01.02.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 11 / Tagesordnungspunkt 7

Konstantin KuhleFDP - Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems

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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Während wir dieser Tage und auch heute Morgen über das Thema „Familiennachzug für Bürgerkriegsflüchtlinge“ diskutieren, gibt es in der Europäischen Union, in Brüssel eine Debatte über die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems. Diese Debatte hat auf das Gesamtgefüge der europäischen und der deutschen Flüchtlingspolitik eine viel größere Auswirkung als die Debatte über den Familiennachzug, die wir heute Morgen geführt haben. Deswegen ist es richtig, dass wir uns anhand der beiden heute vorliegenden Anträge mit dieser Frage befassen; denn eine so weitreichende Diskussion darüber, was ein sicherer Herkunftsstaat, ein sicherer Drittstaat aus der Sicht des Unionsrechts sein kann, sollte nicht im Hinterzimmer, sondern vor den Augen der europäischen Öffentlichkeit geführt werden.

(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was ist der Hintergrund der heutigen Debatte? Die Europäische Union arbeitet an ihren Außengrenzen mit Staaten zusammen, die entweder aus rechtlichen oder aus tatsächlichen Gründen den fliehenden Menschen nicht dasselbe Niveau an Menschenrechtsschutz bieten, wie er nach dem Unionsrecht vorgeschrieben ist. Durch eine Reform – das ist eine Initiative der Ratspräsidentschaft – soll nun festgeschrieben werden, dass es den Mitgliedstaaten erlaubt ist, andere Staaten auch dann als sicher einzustufen, wenn dort abweichende Menschenrechtsstandards erfüllt werden. Dazu sind aus Sicht der FDP-Fraktion drei Anmerkungen zu machen:

Zum einen sollten wir endlich aufhören, die Rechtsregeln, die sich bewährt haben, an die tatsächliche Situation anzupassen, und stattdessen lieber darüber reden, wie wir die tatsächliche Situation an den europäischen Außengrenzen verbessern können. Dabei sollten wir uns an den guten Rechtsregeln, die es gibt, orientieren. Das sind die Europäische Menschenrechtskonvention und die Genfer Flüchtlingskonvention. Diese müssen auch an den europäischen Außengrenzen gelten.

(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Denn was ist das für ein Zeichen in der Völkerrechtspolitik, wenn ausgerechnet Europa nicht mehr Vorreiter, nicht mehr Vorbild beim internationalen Menschenrechtsschutz ist, sondern an dieser Stelle abbaut? Das ist ein schlechtes völkerrechtspolitisches Zeichen. Deswegen muss das hier kritisch betrachtet werden.

Zweitens. Ich glaube, dass wir auf der nächsten Stufe eines Gemeinsamen Europäischen Asylsystems nicht mit demselben Problem, mit demselben Fehler starten sollten, mit dem das europäische Asylsystem bereits behaftet ist. Ich meine die unterschiedlichen Niveaus und Standards in den Mitgliedstaaten. Man mag an der einen oder anderen Stelle Kompromisse machen müssen – das ist hier ja schon gesagt worden –; aber wenn man gleich am Anfang wieder unterschiedliche Standards setzt, dann ist das das Gegenteil von einer Harmonisierung der europäischen Flüchtlingspolitik. Das sollte man kritisch betrachten. Deshalb bin ich dankbar dafür, dass hier über diese Initiative debattiert wird.

Die beiden Antragsteller, Grüne und Linke, machen es sich an einer Stelle aber zu einfach; das ist meine dritte Anmerkung. Ich meine die Tatsache, dass wir auch bei der Grenzsicherung auf europäischer Ebene gemeinsam arbeiten müssen. Ich möchte aus dem Bundestagswahlprogramm der Grünen zitieren. Dort heißt es zu Recht: Wir fordern legale Fluchtmöglichkeiten, und wir fordern legale Fluchtwege. – Beides steht auch bei uns und vielen anderen im Programm. Das ist richtig. Nur, wo soll eigentlich darüber entschieden werden, ob eine Flucht legal oder nicht legal ist, ob ein humanitäres Visum erteilt wird oder nicht erteilt wird, wenn das Herkunftsland in Schutt und Asche liegt und man den Menschen nicht den Weg über das Mittelmeer zumuten will? Das muss in Transitländern entschieden werden. Deswegen muss auch über die Menschenrechtssituation in den Transitstaaten ein Dialog geführt werden. Das muss Teil des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems sein.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die Linksfraktion legt sogar noch eine Schippe drauf. Sie fordert in ihrem hier vorliegenden Antrag: keine Kooperation mit Ländern wie Türkei und Libyen in der Flüchtlingspolitik.

(Tobias Pflüger [DIE LINKE]: Sie wissen doch, was dort abläuft!)

Meine Damen und Herren, man kann bei der Seenotrettung, man kann bei den humanitären Visa und man kann beim Grenzschutz alle Meinungen vertreten, die hier vertreten werden; aber zu glauben, dass man irgendetwas davon praktisch umsetzen kann ohne Kooperation mit den Ländern an den europäischen Außengrenzen, das ist nicht nur weltfremd, sondern damit wird man auch den fliehenden Menschen nicht gerecht.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Manuel Höferlin [FDP]: Richtig! Geht gar nicht!)

Deswegen sind wir dafür, diesen Antrag der Linksfraktion abzulehnen und den Antrag der Grünen um die noch fehlenden Aspekte zu ergänzen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Burkhard Lischka [SPD])

Vielen Dank, Konstantin Kuhle. – Nächste Rednerin: Ulla Jelpke für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7197930
Wahlperiode 19
Sitzung 11
Tagesordnungspunkt Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems
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