen und keine Durchzockerei. Durch diesen Umgang mit den 60 000 Menschen machen Sie eine Politik in diesem Land, die unerträglich ist und die tatsächlich dazu führt, dass hier weiterhin Vorurteile geschürt werden, und vor allen Dingen dazu, dass diese Gruppe stigmatisiert wird. Die Linke steht ganz klar dafür, den Familiennachzug sofort wieder zuzulassen, damit endlich Humanität eintritt.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der LINKEN)

Nächste Rednerin ist die Fraktionsvorsitzende der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Frau Göring-Eckardt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7193001
Wahlperiode 19
Sitzung 8
Tagesordnungspunkt Änderung des Aufenthaltsgesetzes
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