31.01.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 10 / Zusatzpunkt 1

Fabio Valeriano Lanfranco De MasiDIE LINKE - Aktuelle Stunde zu einer europäischen Bankenunion

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Dass Sie die Befreiung von einem großen Unglück für dieses Land auch nach der heutigen Gedenkstunde als eine Kapitulation bezeichnen, das zeigt: Sie sind keine Alternative für Deutschland; Sie sind eine Schande für Deutschland.

(Beifall bei der LINKEN, der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wissen Sie, warum ich so gerne Abgeordneter bin? Als Kind las mir Mutti immer Märchen vor. 2014 verkündete die Bundeskanzlerin auf dem G-20-Gipfel in Brisbane:

... es wird nie wieder notwendig sein …, dass, wenn große Banken zusammenbrechen, ... Steuerzahler diese Banken retten müssen.

Es ist schon wieder Märchenstunde, und ich werde auch noch dafür bezahlt.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, schrieb kürzlich:

Einiges spricht dafür, dass die Finanzmärkte im Jahr 2018 eine Korrektur erfahren, die ernste wirtschaftliche Verwerfungen mit sich bringen können.

Herr Kollege, einen kleinen Moment, bitte. – Auch wenn ich Verständnis dafür habe, dass Erregung im Saal herrscht, bitte ich doch darum, dem Redner zuzuhören.

(Beifall bei der LINKEN – Jürgen Braun [AfD]: Ihr Kollege von der FDP nennt uns Rassisten!)

Die wirtschaftliche Euphorie hat viele Akteure der Politik und auf den Finanzmärkten träge und blind vor den wachsenden Risiken gemacht.

Der frühere Vorsitzende des Beirats des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken, Martin Hellwig, vertraut den Basel-Reformen zur Bankenregulierung nicht. Er fordert hohe Eigenkapitalquoten, die nicht durch die internen Modelle der Banken frisiert werden können. Das würde die Finanzierung von Banken und Kredite übrigens nicht teurer machen, weil auch Risikoprämien sinken.

Zehn Jahre nach der Finanzkrise ist das zentrale Problem aber nicht gelöst. Große Universalbanken sind immer noch zu groß und zu vernetzt zum Scheitern und werden wieder Steuerzahler erpressen.

(Beifall bei der LINKEN)

Auch die EZB unterliegt als Aufsicht und Kreditgeber der Banken permanenten Interessenkonflikten.

Der einstige US-Glass-Steagall-Act zur Trennung der Banken umfasste nur 37 Seiten. Die EU-Bankenregulierung umfasst Hunderte Telefonbücher, aber mit Tausenden Schlupflöchern. Die Bilanz der Deutschen Bank ist immer noch 1,5 Billionen Euro schwer. Das entspricht dem Bruttoinlandsprodukt Italiens. Der IWF stuft die Deutsche Bank daher zu Recht als die gefährlichste Bank der Welt ein.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Deutsche Bank wäre ohne diverse Rettungsmilliarden von AIG, über HRE oder Griechenland mausetot. Dennoch schüttet sie schon wieder Boni von 1 Milliarde Euro aus.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Unglaublich!)

Die sind das Volkswagen der Banken.

Man traut sich das als Linker kaum zu sagen: Die Deutsche Bank ist faktisch eine Staatsbank, mit dem feinen Unterschied, dass sie Gewinne privatisiert und Verluste vergemeinschaftet. Für das riskante Investmentbanking genießt sie über die faktische Staatshaftung eine Subvention der Steuerzahler bzw. einen Finanzierungsvorteil.

Die EU-Kommission hat indes die Aufspaltung der Megabanken unter dem Druck der Lobby beerdigt. Daher bleiben das Abwicklungsregime und die Haftung von Eigentümern und Gläubigern der Banken, wie sie für jeden Handwerker gelten, völlig unglaubwürdig. Die Ausnahme vom Haftungsprinzip bei Bedrohung der Finanzstabilität ist daher eine Lex Deutsche Bank & Co.

Das Volumen des EU-Abwicklungsfonds soll in fünf Jahren 55 Milliarden Euro betragen. Die europäischen Bankenrettungen kosteten 592 Milliarden Euro, mehr als das Zehnfache – ohne Garantien, die in der Spitze 900 Milliarden Euro umfassten.

Bereits die Abwicklung der Banco Popular hätte den Abwicklungsfonds ohne die Übernahme durch die Banco Santander überfordert. Aber Fusionen verschärfen die Konzentration im Bankensektor und die systemischen Risiken. Das ist, wie in einem Raum mit Grippepatienten die Klimaanlage anzustellen. Sie wissen, dass der Abwicklungsfonds nicht trägt. Daher soll mit dem EWF auch eine weitere Verteidigungslinie von 60 Milliarden Euro geschaffen werden, auch zur Einlagensicherung.

Eine EU-Einlagensicherung ist aber nur sinnvoll, wenn man Risiken reduziert, bevor man sie streut.

(Beifall bei der LINKEN)

Die EU-Kommission will aber wie bei der Bankenabgabe die Sparkassen und Genossen zur Finanzierung der Großbanken schröpfen. Dabei verfügen die über eine eigene Institutssicherung und werden vom Rettungsfonds niemals profitieren. Wir brauchen daher ein Ende der investitionsfeindlichen Kürzungspolitik, siehe Portugal.

(Beifall bei der LINKEN)

Dies würde es südeuropäischen Banken ermöglichen, aus schlechten Krediten herauszuwachsen. Eine Trennung von Megabanken und strengere Eigenkapitalvorschriften würden den Bankensektor stabilisieren. Verbleibende systemische Risiken könnte im absoluten Notfall die EZB in die Bilanz nehmen, aber nur bei strikter öffentlicher Kontrolle der Banken, weil die uns sonst ihren ganzen Finanzmüll vor die Füße kippen.

(Beifall bei der LINKEN)

Das wäre die billigste Lösung, weil Euros die EZB nichts kosten und sie frei bilanzieren kann.

Herr Kollege De Masi, kommen Sie zum Schluss.

Eine Bankenunion als Vollkaskoversicherung für Deutsche Bank & Co lehnt Die Linke hingegen ab.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor ich den nächsten Redner aufrufe – Herr Kollege Schick, einen ganz kleinen Moment! –, bitte ich, folgenden Hinweis zu beachten: Aussagen im Plenum können vom Präsidium nur dann gerügt werden, wenn das Präsidium sie gehört hat. Herr Kollege Braun, wir haben nur vernommen, dass Sie davon gesprochen haben, dass Sie als Rassist bezeichnet worden sind. Weder vom Präsidium noch von der Verwaltung ist eine solche Aussage zur Kenntnis genommen worden. Aber es wäre aus unserer Sicht unparlamentarisch, so miteinander umzugehen. – Wenn das reicht, ist es in Ordnung.

(Zustimmung des Abg. Jürgen Braun [AfD])

Herr Kollege Schick, Sie haben als Nächster das Wort.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7197609
Wahlperiode 19
Sitzung 10
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zu einer europäischen Bankenunion
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta