01.02.2018 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 11 / Zusatzpunkt 5

Dagmar FreitagSPD - Aktuelle Stunde zum Einmarsch der Türkei in Syrien mit Panzern aus deutscher Produktion

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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ja, es ist richtig, Afrin, ein Ort im Norden Syriens, ist im Zuge des Syrien-Konfliktes zu weiterer trauriger Bekanntheit gelangt. Der Norden, vorwiegend kurdisches Siedlungsgebiet, war bislang noch eine Zone relativer Stabilität im Bürgerkriegsland Syrien, sofern man im Kontext mit Syrien überhaupt noch von Stabilität sprechen kann.

Es kann doch überhaupt keine Frage sein, dass wir über Parteigrenzen hinweg die aktuelle Entwicklung in der Region mit allergrößter Besorgnis beobachten. Mit der schon erwähnten „Operation Olivenzweig“, also dem Vormarsch der türkischen Armee auf Afrin, erhält Syrien nun eine weitere Konfliktlinie mit ganz erheblichem Eskalationspotenzial. Und dem Kollegen Kiesewetter stimme ich ausdrücklich zu: Ja, das ist mit dem Völkerrecht nicht vereinbar.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der AfD, der FDP und der LINKEN – Andrej Hunko [DIE LINKE]: Interessant!)

Dieses Eskalationspotenzial setzt sich aus einem Mosaik an Konfliktparteien und eben auch ganz unterschiedlichen Interessenlagen zusammen. Ohne dass ich in der Kürze der Zeit auf weitere Details eingehen kann, muss eines klar sein: In dem seit mittlerweile 2011 andauernden Syrien-Konflikt greifen einfache Freund-Feind-Schemata schon lange nicht mehr. Deshalb gibt es auch kein einfaches Patentrezept für die Syrien-Politik. Ich ergänze einmal mit anderen Worten: Die ganz einfachen Antworten müssen nicht zwingend auch die richtigen Antworten sein.

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Manchmal sind die richtigen Antworten auch einfach! – Zurufe von der LINKEN)

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch das sollten wir uns immer wieder vor Augen halten: Auch durch Nichthandeln lädt man Verantwortung auf sich. Daher kann dies ganz sicher nicht der Königsweg einer verantwortungsvollen deutschen Außenpolitik sein. Ich warne zugleich davor, Verhandlungen und Diplomatie zu unterschätzen. Die lautesten Antworten müssen auch nicht die richtigsten sein.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, der Kampf in Syrien und der Kampf gegen den IS haben sowohl der Türkei als auch den Kurden ganz enorme Opfer abverlangt. Umso zynischer – ich glaube, so darf man das bezeichnen – ist diese neue militärische Konfliktlinie, deren Leidtragende hauptsächlich, wie so oft in solchen Situationen, die Zivilbevölkerung sein wird. Dreh- und Angelpunkt – daran kann es aus meiner Sicht eigentlich keinen Zweifel geben – muss daher sein, erneutes Leid von der Zivilbevölkerung im Norden Syriens abzuwenden. Dazu gehört eben auch das mäßigende Einwirken auf die türkische Regierung – sei es gemeinsam mit unseren europäischen Partnern oder eben auch innerhalb der NATO.

Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage?

Nein, Herr Präsident, erlaube ich nicht.

(Gunther Krichbaum [CDU/CSU]: Aktuelle Stunde! Da geht das nicht!)

Das sehe ich ein. Ich bitte vielmals um Entschuldigung.

(Gunther Krichbaum [CDU/CSU]: Freundschaftlicher Hinweis!)

Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, Zentrum der deutschen Syrien-Politik ist und bleibt der Einsatz für einen politischen Prozess, der nach Jahren dieses schrecklichen Bürgerkrieges endlich eine Friedensperspektive für das geschundene Land schaffen kann. Hierfür muss es vor allem Fortschritte beim Genfer Vermittlungsprozess geben, dem von den Vereinten Nationen – das dürfte bekannt sein – geleiteten inklusiven politischen Dialog.

Nach der militärischen Schwächung des IS im vergangenen Jahr schien die Hoffnung auf einen Friedensprozess für Syrien aufzukeimen, aber – das muss man ganz klar sagen – die jetzige türkische Militäroffensive hat eine Friedenslösung für das Land wieder in die Ferne rücken lassen.

Letztlich muss es heißen: Auf diplomatischem Wege müssen wir versuchen, diesen Konflikt zu lösen. Es müssen gemeinsam alle Anstrengungen unternommen werden, um endlich eine Perspektive für das Land und seine Menschen zu schaffen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Herzlichen Dank, Frau Kollegin Freitag. – Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass Sie eine Zwischenfrage nicht zulassen, weil sie in der Aktuellen Stunde unzulässig ist.

(Dagmar Freitag [SPD]: Das dachte ich mir!)

Mir ist das bekannt, aber es war nicht mehr in meinem Bewusstsein – vor allen Dingen, weil eine Wortmeldung aus der FDP-Fraktion mich hier erschüttert hatte.

(Heiterkeit)

Nächster ist der Kollege Rüdiger Lucassen von der AfD.

(Beifall bei der AfD)

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Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7197954
Wahlperiode 19
Sitzung 11
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zum Einmarsch der Türkei in Syrien mit Panzern aus deutscher Produktion
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